Gehirn in Bestform So vermehren Sie Ihre Hirnzellen

Düsseldorf · Ständig dazu lernen, kreativ sein und konzentriert arbeiten. Damit das Gehirn das schafft und in Bestform bleibt, muss es trainiert werden. Hier erfahren Sie wie Sie dafür sorgen, dass sich Ihr Gehirn sogar selbst erneuert.

Brainfood – Energie fürs Hirn
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Foto: dpa, Andrea Warnecke

Es geht nicht um irgendwas, es geht um Ihr Hirn. Um 86 Milliarden Nervenzellen, die Ihre Denkzentrale ausmachen. Die dafür sorgen, dass Sie im Tennis besser werden, weil Sie dazu lernen, Ihr Auto auf dem Parkplatz wiederfinden, weil Sie sich erinnern oder im Job erfolgreich ein Konzept erarbeiten, weil Sie kreativ sind.

Das Hirn erneuert sich fortwährend

Damit das funktioniert, arbeitet das Gehirn im Wach- wie im Ruhezustand. Pausenlos kommunizieren dabei die Gehirnzellen miteinander. Synapsen vernetzen sich neu. Das ist auch deshalb notwendig, weil täglich tausende Nervenzellen absterben.

Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, es sei der natürliche Lauf der Dinge, dass es mit der Zeit immer dunkler im Oberstübchen wird. Bis schließlich irgendwann das Licht ganz ausgeht. Vor einigen Jahren dann richtete sich der Spot auf eine wissenschaftliche Sensationsmeldung: Es wird nicht zwangsläufig zappenduster, denn das Hirn erneuert sich fortwährend. Sogar bis ins hohe Alter.

Im Hippocampus, einer Region des Gehirns an der Innenseite der beiden Schläfenlappen — also hinter den Ohren — werden täglich neue Hirnzellen produziert. Dieses Wunder, das sich auch Neurogenese nennt, spielt nach aktuellem Stand eine wichtige Rolle beim Lernen und bei der Gedächtnisbildung.

Bessere Lernqualität durch mehr Gehirnzellen

Schon bei jungen Menschen soll die Neurogenese die Qualität des Lernens verändern. Sie erhöht die geistige Flexibilität und bestimmt, wie gut man verschiedene Informationen auseinanderhalten kann.

Was das heißt, lässt sich leicht an einem Beispiel verdeutlichen: Man fährt jeden Tag mit dem Auto zur Firma und stellt es dort auf dem Parkplatz ab. Nach der Arbeit kommt man nur dann nach Hause, wenn man sich erinnert, wo man das Fahrzeug abgestellt hat.

Jeden Tag muss man das Auto in einer anderen Parklücke abstellen. "Der Parkplatz an sich ändert sich nicht. Die innere Karte, die Sie von ihm im Kopf abgespeichert haben, benötigen Sie als Grundvoraussetzung dafür, dass Sie jeden Tag die aktuelle Parkbucht wiederfinden", sagt Hirn- und Stammzellenforscher Gerd Kempermann.

Um diese Aufgabe bewältigen zu können, muss man neue Informationen in Zusammenhang mit alten bringen können. Man muss das vorhandene Wissen immer wieder auf den neuesten Stand bringen.

Ein gesundes Gehirn kann das. Das zeigt eindrucksvoll, wie flexibel es sich auf neue Reize einstellen kann. Hirnforscher bezeichnen diesen Prozess als Neuroplastizität. Diese wird nach Annahme der Wissenschaftler vor allem durch die Neuverbindung von Nervenzellen möglich. Aber die Flexibilität scheint stark von neuen Nervenzellen, nicht nur ihren Verbindungen abzuhängen.

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Foto: ddp

Das ist im Alzheimerhirn anders

Am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Dresden ist Gerd Kempermann den Mechanismen dafür auf den Fersen. Dabei haben er und sein Team vor allem die Menschen im Blick, die unter neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson leiden.

