Analyse Wie sich Ebola besiegen lässt

Monrovia/Düsseldorf · Die Weltgesundheitsorganisation in Genf gibt sieben Wochen nach dem Tod des letzten Opfers für den westafrikanischen Staat Liberia Entwarnung, doch andere mahnen zur Vorsicht. Ist Ebola wirklich besiegt? Können die Menschen aufatmen? Eine Analyse.

Ebola: Wie sich die Krankheit besiegen lässt
Foto: AP

Die Menschen tanzten ausgelassen vor Freude und aus Erleichterung in den Straßen und auf den Plätzen ihrer Hauptstadt Monrovia und riefen: "Nie mehr Ebola!" Doch sie wissen, dass der Satz mehr Hoffnung ausdrückt als Gewissheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf hatte das westafrikanische Liberia am Wochenende zwar für Ebola-frei erklärt. Das klingt optimistisch nach langer Zeit der Angst, des Leides und des vielfachen Todes, den die Seuche über das Land gebracht hatte. Aber gefährliche Ungewissheiten für die nächsten Wochen und Monate bleiben. Ist Ebola wirklich besiegt? Können die Menschen aufatmen?

Das Virus der tödlichen Krankheit war nie auf Liberia allein beschränkt. Auch in den Nachbarstaaten Sierra Leone und Guinea trieb die Epidemie ihr Unwesen. Kann das Virus zurückkommen, weil Menschen unkontrolliert und sorglos die Grenzen überschreiten oder weil Symptome nicht rechtzeitig erkannt werden? Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnte schon. Das Virus sei so lange nicht besiegt, bis alle betroffenen Länder für Ebola-frei erklärt werden könnten. Doch das wäre zu früh.

Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf ist sich dieser Problematik bewusst. Sie dankte bei einer Zeremonie im St-Josefs-Krankenhaus allen an der Bekämpfung der Seuche Beteiligten. "Wir beten, dass das Virus nie mehr nach Liberia zurückkommt", sagte die Präsidentin. Bei einem Treffen mit Gesundheitsexperten mahnte das Staatsoberhaupt eindringlich, weiter vorsichtig zu sein. "Lasst uns feiern, aber lasst uns auch aufpassen, dass unsere Freude nicht getrübt wird." Und sie weiß, von wo die lebensbedrohenden Gefahren drohen könnten: "Vor allem müssen die Grenzen gesichert werden, um ein neues Aufflammen der Epidemie zu verhindern."

Das letzte Ebola-Opfer war in Liberia vor sieben Wochen gestorben. Da seitdem keine neuen Infektionsfälle aufgetreten sind, hatte die WHO das Land für Ebola-frei erklärt. Doch in den eineinhalb Jahren seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie waren allein in Liberia mehr als 4700 Menschen durch das Virus gestorben.

Auch wenn es für Liberias Nachbarn Sierra Leone und Guinea noch keine erlösende Entwarnung gibt, so zeigen sich auch dort hoffnungsvolle Perspektiven. So sind zuletzt noch 18 Neu-Infektionen in einer Woche registriert worden. Wie die WHO in Genf erklärte, sei das die geringste Zahl an Neu-Infektionen in diesem Jahr gewesen. In Brüssel führte der Ebola-Koordinator der EU und Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, die positive Entwicklung mit auf die großen Anstrengungen beider Länder zur Eindämmung von weiteren Infektionen zurück. Doch der Kampf gegen Ebola müsse mit aller Entschiedenheit fortgesetzt werden. Das kostet Kraft und kostet Geld. Alle drei Länder bleiben daher auf massive Hilfen von außen angewiesen.

Der Ausbruch der Seuche im Dezember 2013 hat Westafrika verändert. Dabei geht es nicht allein darum, dass Tausende Menschen an ihr gestorben sind. Die betroffenen Länder waren unzureichend für einen solchen Abwehrkampf gerüstet. Ihnen fehlten medizinische Geräte, Medikamente und Isolierstationen, vor allem Fachpersonal. Dazu kam außerhalb der Millionenstadt Monrovia die Unwissenheit der Bevölkerung vor allem auf dem Lande, die im Umgang mit Ebola-Kranken und Toten Vorsichtsmaßnahmen sträflich vernachlässigt hatte. Seit Dezember 2013 waren in Westafrika nach offiziellen Angaben mehr als 26 000 Menschen an Ebola erkrankt, mehr als 11 000 von ihnen sind gestorben. Gesundheitsexperten gehen von einer weit höheren Dunkelziffer aus. Auch von den zum Teil aus dem Ausland stammenden Helfern sind rund 500 an dem Virus gestorben. Außerdem hatten sich Schwestern und Ärzte und weitere Helfer aus Spanien, den USA oder Großbritannien angesteckt. Sie wurden mit eigens zum Transport hochinfektiöser Patienten umgebauten Flugzeugen zur weiteren Behandlung nach Europa (auch nach Deutschland) gebracht. Einige von ihnen sind später auf Isolierstationen in europäischen Krankenhäusern gestorben.

Auf dem Höhepunkt der Seuche im vergangenen Sommer waren aus den Ebola-Gebieten zwischen 300 und 400 neue Fälle pro Woche gemeldet worden. Fernsehbilder aus den betroffenen Ländern Westafrikas zeigten die Überforderung der lokalen Gesundheitseinrichtungen. In Liberias Hauptstadt Monrovia waren zeitweise Behandlungszentren wegen Überfüllung geschlossen, Kranke lagen auf den Böden unbehandelt und sich selbst überlassen. Andere wurden von Helfern in infektionssicheren, aus Europa eingeflogenen Schutzanzügen in Gesundheitsstationen behandelt, und Tote wurden in Schutzhüllen beerdigt, ohne Rücksicht auf lokale Beerdigungsriten. Die Bevölkerung - mehr als 80 Prozent bekennen sich zum Christentum - wurde in breit angelegten Kampagnen über die Ansteckungswege von Ebola aufgeklärt, es wurden den Menschen Wege gezeigt, wie das Virus durch Vorsichtsmaßnahmen jedes Einzelnen in seiner weiteren Ausbreitung behindert werden könne.

Das öffentliche Leben wurde durch die Ebola-Epidemie auch in Liberia ( einem der ärmsten Länder der Erde) mit seinen rund 4,1 Millionen Menschen schwer getroffen. Schulen blieben geschlossen, ebenso Märkte und viele Geschäfte. Das wirtschaftliche Leben erlitt nachhaltige Einbußen, 70 Prozent der Menschen leben von der Landwirtschaft. Internationale Fluglinien stellten ihre Flüge in die Region ein. Experten sagen, die wirtschaftliche Entwicklung der von Ebola betroffenen Länder sei um viele Jahre zurückgeworfen worden.

(RP)
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