Am 26. Juni ist Weltdrogentag Das macht sport- und sexsüchtig

Düsseldorf · Anlässlich des Weltdrogentages warnen Experten vor der Gefahr des Alkoholmissbrauchs. Doch auch der Körper produziert viele Drogen, die süchtig machen: Manche besorgen sich den Kick durch Sport, andere durch Extremsituationen oder Sex.

Welche körpereigenen Drogen es gibt
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Foto: Stadt Düsseldorf

Es gibt verschiedenste Reize, die das körpereigene Drogenlabor anwerfen und den Körper in Wallung bringen. Beim einen wirft ein gutes Essen die Dopaminproduktion im Gehirn an, bei einem anderen Sex. Ausdauersportler verspüren oft einen Zwang, der sie immer wieder in die Laufschuhe zwingt.

Körpereigene Stoffe, die wie Opium wirken

Der Botenstoff Dopamin beispielsweise macht uns Glücksgefühle, genau wie es beim Konsum von Heroin, Nikotin oder Alkohol geschieht. Ohne diese Mechanismen würde dem Menschen ein wichtiger Antrieb für viele lebensnotwendige Dinge fehlen. Der Spaß am Sex dient im Normalfall der Fortpflanzung, die Lust am Essen der Ernährung. Endorphine sind es, die Frauen bei der Entbindung helfen. In dieser Extremsituation schüttet der Körper dieses schmerzstillende und angstlösende Hormon aus. Ein perfekter Schmerzkiller, den sich Mutter Natur erdacht hat. Vergleichen kann man ihre Wirkung mit der von Opiaten oder Morphium. Vorteil der körpereigenen Drogen ist, dass sie jederzeit in genau austangierter Menge zur Verfügung gestellt werden.

Auch der Genuss bestimmter Nahrungsmittel kann uns glücklich machen. "Genetisch sind wir darauf programmiert, die Schokolade dem Apfel vorzuziehen", sagt Prof. Iain Mattaj Generaldirektor des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg. Denn bei hochkalorischen Lebensmitteln steigt der Dopaminspiegel viel stärker an als bei niedrigkalorischen. Der Preis aber ist hoch, denn die Dosis, die wir zu uns nehmen müssen, um den Dopamin-Kick zu bekommen, wird immer höher.

Essen kann also süchtig machen. Das zeigten Versuche an Ratten. Sie bekamen über einen längeren Zeitraum fettreiches und zuckerhaltiges Essen und zeigten nach einiger Zeit ähnliche Veränderungen im Gehirn wie Artgenossen, denen Drogen verabreicht wurden.

Körpereigenes Drogenlabor kann Schmerz ausschalten

Marathonläufer werden nach starker körperlicher Anstrengung vom Körper über das Cannaboid-System mit der Ausschüttung von Stoffen belohnt, die dem Cannabis ähnlich sind. Dieses System kann lebensrettend sein. Wird einem Menschen bei einem Unfall ein Fuß abgerissen, sorgt das körpereigene Drogenlabor dafür, dass der Körper von Endocannabinoiden, dem körpereignen Haschisch, überflutet wird. Der Schwerverletzte ist dadurch unmittelbar nach dem Unfall frei von Schmerzen, er kann euphorisch sein. Dank dieses Mechanismus wäre es ihm möglich, sich in Sicherheit zu bringen. Ein Rettungsprinzip, das uns evolutionsbiologisch mit auf den Weg gegeben worden ist.

Forscher der Technischen Universität München und der Universität Bonn haben die Ursache des beim Langstreckenlauf auftretenden Hochgefühls — auch Runner`s High genannt — belegt. Mit einer bildgebenden Studie konnten sie bei Athleten nach zweistündigem Joggen die erhöhte Ausschüttung von Endorphinen in bestimmten Gehirnregionen sichtbar machen und so nachweisen. Die körpereigenen Opiate werden u.a. in Hirnbereichen ausgeschüttet, die auch an der Unterdrückung von Schmerzen beteiligt sind.

