Die wichtigsten Antworten zu Herpes Küssen verboten!

Düsseldorf · Eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren führt oft zu unangenehmen Bläschen an der Lippe. Die Erkrankung ist fast immer harmlos. Komplikationen allerdings sind gefürchtet.

Herpes im Mund: Was hilft? Finger weg von Hausmitteln
Foto: Radowski

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Tiberius ausging, dass alle Welt das öffentliche Küssen weitgehend unterlassen solle. Einer seiner Zuträger hatte berichtet, in der Stadt seien Menschen mit Bläschen an den Lippen gesichtet worden, die zuvor von anderen geknutscht worden seien. Tiberius befragte seine obersten Medici, und tatsächlich: Schon der große Hippokrates, so wussten sie, hatte von einer sich ausbreitenden Bläschenkrankheit berichtet, wenngleich an weniger auffälligen, dafür pikanteren Körperteilen. Im Sinne der Infektionsmedizin ist Tiberius Iulius Caesar Augustus also zu preisen - ein weiser Kaiser.

Der antike Medizinschriftsteller Aulus Cornelius Celsus hat diese Begebenheit für die Nachwelt festgehalten. Heutzutage kennt man Celsus als den ersten Chronisten der vier Symptome einer Entzündung. Die noch heute gültigen vier Zeichen der lokalen Entzündung sind: Tumor (Schwellung), Calor (Überwärmung), Rubor (Rötung) und Dolor (Schmerz). Auch bei den Lippenbläschen traten sie im Quartett auf.

Dieses fürwahr hoch ansteckende Virus, das an den Mundlippen fiese, kribbelnde, schmerzhafte Bläschen wirft, trägt noch heute einen nicht nur Lateinern eingängigen Namen: Herpes simplex Typ 1 (HSV 1). Der weniger häufige Bruder, der oft im Genitalbereich für unangenehme Infektionen sorgt (und gelegentlich mit Gonorrhoe und Syphilis verwechselt wird), heißt Typ 2. Doch täusche man sich nicht: Beide Virentypen können überkreuz aktiv werden - HSV 2 ist auch bei Lippenbläschen zu finden.

Dieses Herpes-Viren tragen diverse Merkmale: Sie können bis zu 180 Nanometer groß werden, und ihr Genom verbirgt sich in der umhüllten Verpackung eines Proteinkomplexes. Das klingt nach der Robustheit von Kawenzmännern. In Wirklichkeit sind auch die ansteckendsten Herpes-Viren sensibel bis zum Umfallen: Bei Seifen und milden Desinfektionsmitteln gehen sie ein.

Die Infektion selbst läuft jedes Mal geradezu schulmäßig ab: Die Herpes-simplex-Viren dringen bei einer Erstinfektion (fast immer ist das eine Schmierinfektion) über die Schleimhautzellen des Mund-Rachen-Raumes (überwiegend das HSV-1) und des Genitaltraktes (überwiegend das HSV-2) ein. Bereiche am Übergang von Schleimhaut zu normaler Haut sind bevorzugte Pforten, um in den Körper zu gelangen. Hier vermehren sich die Viren denn auch.

In den Zellen dieser Schleimhautregion breiten sich die Herpes-simplex-Viren aus, indem sie die ortsansässigen Zellen zerstören und die Nachbarschaft direkt mit infizieren. In diesem Moment beginnt jener Entzündungsverlauf, von dem Celsus sprach - das Hautbläschen entsteht. In dessen Flüssigkeit tummeln sich Herpes-simplex-Viren in einer hohen Konzentration; mit diesem sogenannten Exsudat sollte man also besser nicht in Kontakt kommen. Deshalb sollten Bläschen nicht aufgestochen werden.

Das Kainszeichen, das Herpes-Viren bei ihrem Wirt, dem Menschen, hinterlassen, ist allerdings, dass er fortdauernd seropositiv ist. Das heißt: Die Viren verbleiben nach einer Ansteckung lebenslang im Körper, genauer in Nervenknoten, den sogenannten Ganglien. Ist das Immunsystem des Körpers beispielsweise durch eine Erkältung oder eine andere Infektion geschwächt oder werden die infizierten Nerven gereizt, etwa durch starke Sonneneinstrahlung oder durch hormonelle Schwankungen, können die Viren immer wieder entlang der Nervenzellen zur Hautoberfläche wandern. Dort verursachen sie die typischen Bläschen. Man nennt diesen Vorgang Reaktivierung; die Wiederkehr heißt Rezidiv. Es gibt indes überraschend viele Menschen, die das Herpes-Virus in sich haben, ohne je ein einziges Bläschen zu entwickeln.

Wer das Virus in sich trägt, besitzt gleichwohl ein hohes Risiko, immer wieder Herpes-Bläschen zu bekommen. Mit zunehmendem Alter lässt diese Wahrscheinlichkeit aber nach, weswegen man sie bei jungen Leuten häufiger sieht als bei Erwachsenen. Dieses Wiederholungsrisiko ist sowohl vom Virustyp (HSV 1 oder HSV 2) als auch von der Abwehrlage des Körpers abhängig. Jede körperliche Schwächung birgt die Gefahr eines erneuten Ausbruchs. Und in der Tat: Auch akuter psychischer Stress kann einen neuen Herpes-Schub auslösen und die Entzündungskaskade in Gang setzen.

Stets besteht die Gefahr, dass die Herpes-Bläschen aufplatzen und die benachbarte Haut angreifen. Das birgt auch das Risiko einer sogenannte Superinfektion: Die offenen Stellen können sich dann mit anderen Erregern wie Bakterien oder Pilzen infizieren. Eine weit gefährlichere Komplikation droht, wenn die Herpes-Viren übers Blut ins Gehirn gelangen. Auf diese Weise kann es zu einer Herpes-Entzündung des Gehirns, der berüchtigten Herpes-Enzephalitis, kommen. Ebenso schwer zu behandeln sind HSV-Infektionen der Speiseröhre und des Gesichtsnervs. Bei Menschen mit starker Abwehrschwäche, etwa bei einer HIV-Infektion, kann der Verlauf dramatisch schwer sein. Dann sind oftmals sehr große Bereiche der Haut- und Schleimhaut betroffen.

Besonders komplexe Formen einer Herpes-Infektion sind bei Neugeborenen zu finden, die während der Geburt mit dem Herpes-Virus angesteckt werden. Bei den Babies gelangen die Viren leichter ins Blut, so dass sich die Infektion im ganzen Körper ausbreiten kann; das nennt man Herpes-Sepsis.

Die Behandlung von HSV-Infektion ist standardisiert: Sie geschieht in der Regel mit Aciclovir, dem potentesten Medikament mit antiviraler Wirkung. Es kann, als Creme frühzeitig und dann regelmäßig auf kribbelnde Lippen aufgebracht, den Verlauf einer Infektion deutlich mildern. In den anderen Fällen gibt es Medikamente in Tablettenform. Neuere Wirkstoffe befinden sich in der Erprobungsphase.

Finger weg von Hausmittelchen: Zahnpasta, Alkohole, Essig - hierbei trocknet die Haut aus, wodurch die Krusten wieder aufplatzen; der Heilungsverlauf kann sogar verlängert und bakteriellen Infektionen der Einstieg bereitet werden. Ätherische Öle wie Teebaumöl oder Zimtaldehyd schließlich besitzen ein erhebliches allergisches Potenzial und wirken in höheren Konzentrationen eher reizend als heilend.

(w.g.)
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