Schmerzen und Übelkeit Wenn Aussackungen der Darmwand Ärger machen

Berlin/Hamburg · Sie sitzen im Dickdarm und sind meist harmlos. Manchmal machen sie aber doch Probleme: sogenannte Divertikel oder Ausstülpungen der Darmwand. Entzünden sie sich, muss mitunter operiert werden.

Heftige Schmerzen im rechten Unterbauch, eine angespannte Bauchdecke, vielleicht Fieber, Abgeschlagenheit, Übelkeit. Nicht nur Ärzte denken da schnell an eine Blinddarmentzündung. Doch was, wenn diese Beschwerden auf der linken Seite des unteren Bauches vorkommen? Dann könnte es sich um eine Entzündung von sogenannten Divertikeln handeln.

Viele Menschen haben solche Aussackungen der Darmwand, und meist machen sie keine Probleme. Daher ist es schwierig abzuschätzen, wie häufig sie sind. Einer ärztlichen Leitlinie zufolge haben 28 bis 45 Prozent der Gesamtbevölkerung Divertikel und mehr als 60 Prozent der 70-Jährigen.

Für ein gehäuftes Auftreten von Darmkrebs oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bei Divertikel-Trägern gibt es keine Belege. Ärger können sie trotzdem machen: "Wir gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent aller Menschen mit Divertikeln Beschwerden dadurch bekommen, also eine Entzündung oder eine Blutung mit mehr oder weniger schwierigem Verlauf", sagt Prof. Christoph-Thomas Germer von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie in Berlin. Zum überwiegenden Teil tritt eine Divertikulitis, eine Entzündung der Aussackungen, im Sigma auf. Das ist ein gewundener Dickdarmteil im linken Unterbauch, bevor der Mastdarm anfängt.

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Foto: Shutterstock/ Sebastian Kaulitzki

Chirurgen, Radiologen und Internisten haben unlängst eine Leitlinie zur Divertikulitis erstellt. Darin heißt es, in jüngster Zeit seien "zunehmende wissenschaftliche Anstrengungen erfolgt, die althergebrachte Vorstellungen sehr kritisch hinterfragen". Dazu gehören etwa die Gabe von Antibiotika bei unkomplizierten Verläufen oder der Zeitpunkt zur Empfehlung einer Operation.

Doch wie entstehen Divertikel überhaupt? Die Darmwand besteht aus verschiedenen Bindegewebs- und Muskelschichten. Unter anderem an den Stellen, wo Gefäße das Blut zuführen, können die Ausstülpungen entstehen. Es scheint eine erbliche Veranlagung zu geben, ebenso werden Übergewicht und ballaststoffarme Ernährung als Ursachen diskutiert - dies lässt sich in Studien allerdings nur schwer beweisen.

Wenn sich in den Divertikeln Stuhl und Bakterien sammeln, kann eine Entzündung entstehen. Bei Verdacht auf eine Divertikulitis untersucht der Arzt den Bauch des Patienten. "Dann nehmen wir in der Regel Blut ab, lassen Entzündungswerte bestimmen und machen eine Untersuchung per Ultraschall", erläutert Wolfgang Burmeister vom Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen in Hamburg. Eine Darmspiegelung sollte während eines Entzündungsschubs nur in Ausnahmefällen erfolgen, eventuell wird eine Computertomographie-Aufnahme veranlasst. Als mögliche alternative Ursache haben die Ärzte unter anderem einen Reizdarm im Blick.

"Wenn ein Patient nur leichte Beschwerden hat, und er hat regelmäßigen Stuhlgang und kein Fieber, dann muss man nicht sofort Antibiotika geben und kann den Patienten nach Hause schicken über Nacht", sagt Burmeister. Der Patient sollte dann viel trinken, sich beim Essen etwas zurückhalten, nicht zur Arbeit gehen und am nächsten Tag wieder kommen, um erneut untersucht zu werden. "Das wird natürlich schwierig, wenn es Wochenende ist, dann muss man dem Patienten mitgeben, dass er bei einer Verschlechterung auf jeden Fall in die Klinik gehen sollte zur Abklärung."

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Foto: AOK

Bei komplizierten Verläufen und bestimmten Patienten raten die Ärzte zu Antibiotika. "Menschen mit Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Allergieneigung und einem schwachen Immunsystem haben ein höheres Risiko, dass sich Divertikel entzünden und dass es zu Komplikationen kommt", sagt Prof. Ludger Leifeld von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Berlin. Auch bestimmte Medikamente erhöhen demnach das Risiko, etwa Kortison-Präparate oder nichtsteroidale Antiphlogistika wie Ibuprofen und Diclofenac. "Daher sollten Menschen mit Divertikeln auch besser auf diese Medikamente verzichten, wenn möglich", sagt Leifeld vom St.
Bernward Krankenhaus in Hildesheim.

Und wann müssen Divertikulitis-Patienten operiert werden? "Wenn zum Beispiel eine starke Blutung aus den Divertikeln besteht, der Darm an einer Stelle perforiert ist und freie Luft im Bauchraum vorliegt, dann sind das in der Regel Fälle für eine Notfall-Operation", sagt Germer vom Universitätsklinikum Würzburg. Bei unkompliziert verlaufenden Divertikulitis-Schüben, die regelmäßig wiederkehren, könne es zu Verengungen im Darm kommen, oder zu Verbindungsgängen zwischen den Darmschlingen. Auch dies sei Grund für eine OP.

Früher sei es gängig gewesen, nach dem zweiten Entzündungsschub den betroffenen Darmabschnitt vorsorglich entfernen zu lassen, aus Sorge vor einem späteren Darmdurchbruch. Doch in Studien zeigte sich, dass der erste Schub in dieser Hinsicht der gefährlichste ist. "Und eine vorsorgliche Operation kann das Auftreten von Komplikationen nicht günstig beeinflussen", sagt Germer. "Man sollte sehr genau schauen, was für einen Patienten man vor sich hat."

(dpa)
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