Sprechstunde Kurzschluss im Kopf

Wenn sich in manchen Engstellen des Gehirns Nerven und Gefäße berühren, kann es kurzzeitig zu Schwindelattacken kommen.

Unser Leser Uwe K. (53) aus Meerbusch fragt: "Seit drei Wochen leide ich unter täglichen Drehschwindel-Attacken, die in Ruhe oder bei leichter Kopfneigung nach hinten auftreten. Sie halten nur wenige Sekunden an treten bis zu fünf mal am Tag auf. Was kann die Ursache sein, und wie kann ich mich behandeln lassen?"

Winfried Neukäter Ihre Beschwerden entsprechen den typischen Symptomen einer sogenannten Vestibularisparoxysmie. Das ist ein kompliziertes Wort, aber leicht zu erklären: Die Schwindelattacken entstehen durch eine Druckschädigung des Gleichgewichtsnervs, der im Ohr entspringt. Kurz vor seinem Eintritt ins Gehirn besteht häufig ein Kontakt mit einer erweiterten oder geschlängelt verlaufenden Arterie. Der Nerv wird vermutlich durch den pulsierenden Kontakt der Arterie geschädigt; es entsteht eine Art "Kurzschluss" der Informationsübertragung vom Gleichgewichtsorgan zum Gehirn. Die gestörten Impulse werden zu den für die Gleichgewichtsregulation zuständigen Zentren des Gehirns weitergeleitet und führen dort zur Wahrnehmung von Schwindel.

In der (während einer Schwindelattacke durchgeführten) klinischen Untersuchung kann eine rhythmische Augenbewegungsstörung, ein Nystagmus, nachgewiesen werden. Zudem kann der Arzt versuchen, durch rasches Atmen (Hyperventilation) eine Attacke auszulösen. Der übrige klinische Untersuchungsbefund ist unauffällig. Ergänzend sollte eine spezielle Kernspintomografie (MRT) zusammen mit einer Gefäßdarstellung (MR-Angiografie) durchgeführt werden.

Hierdurch kann ein Gefäß-Nerv-Kontakt nachgewiesen werden, der zur Druckschädigung des Gleichgewichtsnervs führt. Dieser Kontakt kann allerdings auch bei gesunden Menschen bestehen, ohne dass hierdurch Beschwerden auftreten. Die MRT dient auch dazu andere Erkrankungen - wie eine Entzündung des Hirnstamms oder eine den Gleichgewichtsnerv bedrängende Zyste - auszuschließen.

Die Behandlung erfolgt mit Medikamenten, die ursprünglich gegen Epilepsie entwickelt wurden und die elektrische Stabilität des Nervs wieder herstellen sollen. Bereits in niedriger Dosis können Carbamazepin (200 bis 600 mg/Tag) oder Oxcarbazepin (300 bis 600 mg/Tag) zu einer deutlichen Reduktion der Attackenhäufigkeit führen. Eine Operation, in der das Gefäß vom Nerv gelöst, verlagert und ein Polster zwischen beide eingelegt wird, sollte hingegen aufgrund möglicher Komplikation nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden.

Die Prognose mit medikamentöser Stabilisierung der Vestibularisparoxysmie ist sehr gut.

(RP)
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