Bis zu 58.000 Tote jährlich Das sind die häufigsten Fehler bei der Medikamenteneinnahme

Berlin/Düsseldorf · Acht Arzneimittel bekommt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr vom Arzt verordnet. Sechs kauft er sich selbst dazu. Mit gravierenden Folgen: Jedes Jahr sterben mehr Menschen an Einnahmefehlern und Wechselwirkungen als an Autounfällen. Wir erklären, worauf Sie achten müssen.

 Wie man ein Medikament einnimmt hat Einfluss auf seine Wirkung.

Wie man ein Medikament einnimmt hat Einfluss auf seine Wirkung.

Foto: Ivan Smuk/ Shutterstock.com

Wer Arzneimittel schlucken muss, der sollte dabei nicht allzu sorglos sein. Allzuleicht kommt es bei der Einnahme zu Fehlern, die eine verfälschte oder verstärkte Wirkung nach sich ziehen können. Immerhin fünf Prozent der Krankenhauseinlieferungen in Deutschland gehen auf Medikationsfehler zurück, so der Bundesverband der Apothekerverbände (ABDA).

Etwa die Hälfte davon wäre vermeidbar, schätzt Professor Ulrich Jaehde vom Pharmazentrum Bonn. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, eine falsche oder unregelmäßige Einnahme oder ein zu frühes Absetzen gehen zu Lasten der eigenen Gesundheit. Nach verschiedenen Schätzungen sterben pro Jahr 16.000 bis 58.000 Deutsche an den Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Wir erklären die häufigsten Fehler:

Problem 1: Gefährlicher Medikamentenmix

Werden mehrere Medikamente gleichzeitig genommen, steigt die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen. Zudem kann es zu Wechselwirkungen zwischen den Mitteln kommen. "Eine der häufigsten ist jene zwischen dem schmerzdämpfender und entzündungshemmer Azetylsalizylsäure (ASS) und gerinnungshemmenden Medikamenten wie Marcumar oder Heparin", sagt Dr. Ursula Sellerberg vom ABDA. Wer also nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall ein solch blutverdünnendes Mittel einnimmt, der sollte das auch dann präsent haben, wenn ihn Kopfschmerzen quälen. Denn die Kombination beider Arzneimittel erhöht das Blutungsrisiko. Dänische Forscher kamen jüngst in einer Studie zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach kann die Kombination von Blutverdünnern und Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac das Blutungsrisiko auf das doppelte erhöhen. Zudem beobachteten die Wissenschaftler einen Anstieg von Herz-Kreislauf-Komplikationen.

Daneben gibt es eine Reihe anderer Arzneimittel, die sich ungünstig beeinflussen. So auch Phosphodiesterase-5-Hemmer wie zum Beispiel das luststeigernde Viagra in Kombination mit Nitraten. Diese werden beispielweise bei Angina Pectoris oder Bluthochdruck verordnet. "Sie können einen lebensbedrohlichen Blutdruckabfall nach sich ziehen", sagt Sellerberg. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, lesen Sie hier weiter.

Lösung Legen Sie Ihrem Arzt offen, welche — auch frei verkäuflichen — Medikamente Sie einnehmen und sprechen Sie ihn auf mögliche Wechselwirkungen an. Auch der Apotheker kann Ihnen weiterhelfen, wenn Sie unsicher sind.

Problem 2: Schwankender Wirkspiegel

Ein weiteres Problem stellt die unregelmäßige Einnahme von Medikamenten dar. Aufgrund von Stress vergessen manche Patienten die Einnahme schlichtweg.Typisches Beispiel: Der Arzt verschreibt gegen eine schwere bakterielle Infektionen Antibiotika. Damit sie richtig wirken können, muss der Wirkstoffspiegel im Blut über den Tag hinweg möglichst gleich bleiben. Das macht die mehrfache Einnahme in gleich bleibenden Zeitabschnitten erforderlich. Der Patient aber vergisst die Einnahme mittags und setzt sie dann abends nach dem bekannten Schema fort. Am nächsten Mittag geht ihm wegen eines Termins die Einnahme erneut durch die Lappen. DIe Folge: Sein Zustand verbessert sich nicht.

Wie in diesem Fall kann eine unzuverlässige Einnahme dazu führen, dass die erwünschte Wirkung nur abgeschwächt, zeitversetzt oder sogar gar nicht eintritt. Das ist auch der Fall, wenn Patienten die Dosierung eigenmächtig verändern. "Wer sich nicht an das empfohlene Einnahmeschema hält, fördert die Resistenzbildung und sorgt dafür, dass das Mittel dann gar nicht mehr wirkt", sagt Sellerberg von der ABDA.

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Foto: ABDA

Lösung Es kann es hilfreich sein, sich das Einnahmeschema vom Arzt oder Apotheker aufschreiben zu lassen. Eine wichtige Rolle spielt die Einnahme zur selben Zeit vor allem auch für chronisch kranke Patienten, wie Menschen mit Bluthochdruck. Sie sollten sich ein tägliches Ritual angewöhnen, um das Mittel nicht zu vergessen.

