Doktor Internet im Check Gibt es verlässliche Diagnosen im Netz?

Düsseldorf · Wenn der Körper schmerzt, suchen viele Betroffene zuerst im Netz nach einer Diagnose für ihre Symptome. Aber wie verlässlich sind Gesundheitswebseiten überhaupt?

 Jeder dritte Deutsche benutzt das Gesundheitsangebot im Internet mindestens einmal im Monat, um sich zu informieren.

Jeder dritte Deutsche benutzt das Gesundheitsangebot im Internet mindestens einmal im Monat, um sich zu informieren.

Foto: Shutterstock.com/ dean bertoncelj

"Pochende Kopfschmerzen" eintippen, Enter-Taste drücken und binnen Sekunden tauchen zahlreiche Antworten auf. Noch nie war es für Patienten so einfach, medizinischen Rat im Netz zu finden. Entsprechend intensiv wird die Möglichkeit auch genutzt, das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Siemens-Betriebskrankenkasse SBK aus dem Jahr 2015.

Demnach haben zwei Drittel der Deutschen schon einmal Google oder eine andere Suchmaschine genutzt, um sich über ihre Symptome zu informieren. Frauen recherchieren deutlich mehr als Männer - und auch Senioren setzen sich immer häufiger an den Computer. Laut einer Umfrage der Firma Bitcoin erklären sechs von zehn Internetnutzern ab 65 Jahren, dass sie bei Anzeichen einer Erkrankung schon einmal das Netz konsultiert haben.

41 Millionen Suchanfragen zum Thema Krankheiten kommen so in Deutschland pro Jahr zusammen. Die meisten landen dabei auf Gesundheitsseiten wie NetDoktor.de, omneda.de, apotheken.de oder der apotheken-umschau.de - und das, obwohl für den Patienten auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, wie verlässlich die Aussagen solcher Seiten sind.

"Deswegen raten wir vor allem dazu, diese Webseiten nicht zur Eigendiagnose zu verwenden", sagt Regina Behrendt von der Verbraucherzentrale NRW (VZ NRW). "Vielmehr sollte das Internet dazu dienen, einen ersten Eindruck von den Symptomen zu bekommen und sich Informationen zu holen, die auf einen Arzttermin vorbereiten." So kann der Patient nach der Netzlektüre bessere Fragen zum Beispiel zu Blutwerten und Therapiemöglichkeiten stellen.

Die Gesundheitsseiten selbst aber sollten mit Vorsicht genossen werden. Damit das gelingt, empfiehlt die VZ NRW ein bestimmtes Vorgehen beim Umgang mit Gesundheitsseiten. "Erst mal sollte man bei jeder Seite prüfen, wer der Anbieter ist", sagt Behrendt. Zu finden sind diese Angaben im Impressum, das für jede Webseite verpflichtend ist. Manchmal gibt es auch eine eigene Unterseite, die sich mit diesem Thema befasst, so zum Beispiel auf der Seite NetDoktor.de. Dort ist zu lesen, dass die Webseite zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrink gehört, unter dessen Dach auch die Zeitungen "Zeit" und das "Handelsblatt" fallen.

Häufig werden die Seiten aber auch von Pharmafirmen oder anderen Herstellern betrieben, wenn sich das auch nicht sofort erkennen lässt. Ein Blick in das Impressum von gesundheit.de zeigt beispielsweise, dass die Seite von dem Pharmagroßhändler Alliance Healthcare Deutschland AG betrieben wird. Noch häufiger treten Unternehmen als Betreiber spezialisierter Webseiten auf, wie etwa auf der Webseite erektile-dysfunktion.de, die von dem Medizintechnikunternehmen schwa-medico betrieben wird - das auch gleich entsprechende Produkte anbietet.

Problematisch ist der Zusammenhang zwischen Unternehmen und Gesundheitswebseite also, weil er die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Patient nur einseitig informiert wird. "Am Betreiber der Webseite lässt sich leicht erkennen, welche Interessen verfolgt werden", sagt Behrendt. "Geht es darum neutral Informationen zu vermitteln oder soll auf eine bestimmte Behandlung hingewirkt werden?" Letzteres sollte Patienten in jedem Fall stutzig machen. "Es gibt eigentlich immer mehrere Behandlungsmöglichkeiten und nur ein Arzt kann entscheiden, welche die beste für den Patienten ist", sagt die Verbraucherschützerin.

Sind die Informationen ausgewogen?

Dennoch können auch Webseiten von Firmen wertvolle Informationen enthalten. Deshalb ist der zweite Rat, auf ausgewogene Informationen zu achten: Werden sowohl Vor- als auch Nachteile genannt? Werden verschiedene Behandlungs- vielleicht auch Diagnosemethoden vorgeschlagen? Fragen wie diese helfen, Gesundheitsseiten richtig einzuschätzen.

Leider wird der Patient mit der Prüfung solcher Informationen derzeit weitgehend allein gelassen. Weil sich der Stand der Forschung ebenso wie die Inhalte der Seiten ständig ändern, können sie von unabhängigen Prüfern kaum getestet werden. Die Stiftung Warentest hat Gesundheitswebseiten deshalb seit 2009 nicht mehr unter die Lupe genommen. Damals befand sie die inhaltliche Qualität nur bei zwei von zwölf getesteten Seiten für gut. Allerdings muss das Ergebnis als Momentaufnahme gewertet werden. Der gleiche Test könnte heute völlig anders ausfallen.

Zudem sollten Patienten darauf achten, wer die Inhalte einer Webseite verfasst. Das sei im Netz laut Behrendt zwar nicht immer möglich, gibt aber unter Umständen weiteren Aufschluss über den Charakter der Webseite. Werden die Artikel von Medizinern verfasst und was für ein Experte diskutiert mit mir im Online-Forum, sind Fragen, die dabei helfen können.

Vorsicht bei zu detaillierten Aussagen

Insbesondere, weil in Deutschland ein Fernbehandlungsverbot herrscht. Es ist also verboten, einen Patienten aus der Ferne medizinisch zu beraten oder ihm eine Therapie zu empfehlen. Ärzte dürfen im Netz aber medizinische Auskünfte geben, wenn sie generell und abstrakt gehalten sind. Das gilt bislang auch für Expertenforen und Videosprechstunden.

Die werden zwar jetzt schon von Privatärzten als Leistung für Selbstzahler angeboten, dürfen aber nur zusätzlich zur normalen Behandlung stattfinden. "Der Arzt muss den Patienten und seine Krankheit entweder schon kennen, es handelt sich also um eine Nachberatung, oder es wird eine Erstberatung gemacht. Da wird beispielsweise geklärt, ob der Patient bei diesem Arzt richtig ist". Detaillierte Angebote im Internet sind als unseriös einzustufen.

Generell gilt: Wer nicht sicher ist, ob er gesund ist, sollte zum Arzt gehen. "Das Internet kann Hintergründe liefern, aber niemals eine echte Diagnose und vor allem sollte weder eine Gesundheitswebseite noch ein Expertenforum Entscheidungen für einen Patienten treffen", resümiert Behrendt.

(ham)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort