Clean Eating Vollwert-Ernährung im modernen Gewand?

Köln/Wettenberg · Naturbelassene Lebensmittel frisch zubereitet genießen - das ist die Kernidee von Clean Eating. Der Ernährungstrend findet wohl auch deshalb zunehmend Anhänger, weil er vergleichsweise unkompliziert ist und man fast nichts falsch machen kann.

Frisch und gesund essen, Fertiggerichte und industriell verarbeitete Lebensmittel meiden. Selber kochen - mit viel Obst, Salat, Gemüse und Vollkornprodukten. Das ist die Kernidee vom Clean Eating. Auch Fisch, Fleisch und Milchprodukte sind nach den Regeln erlaubt. Das ist eigentlich nicht neu. Das aus Amerika kommende Ernährungskonzept erobert jetzt aber auch deutsche Küchen. Die Kombination bekannter Ernährungsgrundsätze, zusammengefasst und aufgepeppt mit einem ansprechenden Namen, der natürliches und "sauberes" Essen verspricht, trifft den Zeitgeist.

"In erster Linie geht es beim cleanen Ernährungsstil darum, den Körper dauerhaft mit wertvollen Vitalstoffen und nicht mit leeren Kalorien zu versorgen", erläutert Christina Wiedemann, Autorin eines Clean-Eating-Kochbuchs. Dafür sollten die Nahrungsmittel möglichst vollwertig und wenig verarbeitet auf den Tisch kommen. Rohkost, aber auch die schonende Zubereitung der Speisen mit hochwertigen Fetten spiele dabei eine Rolle. Raffinierter Zucker, Weißmehl, Fast Food und industriell hergestellte Lebensmittel sollten vom Speiseplan gestrichen werden.

Im Prinzip sei Clean Eating "Vollwert-Ernährung im modernen Gewand", sagt Ernährungswissenschaftlerin Kathi Dittrich vom Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB). Die Inhalte des Konzepts seien nicht neu, wohl aber die Aufmachung, bei der auch Fitness und gutes Aussehen eine Rolle spielten. Wenn dieser Trend bewirkt, dass gerade junge Menschen sich mit dem Thema gesunde Ernährung auseinandersetzen, ist das ein positiver Effekt, wie Dittrich findet. Konkrete gesundheitliche Auswirkungen wie etwa die Reduzierung von Kopfschmerzen oder die Verbesserung des Hautbildes durch Clean Eating seien aber nicht wissenschaftlich belegt.

Auch Prof. Daniel König von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sagt, dass das Konzept im Großen und Ganzen den zehn Regeln für eine vollwertige Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspreche. Somit sei es durchaus möglich, sich mit Clean Eating "gesund, ausgewogen und ohne Defizite zu ernähren".

Dittrich weist allerdings darauf hin, dass es keine klare Definition des Begriffs Clean Eating gibt und der Ernährungsstil unterschiedlich ausgelegt wird. Wenn dann beispielsweise eine sehr proteinreiche und kohlenhydratreduzierte Ernährung propagiert werde, sei das mit Vorsicht zu betrachten.

Ebenfalls nicht neu, aber zentral für die Umsetzung von Clean Eating ist die Aufforderung, viel zu trinken. "Am besten trinken Sie Wasser mit oder ohne Kohlensäure. Ungesüßte Früchte-, Gewürz- und Kräutertees tragen auch zur Flüssigkeitsversorgung bei, ebenso wie Kaffee, der allerdings in Maßen getrunken werden sollte", erläutert Wiedemann. Neben der cleanen Ernährung sollten auch Bewegung und ein allgemein gesunder Lebensstil fester Bestandteil des Alltags werden.

Dass es möglich ist, mit Clean Eating abzunehmen, ohne Kalorien zu zählen, bestätigt Ernährungsmediziner König. Die ballaststoffreiche Ernährung mit viel frischem Gemüse und Vollkornprodukten macht mit vergleichsweise wenig Kalorien schnell satt, wie er sagt. Wenn außerdem der zugesetzte Zucker und die Fette aus Fertigprodukten wegfallen, nehme man automatisch weniger Kalorien zu sich. Auch die Portionsgröße lässt sich beim Selbstkochen individueller regeln. "Fertiggerichte geben die Portionsgröße vor", sagt König. Und so bestehe die Gefahr, dass man aufisst was da ist.

Wer seinen Lebensstil auf Clean Eating umstellen möchte, sollte zunächst einmal aufräumen, rät Wiedemann. "Befreien Sie Ihren Vorratsschrank von stark verarbeiteten Lebensmitteln." Außerdem sollte man sich die Zutatenlisten anschauen, rät die Autorin. "Bedenken Sie, je länger die Zutatenliste, desto stärker verarbeitet ist das Lebensmittel und desto weniger wertvolle Nährstoffe enthält es."

Dittrich empfiehlt, mit dem Weglassen anzufangen: Zunächst Zucker und Weißmehl aus der Ernährung streichen und dann schrittweise mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukte in den Speiseplan einbauen. So könne sich der Körper langsam an die ballaststoffreiche Nahrung gewöhnen und es komme nicht zu Verdauungsbeschwerden.

Wichtig ist es laut Wiedemann, den Tag mit einem cleanen Frühstück zu beginnen und insgesamt bis zu fünf kleine Mahlzeiten täglich zu sich zu nehmen. "So kommt kein Hunger auf und der Blutzuckerspiegel bleibt konstant." Als Frühstück schlägt Wiedemann Overnight Oats - das sind über Nacht in Milch oder Pflanzenmilch eingeweichte Getreideflocken - vor. Wer es deftiger mag, kann beispielsweise einen Räucherlachs-Avocado-Dill-Aufstrich wählen, der gut zu selbst gebackenem Dinkel-Roggen-Brot passt.

Wiedemann schätzt an der cleanen Ernährung, dass sie "völlig unkompliziert" sei und sich leicht in den Alltag integrieren lasse. Und vielleicht ist es gerade diese entspannte Herangehensweise, die gut in den heutigen Lifestyle passt. Sie betont: Es werde nicht dogmatisch vorgeschrieben, wie man sich zu ernähren hat, jeder entscheidet selbst, wie streng er sich an die Regeln hält.

(dpa)
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