Über den Cyberdoktor auf den Holzweg Dr. Google — Jede vierte Selbstdiagnose ist falsch

Düsseldorf · Wer sich schlecht fühlt, der hilft sich zunächst gerne selbst. Vor allem Frauen sind es, die laut einer britischen Umfrage Hilfe im Internet suchen, bevor sie den Arzt konsultieren. Jede vierte selbst gestellte Diagnose ist allerdings falsch.

Die häufigsten Fehldiagnosen über Dr. Google
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Foto: centertv

Es sind fast doppelt so häufig die Frauen, die bei unklaren gesundheitlichen Problemen in Gesundheitsportalen oder anderen medizinischen Seiten nach der Lösung ihres Problems suchen. Britische Wissenschaftler befragten 1000 Frauen und kamen dabei zu einem Ergebnis, das die Pharmaindustrie mit Blick auf frei verkäufliche Arzneimittel jubeln lassen müsste: Die Hälfte der Patientinnen, die Dr. Google ihrem leiblichen Arzt vorziehen, würde nach der Selbstdiagnose ein Medikament kaufen, von dem sie annehmen, dass es hilft. Tut es aber nicht. Denn jede vierte selbst gestellte Diagnose ist falsch. Das fanden die Wissenschaftler in der allerdings nicht repräsentativen Umfrage heraus.

"Für eine erste Orientierung zu Krankheitsbildern sowie zur Unterstützung durch Erfahrungsberichte kann dies hilfreich sein", erklärt Wolfgang Maier, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Google könne nicht die Fachkompetenz eines Arztes ersetzen und sei nicht geeignet, um sich selbst eine Diagnose zu stellen.

Das Problem, das sich bei der Studie in England zeigt: Wer annimmt, an einer Krankheit zu leiden, die er nicht hat, nimmt womöglich Mittel dagegen ein, die kontraproduktiv sind. So berichtet die Daily Mail davon, dass jede zehnte Frau nach der falsch gestellten Selbstdiagnose sogar Mittel einnehme, die ihr schaden.

Welche Probleme führen die Patienten ins Netz?

Es sind vor allem Informationen zu Schlafproblemen, Kopfschmerzen und Depressionen, die die Menschen im Internet suchen. Die meisten Fehldiagnosen führen zu der Annahme, man habe Brustkrebs, andere Formen von Krebs, Vaginalpilz oder Bluthochdruck.

Der Grund für die Suche nach der passenden Diagnose im Netz liegt für viele der Frauen vor allem in langen Wartezeiten beim Arzt begründet. Ein Drittel der Befragten verfährt so und wählt den Arztbesuch nur als letzte Möglichkeit. Mit gravierenden Folgen: Ein Fünftel der Frauen geht nach der falschen Diagnose wirklich davon aus, schwer krank zu sein. Viele sprechen nicht einmal mit Freunden oder Familienangehörigen über ihre Symptome. Außerdem ist es das Schamgefühl, das manche Frau davon abhält zum Arzt zu gehen.

Weit weg scheint das von positiven Effekten, die sich manche Gesundheitsexperten über die Möglichkeiten der Recherche über das Internet wünschen würden. Auch der mündige Bürger benötigt noch einen Arzt, denn die Suche nach Linderung seiner Beschwerden führt viele auf einen Holzweg. Das zeigten vor der britischen Umfrage bereits repräsentative Studien. Der Hightech-Verbandes Bitkom präsentiert eine Studie, dernach sich 19 Millionen Bundesbürger online über Gesundheitsfragen informieren.

Selbst unter den über 60-Jährigen sucht mehr als die Hälfte nach Informationen über Krankheiten und Medikamente im Netz. Bereits vor drei Jahren meldeten dies das Institut für Management- und Wirtschaftsforschung und die Barmenia Versicherung, ebenso wie das Ergebnis, dass Frauen den Gang zum Arzt meiden und stattdessen im Internet ihr Heil und auch das Heilmittel suchen. Sie setzen nach dieser Studie vor allem auf Hausmittel wie ein Glas Milche bei Sodbrennen. Gastroenterologen treibt das einen Schauder über den Rücken. Milch ist heute als einer der möglichen Triggerfaktoren für einen Reflux bekannt.

Bei weltweit weit mehr als einer Million Gesundheits-Webseiten fällt die Suche nach seriösen Informationen manchem schwer. In Deutschland gibt es nach Schätzungen von Bitkom mehr als hundert Portale, die sich dem Thema Gesundheit widmen "Google wird nicht nur als Ausgangspunkt der Suche gesehen, sondern vielmehr als eine Art 'Sicherheitsseil' durch das Internet", sagt Prof. Dr. Ulrike Feld vom Institut für Wissenschaftsforschung der Universität Wien. Sie hat wissenschaftlich die Probleme einer virtuellen Suche in Gesundheitsfragen untersucht.

Eines der Hauptprobleme bei der Beschaffung von Gesundheitsinformationen im Netz ist die Tatsache, dass es bei der Hierarchie, die Suchmaschinen liefern, nicht nach Seriosität der Information geht. Bei der Suche nach Informationen zu Symptomen und Krankheiten wird der Nutzer meist mit einer unüberschaubaren und unbewerteten Informationsflut alleine gelassen. Bei medizinischen Fragen sollte man darum besser über das Portal www.patienten-information.de suchen, rät Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses "Telematik" der Bundesärztekammer. Hier bekomme der Patient gute und verlässliche Informationen frei von kommerziellen Interessen.

Zwar lassen sich über das Internet schnell und unkompliziert grundlegende Informationen zur Gesundheit finden, einen Arztbesuch ersetzen die Online-Portale jedoch nach Auffassung von Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer nicht. "Aber sie können helfen, Diagnose und Therapie besser zu verstehen."

(wat)
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