Manche Medikamente sind Mangelware Apotheker fürchten um Versorgung der Patienten

Köln · Ob Lungenentzündung, eine schwere Angina oder eine schmerzhafte Stirnhöhlenvereiterung. Wen nach dem plötzlichen Wintereinbruch ein bakterieller Infekt gepackt hat, der ist dankbar, wenn der Apotheker ihm das Antibiotikum geben kann, das der Arzt verordnet hat. Doch nicht immer können sie das. Vier von zehn Apotheken sind täglich mit Lieferengpässen konfrontiert.

Das sind die Gründe für Arzneimittelengpässe
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Das sind die Gründe für Arzneimittelengpässe

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Foto: dapd, dapd

Der Kölner Apotheker Thomas Preis hat mit einem Knopfdruck die Liste der Medikamente in der Hand, die am heutigen Tag nicht lieferbar sind. Für ihn ist es eine traurige Routine in seinem Arbeitsalltag, täglich solche auszudrucken und zur Dokumentation abzuheften. Im Zweifelsfall muss er damit der Krankenkasse beweisen, dass er dem Kunden ein anderes Präparat aushändigen musste, weil das von der Krankenkasse laut Rabattvertrag zugelassene nicht lieferbar ist. In solchen Situationen bewegt er sich in einer Grauzone, denn es gibt keine Regelung dazu, wann er ein anderes Medikament ausgeben darf.

Aufwändige Suche nach Alternativen

Mehrere Cholesterinsenker stehen heute auf dem zweiseitigen Ausdruck, mehrere Herzmedikamente, Psychopharmaka, eine Cortisonsalbe, Blutzuckertabletten, fünf verschiedene Magenmittel und auch ein Impfstoff. "Besonders bei Impfstoffen haben wir schnell Probleme wegen mangelnder Alternativen", erklärt er. Heute aber hat man Glück, zum fehlenden Tollwutimpfstoff gibt es eine.

Wie in ihm, steigt bei vielen Apothekern in Deutschland täglich der Frustrationspegel. Für den Apothekerverband Nordrhein moniert Preis als dessen Vorsitzender, man müsse mittlerweile eine ganze Apothekenkraft dafür abstellen, die sich um den Sektor der nicht lieferbaren Arzneimittel kümmert. Für die Apotheken ist es ein enormer Aufwand und die Patienten verunsichert es, wenn sie nicht mit dem verordneten Medikament die Apotheke verlassen, sondern im besten Fall mit einem Alternativpräparat.

Das falsche Spiel mit den Begriffen

Die APOkix-Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IfH) zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der deutschen Apotheker regelmäßig von Medikamentenengpässen betroffen ist. Auch, wenn an der Umfrage von bundesweit rund 21.000 Apotheken lediglich 350 teilgenommen haben, entspricht das Ergebnis dem, was Thomas Preis für den Verband in Nordrhein bestätigen kann. Vor allem sind es Mittel, bei denen ein Rabattvertrag zwischen der Krankenkasse und einem Hersteller besteht, die von Lieferproblemen betroffen sind. Im täglichen Geschäft zeigt sich, dass der Begriff "Lieferengpass" dehnbar wie ein Expander ist. "Für die Hersteller ist es kein Lieferengpass, wenn sie von fünf Apotheken lediglich drei mit einem bestimmten Arzneimittel beliefern können", erläutert der Kölner Apotheker die Argumentationsweise der Pharmaunternehmen.

So auch kam das wochenlange Gerangel um den Grippeimpfstoff für diese Saison in mehreren Bundesländern zustande, bei dem im September täglich neue mögliche Liefertermine kursierten. Der Hersteller Novartis Vaccine hatte mehrere Rabattverträge gewonnen, konnte dann aber zu Beginn der Impfsaison nicht liefern.

"Hier konterkarieren die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen die berechtigten Interessen der Menschen auf eine ausreichende Versorgung. Das muss sofort gestoppt werden", sagt in diesem Zusammenhang der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker.

84 Prozent der Apotheker fürchten um Versorgung

Die in der APOkix-Umfrage befragten Apotheker sehen zu 84 Prozent die Versorgungssicherheit gefährdet. Dabei zeigt sich, dass ebenfalls der Begriff einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln dehnbarer ist. Apotheken wie auch Klinikapotheken bestätigen auf die Nachfrage unserer Redaktion eine steigende Zahl an Engpässen. Doch in den meisten Fällen werden Alternativpräparate gefunden an den Kunden ausgegeben. Thomas Preis jedoch wendet ein: "Die Versorgung ist sichergestellt, wenn man das bekommt, was man braucht. Wenn ein Apotheker den Bezug eines Medikaments auf Rezept aber um zehn Ecken versuchen muss zu lösen und auf Ersatzmedikamente zurückgreifen muss, dann ist die Versorgung nicht so sichergestellt, wie man es erwarten kann."

Die Engpässe werden nach Auffassung der deutschen Apothekerschaft durch Rabattverträge forciert. "Sie haben eine massiv beschleunigte Marktkonzentration zur Folge", sagt Preis. So verhalte es sich auch mit den Ausschreibungen der Krankenkassen. Durch die Globalisierung werden viele Arzneimittel oder deren Wirkstoffe nur noch an einem einzigen Standort auf der ganzen Welt hergestellt. Gibt es im Produktionsablauf irgendwo eine Störung, kommt ein Schiff mit einem Inhaltsstoff zu spät oder fällt eine Anlage aus, hat das gravierende Auswirkungen. Probleme treten ebenfalls auf, wenn die Nachfrage nach einem Produkt zum Beispiel durch plötzlich gewonnene Rabattverträge ansteigt: Durch geringe Lagerhaltung kann ein solches System nicht auf sich verändernde Bedingungen reagieren.

Um dann kranken Kunden Medikamente zu besorgen, die nicht mehr in der Apothekerschublade liegen, müssen Apotheker immer mehr Aufwand betreiben. Sicher sind sie dabei nie, ob nicht sie nachher draufzahlen.

(wat)
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