Trübe Tage, trübe Gedanken Was gegen den Winterblues hilft

München · Die Tage werden kürzer, die Abende und Nächte länger. Was der eine gemütlich findet, drückt dem anderen auf die Stimmung - manchmal bis hin zu einer Depression. Doch das muss nicht sein, ein paar einfache Hilfsmittel sorgen schnell wieder für bessere Laune.

Tipps gegen den Winterblues
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Foto: Sara Kühn

Wo ist der Tag geblieben? Morgens auf dem Weg zur Arbeit ist es noch dunkel, und auf dem Heimweg hat sich das Tageslicht schon wieder verabschiedet. Es ist kalt, nass, neblig - Herbst und Winter sind nicht gerade die Stimmungskanonen unter den Jahreszeiten. Das schlägt vielen Menschen aufs Gemüt. Je nach Umfrage klagen 20 bis 30 Prozent der Deutschen über Stimmungsschwankungen und schlechte Laune in der kalten Jahreszeit. Herbstmelancholie, Winterblues: Das Phänomen hat verschiedene Namen - und ist eigentlich ganz normal im Lauf der Jahreszeiten, sagt Till Roenneberg, der als Professor für Chronobiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München die innere Uhr des Menschen untersucht.

Der Lebensrhythmus ändert sich, wenn die Tage kürzer werden. Wir sind häuslicher, weniger aktiv und schlafen an freien Tagen gern länger. Und wir sind möglicherweise auch nicht ganz so gut drauf, weil wir nicht so viel Licht bekommen wie in den Sommermonaten. "Diese etwas melancholischere Stimmung zu akzeptieren, fällt vielen Menschen schwer. Wir gestehen uns nicht mehr zu, dass unsere Stimmung im Jahreslauf schwankt", sagt Roenneberg.

Das Tageslicht spielt eine wesentliche Rolle für die Gemütslage. Ist es dunkel, produziert der Körper Melatonin, ein Hormon, das müde macht und nachts für guten Schlaf sorgt. Licht dagegen, das über die Augen aufgenommen wird, unterdrückt die Melatonin-Ausschüttung. Wird es nun an trüben Wintertagen morgens gar nicht so richtig hell und spielt sich das Leben vor allem im Haus ab, dann tut Melatonin auch tagsüber seine Wirkung, macht träge und schlapp.

"Weniger Tageslicht bringt uns in eine Art Winterschlaf", sagt Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley aus Regensburg. Unsere urzeitlichen Vorfahren passten ihre Lebensweise noch an die Jahreszeiten an: Im Winter zogen sie sich in die Höhle zurück, das Leben lief auf Sparflamme, bis es wieder warm wurde. "Wir leben dagegen fast im gleichen Rhythmus weiter", sagt Zulley. Und sind genervt, weil wir ständig müde sind.

Doch umgekehrt gilt: Viel Licht weckt die Lebensgeister auch wieder. Sich an der frischen Luft zu bewegen und jeden Tag mindestens eine halbe Stunde rauszugehen, sei das beste Mittel gegen trübe Herbstgedanken, sagt Zulley. Es muss gar nicht sonnig sein, selbst ein verhangener Tag bietet genug Licht, um die Melatoninproduktion zu bremsen. Denn auch wenn das Auge kaum Unterschiede wahrnimmt, bekommt es draußen um ein Vielfaches mehr Licht ab als im Zimmer, betont Zulley.

Auf diesem Effekt basiert auch die Wirkung von sogenannten Tageslichtlampen oder Lichtduschen, die Besserung bei Winterblues versprechen. "Sie wirken aktivierend und können die Stimmung heben", sagt der Schlafforscher. Allerdings müssen sie hell genug sein: Mindestens 3000 Lux sollten es sein, noch besser sind 10 000 Lux, sagt Zulley. Sogenannte Wellness-Lampen erreichten diesen Wert oft nicht. Der Blick sollte sich direkt in die Lampe richten, denn die aktivierende Strahlung wird über die Netzhaut aufgenommen. Dem Auge schade das nicht: Das Licht der Tageslichtlampen ist frei von UV-Strahlung.

Halten gedrückte Stimmung, Antriebsstörung und Hoffnungslosigkeit länger als zwei Wochen an, ist allerdings möglicherweise nicht nur Lichtmangel die Ursache. Eine Unterform der Depression ist die sogenannte Saisonal Abhängige Depression (SAD), die in den Herbst- und Wintermonaten auftritt. "Diese spezielle Unterform ist aber vergleichsweise selten", sagt Prof. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. "Die meisten Depressionen im Winter sind typische Depressionen. Für diese spielt der Winter als Auslösefaktor keine Rolle: Sie sind im Winter nicht häufiger als in anderen Jahreszeiten."

Leben mit Depressionen - Bilder aus der Psychiatrie
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Ein Leben mit Depression - Bilder aus der Psychiatrie

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Foto: Laura Hospes

Typisch für die SAD, oft auch Winterdepression genannt, sind zwei Besonderheiten: Die Betroffenen schlafen besonders viel und haben mehr Hunger, während Patienten mit einer typischen Depression oft nur schwer in den Schlaf finden und wenig Appetit haben. "Saisonal abhängige Depressionen sind oft nicht ganz so schwer", sagt Hegerl. Bei der Behandlung habe sich die Lichttherapie bewährt - doch ob sie im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist und ausreicht, muss der Arzt entscheiden: Von jeder Form der Selbstbehandlung bei Depression rät Hegerl ab: "Dazu ist diese Erkrankung zu schwer und zu gefährlich."

Der Psychiater betont aber auch: Längst nicht jede traurige Phase in der dunklen Jahreszeit ist eine Depression. Melancholische Stimmungen, Trauer und Sorgen gehörten zum Leben dazu. Und sie können ja auch durchaus ihr Gutes haben, sagt Chronobiologe Roenneberg: "Wir sollten akzeptieren, dass wir schlapper sind und mehr Ruhe brauchen." Und anstelle der hektischen Betriebsamkeit der Sommermonate einfach mal die Füße hochlegen, ein Buch lesen, mit der Familie reden - "und dann voller Energie wieder ins Frühjahr starten".

(dpa)
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