Medikationsplan soll fatale Nebenwirkungen verhindern

500.000 Menschen landen jedes Jahr unnötig in der Notaufnahme. Der Grund: vermeidbare Medikationsfehler. Das soll ein bundesweit einheitlicher Medikationsplan ändern.

Wenn Medikamente nicht gesund, sondern krank machen, dann läuft etwas schief. Als Ursache dafür haben Ärzte und Pharmazeuten vor allem Wechselwirkungen und Einnahmefehler ausgemacht. Einige Patienten nehmen bis zu 30 Arzneimittel am Tag ein. Schon "bei drei Medikamenten sind die Wechselwirkungen nicht mehr vorhersehbar", sagt Harald Dormann, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Fürth. Ein bundeseinheitlicher Medikationsplan soll seit Beginn dieses Monats mehr Transparenz und Arzneimittelsicherheit schaffen.

Dormann hat diesen Plan zwei Jahre lang gemeinsam mit 2500 Patienten in einem Pilotprojekt getestet. Aus seiner täglichen Praxis kennt er die Probleme, die bei der Notfallversorgung auf Ärzte zukommen können. Sie müssen Patienten behandeln, deren Medikamentenplan sie nicht kennen. Oft sind es unzählige: Jeder dritte Mensch über 65 Jahren nimmt fünf oder mehr Wirkstoffe ein. "Das ist wie russisches Roulette", sagt der Mediziner. Die Zahl derer, die dieses Spiel verlieren, ist hoch. Laut Schätzungen von Experten sterben bis zu 25.000 Menschen jährlich nicht an ihren Krankheiten, sondern an Wechselwirkungen.

Diese Zahl soll nun eingedämmt werden: Wer drei oder mehr Medikamente einnehmen muss, erhält ab Oktober eine gedruckte Auflistung aller Mittel mitsamt Wirkstoffen und Einnahmeanweisungen. Nach Schätzung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK wird das bei mindestens 7,5 Millionen Deutschen so sein. Der Medikationsplan gilt als papierner Vorläufer einer Gesundheitskarte, deren Einführung für das Jahr 2018 geplant ist. Er basiert auf dem E-Health-Gesetz von 2015.

Wer erstellt den

Medikationsplan?

In der Regel soll der Hausarzt den Medikationsplan ausstellen. Schließlich hat er regelmäßig Kontakt zum Patienten, überweist ihn, wenn nötig, an Fachärzte und wird über das Ergebnis solcher Untersuchungen informiert. Auch ein Facharzt könne den Medikationsplan ausfüllen, so Dormann. Der Patient selbst könne dann Einträge ergänzen und auch die Apotheke könne Änderungen eintragen.

Der Papierplan im Querformat gibt einen Überblick über Wirkstoffe, Medikamentennamen, Stärke des Präparats oder die Darreichungsform. Zudem werden die Dosierung und mögliche Hinweise zur Anwendung notiert. Der Patient muss den Plan immer bei sich tragen, sobald er zum Arzt oder in die Apotheke geht. Nur so ist gewährleistet, dass alle Eintragungen in dasselbe Papier erfolgen.

Welche Probleme sehen

die Experten?

Eine Aktualisierung kann nur erfolgen, wenn der Patient seinen Plan immer dabei hat. Unabhängig davon zu welchem Arzt oder welcher Apotheke er geht. Dauerhaft ein DIN-A-4-großes Blatt herumtragen zu müssen, scheint aber vielen lästig zu sein oder wird vergessen. In der Testphase in Fürth zeigte sich, "dass häufig Patienten den Medikationsplan nicht dabei hatten. Manche fanden das Format zu groß und hatten ihn darum auf Checkkartengröße kopiert", sagt Bettina Plank-Kiegele, Apothekerin im Studienteam in Fürth. Durch einen Barcode soll es möglich sein, das Papier einzulesen und zum Beispiel in der Apotheke bei der Ausgabe von Generika zu aktualisieren. Doch ist der Plan nicht dabei, bleibt nur die Möglichkeit, einen neuen auszustellen.

Der Papierwust potenziert sich besonders in Fällen, in denen Menschen aufgrund von chronischen Erkrankungen beispielsweise dauerhaft Blutverdünner wie Marcumar einnehmen oder Insulin spritzen müssen. Dafür bekommen sie schon jetzt zusätzliche Medikationspläne. Dann den Überblick zu behalten wird nicht einfacher. "Wie stellen wir sicher, dass der Patient immer den richtigen Zettel in der Hand hat und wann kommt beim Hausarzt die Information an, dass weitere Medikamente hinzugekommen sind?" Diese Fragen sind für Apothekerin Isabelle Waltering ungeklärt.

Der heimische Arzneischrank

bietet einige Gefahren

Eine Schwachstelle ist der Arzneischrank zu Hause. Wer selbst den Medikamentenplan ergänzt, bannt nicht die Gefahr für Wechselwirkungen oder Überdosierung. Denn ihm fehlt die Fachkenntnis.

Auch bei rezeptfreien Medikamenten wie beispielsweise dem baldrian-ähnlich wirkenden Cava-Cava oder dem stimmungsaufhellenden Johanniskraut sind Wechselwirkungen nur dann ausgeschlossen, wenn der Patient vor der Einnahme Rat beim Arzt oder Apotheker holt. Das fordert dem Betroffenen zusätzliche Mühen ab und bedeutet darum ein Wagnis für den Medikationsplan.

(wat)
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