Gesundheit Knigge für die Klinik

Flotte Sprüche am Krankenbett kommen manchmal gar nicht an. Auch gut gemeinte Mitbringsel können unerwünscht sein. Tipps helfen, dass ein Besuch sein Ziel erreicht.

 Wie benimmt man sich im Krankenhaus?

Wie benimmt man sich im Krankenhaus?

Foto: Martin Ferl

Was über den Wolken der Tomatensaft, das ist am Krankenbett der Eisentrunk. Eisen ist wichtig und gesund, weiß der Laie, damit kann er in der Klinik nichts falsch machen, wenn er einen Patienten besucht. Man kommt nicht gern mit leeren Händen, aber weil das Schenken im Krankenhaus so schwierig ist und man den Kranken seiner Liebe oder Wertschätzung versichern will, schenkt er keinesfalls den Traubensaft vom Discounter um die Ecke. Obwohl der nicht unbedingt schlechter ist.

Die flüssige Aufmerksamkeit ist das unproblematischste Mitbringsel bei einem Krankenhausbesuch. Nicht immer so leicht ist die Frage zu beantworten: Wie bringt man sich selbst mit? Wie trete ich dem Kranken gegenüber? Worüber soll ich mit ihm reden? Was wird mein erster Satz sein? Ist das joviale "Was machst du denn für Sachen?" immer angebracht? Wie lange soll ich bleiben? Und wie bekomme ich am Ende die Kurve, Adieu zu sagen - vielleicht für immer?

Manche zermartern sich darüber den Kopf, denn ganz sicher bedarf ein Kranker mit einer Krebsdiagnose eines anderen Zuspruchs als ein junger Sportler mit einem eher harmlosen Meniskusschaden. Andererseits hasst es jeder Bettlägerige, mit Mitleid überschüttet zu werden. Verstellung und übertriebenes Mitgefühl am Krankenbett sind sowieso fehl am Platz, und auch der Kranke mit dem Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium wird vielleicht froh sein, wenn ein lieber Mensch ihm einige Stunden oder Minuten schenkt, in denen sogar noch ein Lachen möglich ist.

Liegt ein Verwandter auf einer Intensivstation, ist ein Besuch sogar sehr wichtig. Viele Patienten reagieren positiv auf vertraute Stimmen und ein Streicheln. Auch leise Musik, die der Kranke mag, hilft bei der Heilung, sofern nicht auf Dauerberieselung geschaltet ist. Die sollten Angehörige übrigens untersagen, wenn das Personal sie zu eigener Ergötzung eingeschaltet hat. Musik, gegen die der Intensivpflichtige wehrlos ist, kann Stress auslösen und die Prognose verschlechtern.

Worüber man redet Das Reden am Krankenbett ist für manchen nicht so einfach. Banalitäten sind zuweilen erwünscht, können aber schwer danebengehen. Man sollte sich vorher ein paar Themen überlegen, die man loswerden will oder die den Patienten interessieren könnten. Ohnedies sind bei gewissen Krankheiten die Besucher fast betroffener als die Patienten selbst, die sich ihres Leidensweges längst bewusst sind.

Regelmäßig erlebt man es, wie in einer Klinik die Kranken die Gesunden trösten, die - je nach Enge der Verbindung - in solchen Situationen selbst zu Kranken werden. In solchen Momenten gilt: Miteinander schweigen ist Gold. Stille Anwesenheit verbindet. Man muss nicht immer reden. Aber nie sollte ein Besucher mit einem kummervollen Gesicht auflaufen. Besser ruft er kurz an, schickt eine SMS oder lässt Grüße ausrichten. Wer nicht reden kann oder will, muss es auch nicht. Übrigens sollte man mit dem Patienten besprechen, ob er im Krankenhaus angerufen werden möchte oder nicht. Manche Patienten finden es gut, Kontakt zur Außenwelt zu haben, andere haben lieber ihre Ruhe. Telefoniererei kann auch den Zimmernachbarn arg stören.

Was man mitbringt Blumen gelten als Stimmungsaufheller, sind aber oft unerwünscht, auch aus medizinischen Gründen. Pflanzen mit Blumenerde sind in fast jeder Klinik verboten, weil sie Hygieneprobleme bereiten - vom Geruch zu schweigen. Auch sollte man dringend saubere Hände mitbringen; deshalb hängen in allen Kliniken auf dem Flur Spender mit Desinfektionsmitteln. Viele Besucher sind ja selbst Keimschleudern, schreien aber am lautesten nach dem Gesundheitsamt, wenn bei dem Kranken beim Abstrich sogenannte pathogene Keime gefunden werden. Am besten fragt man das Pflegepersonal, was mitzubringen erlaubt ist. Bei manchen Krankheiten sind auch bestimmte Lebensmittel verboten.

Leichte Lektüre ist oft hilfreich, Rätsel, Sudokus, die Tageszeitung sowieso - Kranke müssen nicht mit Gewalt vom Alltag ferngehalten werden. Besser ist es für sie, wenn sie an allem teilnehmen. Die Todesanzeigen müssen nicht aus der Zeitung herausgerissen werden.

Wann ich mit dem Arzt spreche Das dürfen Angehörige nur, wenn der Patient sie dazu ausdrücklich autorisiert hat. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint; manche Dinge möchte der Kranke für sich behalten. Zuweilen ist ein solches Gespräch mit dem Arzt aber wichtig, wenn es bei der Visite Verständnisprobleme gegeben hat und der Angehörige nicht teilnehmen konnte. Es kann aber auch andere Gründe für eine Klärung geben: wenn zum Beispiel zwei Zimmernachbarn einander auf die Nerven gehen, aber nicht darüber reden können - etwa weil der eine häufig Besuch von Hundertschaften bekommt. Oft prallen auf 14 Quadratmetern Doppelzimmer zwei Kulturkreise aufeinander, die eine unterschiedliche Definition von Familiengröße besitzen.

Man lauere dem Stationsarzt aber nicht während seiner Visite vor einem anderen Zimmer auf. Besser ist es, einen Termin zu vereinbaren.

Welche Sprüche tabu sind Vor allem lose Mundwerker sind zuweilen wenig taktvoll in der Verabreichung schnoddriger Sprüche. Ein Tumorkranker wird die fast vorwurfsvollen Floskeln "Dich kann man aber auch nicht alleine lassen!" oder "Du musst was essen!" möglicherweise nur mit einem gequälten Ächzen beantworten; selbst lustige Vorwürfe, die erkennbar nicht so gemeint sind, können nach hinten losgehen. Kranke können sich nämlich seelisch verändern. Andererseits können sie von ihrem Leiden in einem gewissen Maß sogar profitieren. Das nennt man den sekundären Krankheitsgewinn - sie werden plötzlich umsorgt, beachtet, dürfen schwach sein und im Bett essen. Es sollte einem Kranken gegönnt sein. Denn wer in einer Klinik liegt, ist eines ganz gewiss nicht: gesund.

(RP)
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