Denn ihr Gehirn kann sich immer weniger anpassen. Sie leben in der Vergangenheit. Auf das Parkplatzbeispiel bezogen heißt da: sie kennen den Parkplatz noch, vergessen aber, wo das Auto heute steht.

Sechs Tipps, die die Denkzentrale in Schuss halten

  • Aktivität ist die Initialzündung für Entstehung neuer Gehirnzellen
  • Wer durch eine bestimmte Lebensweise die Bildung neuer Gehirnmasse anregt, sieht so schnell nicht alt aus. Der Tipp des Hirnforschers dazu: Bleiben Sie körperlich und geistig in Bewegung. "Es spricht viel dafür, dass Aktivität eine große Rolle spielt. Wer viel erlebt, tut viel für den Hippocampus. Er bleibt flexibler und kann das Altern im Hirn länger kompensieren", sagt Kempermann.
  • Neue Hirnzellen allerdings sollten gut gepflegt werden. Bleiben Lernreize und Anregungen aus, gehen sie zu Grunde und werden nie zu funktionstüchtigen Neuronen. Im besseren Fall hingegen integrieren sich die neuen Zellen in die Nervenbahnen und nehmen dort ihre Arbeit für einige Jahre auf.
  • Schlafen Sie ausreichend
  • Wer das macht, kann sich besser auf neue Reize einstellen, stärkt also die Neuroplastizität des Gehirns, sagt Christoph Nissen, Leiter der Forschungsgruppe "Schlaf und Plastizität" am Universitätsklinikum Freiburg.
  • Den Grund dafür nennt er auch: "Schlafentzug behindert die Verfestigung des Gelernten und stört zudem langfristig gesehen die Neurogenese." Im Schlaf nämlich spielt das Gehirn neue Gedächtnisspuren aus dem Kurzzeitspeicher im Offline-Modus nochmals durch und legt sie im Langzeitspeicher ab. Zudem werden überflüssige Verbindungen zwischen den Nervenzellen beseitigt. Das schafft Platz für Neues, fand ein Freiburger Forscherteam unter Leitung von Nissen heraus.
  • Gehen Sie eine Stunde früher als normal ins Bett
  • Sozialpsychologe und Schlafexperte James Maas von der Cornell Universität in Ithaka rät sogar dazu, seine gewöhnliche Schlafdauer um eine Stunde auszudehnen. Das soll Aufmerksamkeit und Kreativität nochmals um 25 Prozent steigern können.
  • Die beste Art das zu tun: eine Stunde früher in die Federn hüpfen. Ausschlaforgien am Wochenende hingegen sollen eine Nullnummer für die Neurogenese sein.
  • Seitenwechsel ist gefragt
  • Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer jedoch die grauen Zellen auf Vordermann halten will, sollte sich hin und wieder immer wieder selbst herausfordern und einfach mal die Seiten wechseln.
  • Schreiben Sie statt mit rechts einfach mal einige Zeilen mit links, benutzen Sie das Messer beim Schneiden mit der anderen Hand oder heben Sie die Kaffeetasse bewusst mit der anderen Hand an.
  • Entspannen Sie sich
  • Es muss ja nicht immer gleich eine Mütze Schlaf sein. Entspannen Sie sich, machen Sie Achtsamkeitsübungen oder Yoga. "Auch das wirkt sich positiv auf die geistigen Fähigkeiten aus", sagt Kempermann.
  • Rein mit Obst, Gemüse und Fisch
  • Aus epidemiologischen Studien weiß man zwar, dass sich Omega-3-Fettsäuren und Polyphenole positive Effekte bei der Alzheimerprävention haben. Welche konkreten Wirkungen man durch die Ernährung bezüglich der Neubildung von Hirnzellen erzielen kann, ist noch unklar.
  • "Ich glaube nicht an die Wirkung einzelner Nahrungsmittel auf das Gehirn", sagt der Dresdner Stammzellenforscher. Für wichtig hält er eine ausgewogene Ernährung, die dem metabolischen Syndrom entgegenwirkt. Denn Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck schaden den grauen Zellen in jedem Fall.
(wat)
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