Warum Ausdauersport süchtig machen kann

Eine weitere Erkenntnis: Ausdauersport wie Schwimmen, Fahrradfahren oder Laufen kann süchtig machen. Was als sinnvolle Schutzmaßnahme von der Natur angelegt wurde, kann wie bei jedem Drogenkonsum in der Sucht enden. Der Körper verlangt nach dem stimmungsaufhellenden Dopamin und Serotonin. Ist der Pegel hoch genug, gelingt es durchaus auch persönliche Probleme — wie bei Drogeneinnahme — in Schach zu halten und auszublenden. Der Organismus des Ausdauersportlers schreit danach immer wieder an die Grenze zu gehen und dadurch die Produktion der Glückshormone auszulösen.

Auf diese Art und Weise kann nach Erkenntnissen von Forschern aus dem Sportpsychologischen Bereich der Technischen Universität München zu einem Teufelskreis kommen: Das übermäßige Verlagen nach Sport führt zu einem neuerlichen Hochgefühl und der Wunsch das zu erleben steigt immer weiter an. Alles ist nur noch auf den Sport fokussiert. Der Sportler sucht nach immer neuen Kicks und immer extremeren Belastungen. Kann er nicht trainieren, kommt es zu Entzugserscheinungen und Stimmungsschwankungen.

Aus diesem Grund empfehlen die Wissenschaftler, beim Sport dem Körper immer auch ausreichende Regenerationsphasen zu gönnen. Dadurch wird die Belastung unterbrochen und der Organismus kann in ein Gleichgewicht zurückfinden.

Die Sucht nach den Extremen

Ähnliches wie beim Sportler, der süchtig nach Bewegung ist, passiert auch bei Extremsportlern, wie Basejumpern, die von den höchsten Hochhäusern der Welt springen oder bei Menschen, die unter bestimmten Formen der Sexsucht leiden. Unter ihnen gibt es die, die wie Marvin Zuckermann es 1974 erstmals als Sensation-Seeking diagnostizierte, suchen nach starken Reizen und ungewöhnlich stimulierenden Erfahrungen und Ereignissen.

Auch beim Sex werden natürliche Opiate ausgeschüttet. Durch die sexuelle Aktivität und den Orgasmus werden Endorphine und Peptide im Gehirn freigesetzt, die erregungssteigernd Euphorisierend und auch schmerzbetäubend sind. Sind in dieser Situation Angst oder Risiko mit ihm Spiel, verstärkt sich bei den Betroffenen das Rauschgefühl. Lässt dieses Gefühl nach, kommt die Ernüchterung und der Wunsch nach neuerlicher sexueller Befriedigung keimt. In mindestens der Hälfte der Fälle ist diese Sucht nach solch immer stärkeren Reizen genetisch bedingt.

Hilfe bei Süchten

Wer eine Sucht bei sich feststellt, der kann in jedem Fall eine Therapie in Anspruch nehmen. Sei es unkontrollierbares Verlangen nach Sport, extremen Erfahrungen oder Sex — mit einer Verhaltenstherapie und professioneller Hilfe kann man den Suchtfaktor in Angriff nehmen.

Weltdrogentag

Der Weltdrogentag (offiziell: "International Day against Drug Abuse and Illicit Trafficking", deutsch: "Internationaler Tag gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr") wurde 1987 von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen. Anlässlich der steigenden Zahlen von Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen, wollen Wissenschaftler und Suchtexperten dieses Jahr vor allem vor den Folgen des Alkoholmissbrauchs warnen.

Jürgen Rehm von der Technischen Universität Dresden etwa, bestätigte die teils drastischen gesundheitlichen Folgen von übermäßigem Trinken. Jeder achte Mann und mehr als jede 14. Frau sterbe in Deutschland vor dem 65. Lebensjahr an den Folgen von Alkoholmissbrauch, sagte der Wissenschaftler am Montag in Berlin.

(wat)
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