Problem 3: Falsche Einnahme

Doch selbst mit fester Einnahmeempfehlung ist man nicht aus dem Schneider. Aus ihr erklärt sich zwar der zeitliche Abstand zwischen den Einzeldosen, doch nicht der beste Startzeitpunkt. Manche Mittel wirken nur, wenn sie auf nüchternen Magen eingenommen werden. Andere hingegen sollten besser zum oder nach dem Essen geschluckt werden. Das kann über die Wirksamkeit des Mittels entscheiden.

Wird ein Arzneimittel auf vollen Magen genommen, verzögert sich die Magenentleerung und damit auch die Aufnahme des Wirkstoffs ins Blut. Dafür ist die Einnahme magenfreundlicher. Denn der Speisebrei schützt die empfindliche Magenschleimhaut. Das ist beispielweise bei Schmerzmitteln wichtig. Besonders magenempfindliche Menschen können sie darum sogar nur in Begleitung eines zusätzlichen Magenschutzes einnehmen. Auf nüchternen Magen eingenommene Medikamente wirken hingegen schneller. "Nüchtern" bedeutet hierbei eine halbe Stunde vor dem Essen. Das ist zum Beispiel bei Schilddrüsenmedikamenten wichtig, da sie maßgeblich Einfluss auf den Stoffwechsel nehmen.

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Foto: dpa, Franziska Koark

Lösung Überprüfen Sie im Beipackzettel, wie das Präparat einzunehmen ist und halten Sie sich strikt an diese Empfehlung.

Problem 4: Wechselwirkung mit Lebensmitteln

Pharmakologen empfehlen überdies das nötige Arzneimittel stets mit klarem Wasser einzunehmen. Mindestens ein Glas sollte es schon sein. So bleibt die Tablette nicht im Hals oder im Magen kleben. Wer zu Wasser greift, schlägt auch einem weiterem Problem ein Schnippchen: Bestimmte Lebensmittel können nämlich die Wirkung des Mittels ungünstig beeinflussen. Besondere Vorsicht ist darum bei Milch, Kaffee, Tee oder Grapefruitsaft geboten. Letzterer kann die Wirkung von Medikamenten um bis zu 70 Prozent erhöhen (!). Dieser Effekt tritt vor allem bei bestimmten Schlaf- oder Kopfschmerzmitteln auf.

Zum Problem können auch Gemüsesorten wie Spinat, Brokkoli oder Sauerkraut werden. Isst man sie in großer Menge und nimmt zugleich Blutverdünner ein, schwächt man die Wirkung solcher Präparate ab. Denn blutverdünnende Mittel hemmen den Vitamin K-Stoffwechsel. Das gesunde Gemüse wiederum enthält aber viel davon.

Bei anderen Medikamenten kann der gleichzeitige Genuss von Salami, Käse oder Lakritz problematisch sein. Ein großes Problem bei der medikamentösen Therapie ist zudem Alkohol. Er kann nicht nur die Wirkung einiger Medikamente verstärken, sondern auch deren Nebenwirkungen.

Lösung Im Beipackzettel des Medikaments wird auf mögliche Wechselwirkungen dieser Art hingewiesen. Bei Unsicherheiten helfen Ihnen hier Arzt und Apotheker weiter.

Problem 5: Teilen von Tabletten

Riskant ist auch das Teilen von Tabletten. "Denn nicht alle Tabletten sind zum Teilen vorgesehen", sagt Sellerberg. Manche Medikamente haben so genannte "Schmuckkerben", die sie nur besser unterscheidbar machen sollen. Ob eine Pille geteilt werden darf oder nicht, steht immer im Beipackzettel. Ist dort nichts vermerkt, sollte man sie nur im Ganzen einnehmen. Ansonsten kann sich ihre Wirkung verändern.

Daran denken auch Ärzte manchmal nicht, wenn sie ein Medikament in höherer Dosierung verschreiben und den Patienten bitten, es zu teilen. Da Krankenkassen und Pharmahersteller aber Rabattverträge schließen, kann es dazu kommen, dass der Arzt das Medikament einer bestimmten Firma verordnet, das teilbar wäre. Manchmal muss nun die Apotheke wegen der Rabattvereinbarung ein wirkstoffgleiches Präparat einer anderen Firma herausgeben. Das ist dann möglicherweise nicht teilbar.

Problematisch ist das Stückeln vor allem bei Tabletten, die nur wenige Mikrogramm Wirkstoff enthalten. Der geringe Wirkstoffanteil ist dann nicht immer gleichmäßig in der ganzen Pille verteilt. Bruchstücke wären ungleich dosiert. Andere Tabletten sollen sich im Körper erst zeitverzögert auflösen. Man nennt das "retardiert". Sie bekommen dafür einen speziellen Überzug. Teilt man ein solches Präparat, löst es sich schneller auf als gewünscht. Dadurch reduziert sich seine Wirkungsdauer. Magensaftresistente Tabletten sollen sich eigentlich erst im Dünndarm auflösen. Werden sie zerbrochen, lösen sie sich bereits im Magen auf. Das kann zum Beispiel die Magenschleimhaut reizen.

Lösung Teilen Sie nur solche Tabletten, von denen Sie zweifelsfrei wissen, dass man sie teilen kann. Am zuverlässigsten hilft Ihnen in dieser Frage der Apotheker, denn nur er weiß genau, welches Präparat er Ihnen aushändigt.

(wat)
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