Gerd Müller erkrankt Ab wann muss ein Alzheimer-Patient ins Heim?

Düsseldorf · Fußballlegende Gerd Müller wird seit Anfang des Jahres in einer speziellen Pflegeeinrichtung für Alzheimer-Patienten betreut, das gab der FC Bayer München nun überraschend bekannt. Dabei arbeitete der 69-Jährige laut Ärzten noch über Jahre im Verein. Fragt sich, ab wann müssen Alzheimer-Betroffene eigentlich wirklich ins Heim?

Alzheimer ist eine Erkrankung, bei der Betroffene immer mehr Gehirnfunktionen einbüßen. Was am Anfang noch wirkt wie normale Vergesslichkeit, entwickelt sich mit der Zeit zu einer Unfähigkeit, Sinnzusammenhänge zu verstehen. Erkrankte verlieren die Fähigkeit, die Uhr zu lesen und sich anzuziehen. Sie vergessen ihre eigene Biografie und ihren eigenen Namen. Viele packt dann das Gefühl, etwas verloren zu haben oder suchen zu müssen. Und oft beginnt ein ewiges Wandern durch Häuser, Flure und unter Umständen über Straßen. Bis die Patienten irgendwann das Endstadium erreichen. Essen, Anziehen, Gehen, Sitzen und sogar Sprechen - all das ist kurz vor dem Ende kaum oder gar nicht mehr möglich.

Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an der Krankheit, Tendenz steigend. Die größte Frage, der sich Betroffene und Angehörige nach der Diagnose stellen müssen, ist die nach der Betreuung. Wie macht man es richtig - für den Betroffenen, für die Angehörigen und angesichts der fortschreitenden Erkrankung?

Zehn-Punkte-Präventionsplan gegen Alzheimer
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Foto: dpa, Jan-Philipp Strobel

"Im Grunde gibt es zwei verschiedene Formen von Patienten", sagt Christl Meixner, zuständige für die Alzheimerberatung beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Reutlingen. "Die einen sind sehr aktiv und die anderen sehr passiv." Passive Patienten sitzen eher herum, wissen nicht richtig, was sie mit sich anfangen sollen und lassen sich insgesamt gut helfen, etwa beim Anziehen, Essen oder für den Gang zum Arzt. "Diese Patienten können meistens sehr gut auch bis zum Schluss Zuhause von der Familie versorgt werden", weiß die Expertin.

Aktive Patienten dagegen laufen viel herum, ziehen sich spontan aus und drohen über Stufen zu fallen. Es kann sogar dazu kommen, dass sie innerhalb der Wohnung urinieren, weil sie es nicht besser wissen. "In diesem Fall ist es sehr anstrengend für die Familie für den Alzheimer-Patienten zu sorgen. Die Belastung ist dann sehr groß, weil sie permanent Aufmerksamkeit brauchen. Hinzu kommt der emotionale Stress für die Angehörigen", sagt Meixner.

Prominente mit Alzheimer und Demenz
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Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Eben dieser emotionale Stress wird zusätzlich häufig durch aggressives Verhalten der Patienten verstärkt. Typisch ist das insbesondere in der späten Anfangsphase von Alzheimer. Betroffene finden dann etwa partout ihren Geldbeutel nicht mehr, verstehen die Situation nicht und verdächtigen dann Angehörige oder enge Bekannte, ihn gestohlen zu haben. "Solche Situationen entstehen in der Übergangsphase, in der die Patienten nicht mehr viel wissen, aber immer noch sehr viel machen können", erklärt die Expertin vom DRK. Alzheimer-Betroffene geraten dann in einen Teufelskreis aus Unverständnis, Erklärungsversuch, wachsendem Unverständnis, anschwellender Wut und emotionalen Ausbrüchen.

"Für Angehörige ist es sehr schwierig, mit diesen Situationen umzugehen", weiß Meixner. Ein anderes typisches Beispiel ist der Alzheimer-Patient, der sich auszieht und wütend, vielleicht sogar handgreiflich wird, wenn der Angehörige ihn wieder anziehen will. "Diese Momente führen zu großen Problemen und zu einem sehr ungesunden Wechselspiel aus Wut und Frust zwischen dem Angehörigen und dem Betroffenen", so Meixner.

Wie sich die Situation bei einer Pflege Zuhause letztlich entwickelt, hängt aber auch von den Persönlichkeiten und dem Zusammenspiel innerhalb der Familie ab. "Meiner Erfahrung nach, können Patienten dann am längsten Zuhause bleiben, wenn sich die Angehörigen schon sehr frühzeitig Hilfe suchen." Wenn also schon in den ersten Stadien der Krankheit eine externe Tagespflege dazugeholt wird. Wenn der Betroffene ein oder zwei Mal in der Woche in eine Nachmittagsgruppe geht, oder jemand ins Haus kommt und sich zusätzlich um ihn kümmert. "Diese Entlastung von Anfang an sorgt dafür, dass die Situation für die Angehörigen lange tragbar wird", beschreibt Meixner.

"Umgedreht ist es meiner Erfahrung nach am schlimmsten in Familien, die glauben, sie müssten alles alleine machen. Da kann man im Grunde dabei zusehen, wie die Situation auf einen Gau zuläuft, die Angehörigen nicht mehr können und der Alzheimer-Patient von einem Tag auf den anderen in eine Pflegeeinrichtung kommt."

(ham)
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