Hilfe beim Sicca-Syndrom Warum trockene Augen häufig tränen

Die Augen tränen, brennen oder jucken: Beinahe jeder Achte leidet unter solchen Beschwerden. Sie sind häufig auf trockene Augen zurückzuführen und für die Betroffenen eine Qual. Was ruft sie hervor und was hilft dagegen?

 Tränende Augen oder Fremdkörpergefühl sind häufig ein Anzeichen für das Sicca-Syndrom (Symbolbild).

Tränende Augen oder Fremdkörpergefühl sind häufig ein Anzeichen für das Sicca-Syndrom (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/MJTH

Lange Bildschirmarbeit oder Zocken an der Spielekonsole — das tut den Augen oft gar nicht gut. Denn in solchen Situationen blinzeln wir zu wenig. Das aber wäre nötig, um es mit Tränenflüssigkeit zu benetzen. Die Folge: ein Fremdkörpergefühl macht sich breit. Die Augen brennen, jucken, sind gerötet oder morgens verklebt. Gerd Geerling, Leiter der Universitäts-Augenklinik in Düsseldorf macht auf ein besonderes Paradox aufmerksam: Trockene Augen tränen manchmal vermehrt. Auf diese Weise versucht das Auge den Reiz auf der Augenoberfläche wegzuspülen.

Der entsteht entweder dann, wenn grundsätzlich zu wenig Tränenflüssigkeit produziert wird, oder wenn der Tränenfilm zu wenig Fett enthält. Während ein Mangel an Tränenflüssigkeit vor allem bei schweren Allgemeinerkrankungen wie Rheuma zum Problem werden kann, ist es bei rund 80 Prozent der Menschen der mangelnde Fettanteil der Tränenflüssigkeit, der die quälenden Augenbeschwerden verursacht. Sicca-Syndrom nennt das der Mediziner, trockenes Auge nennt es der Volksmund.

Tränenfilm — das passiert, wenn die Mixtur nicht stimmt

Eigentlich sorgt unser Lidschlag alle fünf bis zehn Sekunden dafür, dass die Augenoberfläche gut befeuchtet bleibt, sagt Martina Herwig-Carl, die an der Universitätsaugenklinik Bonn eine Spezialsprechstunde für Betroffene anbietet. Dadurch werden die Horn- und Bindehaut feucht gehalten und mit Sauerstoff versorgt. Die Tränenflüssigkeit dient jedoch auch der Abwehr von Erregern und spült Fremdkörper aus.

Die Natur hat also bestens vorgesorgt, um das Sehorgan intakt zu halten. In manchen Fällen aber kommt es dazu, dass das Gleichgewicht zwischen seinem wässrigen und dem öligem Anteil gestört ist. "Man muss sich vorstellen, dass der Tränenfilm in mehreren Schichten aufgebaut ist", sagt Herwig-Carl. Auf einer schleimigen Unterschicht, die leichte Unebenheiten auf der Hornhaut ausgleicht, liege eine wässrige Komponente. Diese werde durch einen hauchdünnen öligen Film abgeschlossen. Dieser verhindert das Ablaufen der Tränenflüssigkeit über die Lidkante.

Reißt diese obere Schicht auf, verdunstet der Tränenfilm zu schnell, der Salzgehalt steigt und das Auge trocknet aus. Das reibende oder juckende Gefühl im Auge entsteht durch die an der Oberfläche des Auges liegenden Nervenenden.

Auch Umweltreize wie trockene Luft oder Zugluft, Rauchen oder die Einnahme von Medikamenten wie Beta-Blockern, Schlafmitteln oder der Anti-Baby-Pille können das Gleichgewicht des Tränenfilms aus dem Lot bringen. Rund 50 Prozent aller Kontaktlinsenträger entwickeln langfristig gesehen ein trockenes Auge, so der Berufsverband der Augenärzte. Daneben können laut Augenspezialist Geerling trockene Augen als Begleiterscheinung einiger Krankheiten auftreten, zu denen Schilddrüsenerkrankungen zählen, Hauterkrankungen wie Rosacea oder Diabetes.

Was erstaunt: "Das Sicca-Syndrom ist eine der häufigsten Augenkrankheiten, die meist bagatellisiert wird", sagt Geerling. Immer wieder erlebt er Menschen, die nach einem Ärztemarathon verzweifelt in der Augenuniklinik Hilfe suchen und hoffen, ernst genommen zu werden. Denn manchmal tun sich selbst Augenärzte schwer, ihren Leidensdruck nachzuvollziehen.

Das Problem: "Von außen sieht man ja meist nicht viel", stellt die Bonner Augenärztin fest. Dennoch kann die Beeinträchtigung groß sein. Aus ihrer Spezialsprechstunde weiß sie, dass trockene Augen nur manchmal eine harmlose Befindlichkeitsstörung sind. Sie können zu einer hohen Lichtempfindlichkeit oder verhängnisvollen Auswirkungen auf die Sehfähigkeit führen. Folge: Computerbildschirme verschwimmen vor den Augen und die Betroffenen werden bei Alltäglichem — wie Autofahrten — unsicher.

Martina Herwig-Carl empfiehlt beim Sicca-Syndrom eine Stufentherapie. "Frauen sollten in jedem Fall die Augenkosmetika reduzieren, denn diese können sich unvorteilhaft auswirken." Zudem raten die Experten zu einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Denn diese wirke sich auch auf das Auge positiv aus. Im nächsten Schritt rät die Bonner Augenärztin möglichst Erkrankungen auszuschließen, die zum trockenen Auge führen können. Auch wichtig: Achten Sie darauf, genug zu blinzeln.

Als hilfreich haben sich zudem Massagen des Liedrandes erwiesen, die man am besten nach Aufbringen einer möglichst warmen Augenkompresse durchführen sollte. Manchmal verstopfen die Talgdrüsen an den Lidrändern. Dadurch kommt es zu einem Sekretionsstau und einer Entzündung des Lidrandes. Durch die Massage entlang der oberen und unteren Lidränder lösen sich Krusten und der Talg kann wieder besser abfließen.

Lindernd sind zudem Tränenersatzmittel — am besten solche ohne Konservierungsmittel —, die sich in ihrer Zusammensetzung am Schweregrad des trockenen Auges orientieren sollten. Es gibt sie als Tropfen, Salben oder Gel. Die Experten empfehlen grundsätzlich Salben oder Gele eher für die Nacht, denn sie schränken vorübergehend das Sehen ein. Neben solch rezeptfreien Pflegemitteln gibt es zudem verschreibungspflichtige Medikamente, die entzündungshemmend wirken oder das Immunsystem unterstützen. In schwerwiegenden Fällen könne laut Herwig-Carl auch die Behandlung mit Tropfen aus Eigenblut-Serum helfen.

(wat)
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