Das ist nicht mehr gesund Zucker macht so süchtig wie Kokain

Düsseldorf · Mal was Süßes zu naschen, ist kein Problem. Vorsicht aber, wenn der Griff zu Schokolade und Co. unbewusst geschieht. Denn Zucker ist ein besonderer Stoff, dem sogar suchtähnliche Wirkung nachgesagt wird.

So halten Sie die Lust auf Süßes im Zaum
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Foto: AP

Am Anfang war der Tierversuch. An Ratten haben die Forscher um Neurowissenschaftler Bart Hoebel die Auswirkungen von Zucker auf das Gehirn und auf das Verhalten getestet. Sie gaben den Tieren zunächst zwölf Stunden gar nicht zu fressen, dann aber unbegrenzte Mengen an Zucker. Nach einem Monat zeigten die Ratten Suchtverhalten, als man ihnen nicht zuckerhaltige Nahrung gab. Sie waren ängstlich und nervös und zeigten klassische Entzugserscheinungen, wie man sie bei der Abhängigkeit von harten Drogen wie Morphin oder Kokain kennt.

Neurowissenschaftler Eric Stice vom Oregon Research Institute in Oregon nahm die Wirkung von Zucker auf das menschliche Gehirn unter die Lupe. Zucker aktiviert nach seinen Studienergebnissen die gleichen Hirnregionen wie Kokain. Es ist das Glücksgefühl, das uns wieder zugreifen lässt. Denn Zucker wirkt deutlich stärker als Salat auf das Belohnungssystem im Gehirn. Er sorgt dafür, dass mehr Dopamin und Opioid im Gehirn ausgeschüttet wird. Und diese körpereigenen Drogen sorgen dafür, in uns das Verlangen auszulösen, das gute Gefühl erneut zu erzeugen. Wir greifen also wieder zur Tüte mit den Gummibärchen. Gerade fettleibige Menschen essen darum oft vermehrt süße Speisen.

Zuckerdosis steigert sich

Darüber hinaus fand er heraus, dass Personen, die viel Zucker zu sich nehmen, mit der Zeit immer mehr davon brauchen, um den gleichen Effekt zu erleben. Der Gehirnforscher beschreibt, dass diese Menschen Symptome einer Substanzabhängigkeit zeigen. Die renommierte Psychiaterin Nora Volkow, vom National Institute of Drug Abuse in Marryland hat mit MRT-Verfahren sichtbar gemacht, wie sich die Gehirne von übergewichtigen und Drogen- und Alkoholabhängigen gleichen. Das belegen auch die Forschungsarbeiten des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim. Übergewichtige Menschen reagieren viel stärker auf Bilder zuckerhaltiger Lebensmittel als auf Bilder von Gemüse, Salat und Fleisch. Verglichen mit den Gehirnen normalgewichtiger Probanden, zeigte sich bei den adipösen Personen eine stärkere Aktivierung des Suchtzentrums.

Wissenschaftler des "Oregon Research Institute" stellten in einer Studie fest, sowohl beim Suchtverhalten nach Alkoholkonsum als auch beim Verhalten nach Zuckerkonsum ein und dasselbe Gen — das so genannte DRD2-Gen — besonders aktiv ist. Dieses Gen bestimmt, wie stark das Glücksgefühl ist, das wir nach dem Verzehr von Zucker verspüren.

Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie bestreitet das. "Keine der vom Tiermodell abgeleiteten Hypothesen lässt sich für den Menschen bestätigen", ist im Wissenschaftlichen Pressedienst des Lebensmittelchemischen Instituts der deutschen Süßwarenindustrie zu lesen. Professor David Benton von der Swansea Universität in Großbritannien nahm alle gängigen Hypothesen und davon abgeleitete Vermutungen unter die Lupe. Er wertete 160 Studien aus und fand keinerlei Bestätigung. Damit verweist die Süßwarenindustrie die existierende Zuckersucht ins Reich der Ernährungsmärchen.

31 Löffel Zucker am Tag

Doch losgelöst von der Diskussion über mögliche Suchtpotentiale von Zucker, ist unumstritten, dass zu viel Zucker der Gesundheit nicht zuträglich ist. Täglich, so sind sich die Ernährungswissenschaftler einig, macht die Menge an Zucker rund ein Viertel des täglichen Kalorienbedarfs aus. 31 Teelöffel Zucker sind das. In Kilokalorien gerechnet 500. Zu viel für die Gesundheit.

Zucker soll nicht nur dick, sondern nach neuesten Forschungsergebnissen aus Kalifornien und Los Angeles, ebenfalls dumm. Auch hier gaben die Forscher Ratten Zuckerwasser zu schlecken. Sechs Wochen lang labten sich die Tiere statt an Wasser an dem süßen Nass. Nach dieser Zeit sollten die Tiere eine vorher trainierte Strecke durch ein Labyrinth zurücklegen und schnitten dabei auffallend schlecht ab. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass diese Tiere "weniger klar denken" könnten.

Ein hoher Zuckerverzehr — besonders durch stark zuckerhaltige Getränke — kann nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sogar das Risiko erhöhen, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken.

Das vertretbare Zuckermaß

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, täglich nicht mehr als 20 bis 40 Gramm Zucker zu sich zu nehmen. Das entspricht in etwa der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die rät, höchstens 10 Prozent der täglichen Energiemenge in Form von Zucker aufzunehmen. Die Deutschen allerdings überschreiten diese Empfehlung bei weitem: Rund 90 Gramm Zucker nehmen sie täglich auf.

Das geschieht nicht nur durch Süßigkeiten. Auch in Limonade und Fruchtsäften steckt jede Menge davon, erklären die Ernährungsexperten des Informationsdienstes Ernährung: Wer hätte gedacht, dass sich in einem Liter Limonade satte 25 Stück Zucker verbergen? Fruchtsaftgetränke enthalten im Schnitt 100 Gramm Zucker pro Liter.

(wat)
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