Gicht Wenn Schmerzattacken auf das Festessen folgen

Düsseldorf · Der Schmerz kommt in der Nacht: Pochend macht er sich im großen Zeh bemerkbar und verwandelt selbst eine federleichte Bettdecke in ein unerträgliches Gewicht. Wer einmal einen Gichtanfall erlitten hat, der muss ein Leben lang auf der Hut sein, denn die Krankheit schädigt Knochen, Gelenke und Nieren.

 Was oft mit heftigen nächtlichen Schmerzen am großen Zeh beginnt, kann unbehandelt schwere Gelenkdeformationen und sogar Nierenversagen nach sich ziehen.

Was oft mit heftigen nächtlichen Schmerzen am großen Zeh beginnt, kann unbehandelt schwere Gelenkdeformationen und sogar Nierenversagen nach sich ziehen.

Foto: Shutterstock/ThamKC

Plötzlich schwellen bei scheinbar vollkommen gesunden Menschen ohne jegliche Vorwarnung die Gelenke heftig an, sind heiß und tun höllisch weh. Meist beginnt das Leiden am großen Zeh, es kann sich jedoch auch an anderen Gelenken wie Mittelfußgelenken, Sprung-, Knie- oder Daumengelenken zeigen. Wer zum ersten Mal von solchen Schmerzen unvermittelt aus dem Schlaf gerissen wird, kann sich vielleicht zunächst keinen Reim auf das machen, was für zwei Prozent der Deutschen nach dem ersten Schub zum Dauerthema wird. Denn wer einmal einen Gichtanfall erlitten hat, der wird die Wohlstandskrankheit nicht mehr los.

Unbehandelt drohen Gelenkdeformationen und Nierenversagen

Im akuten Zustand können die höllischen Schmerzen über Tage hinweg andauern und sich ohne ärztliche Behandlung in immer kürzer werdenden Abständen schubartig wiederholen. Fieber und Schüttelfrost zeugen in manchen Fällen als zusätzliche Symptome von der schweren Entzündung der Gelenke. Diese verursacht eine zu hohe Harnstoffkonzentration im Blut. Über einige Zeit hinweg lagern sich die Harnsäurekristalle an verschiedenen Stellen wie Gelenken, Haut und Sehnen ab. In den Gelenken kann es zu schlimmen Deformationen und letztlich sogar dessen Zerstörung kommen. Gichtkranke tragen zudem ein hohes Risiko für Knochenschäden, Nierensteinbildung, Nierenschwäche oder Komplikationen wie Nierenversagen.

Einst galt Gicht als Krankheit der Reichen und Adeligen. Sonnenkönig Ludwig XIV., Friedrich der Große und sogar der Dinosaurier Tyrannosaurus Rex sollen an der schmerzhaften Stoffwechselerkrankung gelitten haben. Zumindest was den Saurier angeht, mag ihm zweifelsohne das zum Verhängnis geworden sein, was auch heute noch vielen in Schüben das Leben zur Hölle macht: Fleisch. Das gilt neben anderen Nahrungs- und Genussmitteln wie Fisch, Hülsenfrüchten und Alkohol als Auslöser für eine der schlimmsten Formen von Arthritis.

Warum die Fleischlust das Leiden fördert

Schon früher hatten die gut Genährten Zugang zu Fleisch, Fisch, Wurst und Alkohol, während weniger wohlhabenden Zeitgenossen sich hingegen von Kartoffeln, Gemüse, Getreide und Wasser ernähren mussten. Unfreiwillig taten sie wohl daran, weiß man heute. Denn vor allem nach üppigem Schlemmen an Festtagen zeigt sich ebenso wie nach ausgiebigen Grillabenden schmerzvoll, dass es oft einfach zu viel ist, was mancher seinem Organismus zumutet.

Probleme machen vor allem stark purinhaltige Lebensmittel. Baut der Körper das darin enthaltene Eiweiß ab, bleibt Harnsäure im Blut zurück. Normalerweise wird sie von dort über den Urin ausgeschieden. Wird der Körper jedoch über Hering, Bohnen oder Schweinefilet mit Harnstoff überschwemmt, ist irgendwann das Maß voll. Der Alkohol tut das Seine, um empfindlichen Menschen das Leben schwer zu machen. Er hemmt die Ausscheidung des Harnstoffs. Der Harnsäurespiegel im Blut wird zu hoch. Die feinen und nadelspitzen Kristalle lagern sich vornehmlich in den Gelenken, aber auch den Nieren ab und sorgen dort für heftige Beschwerden und schwere Komplikationen.

Softdrinks, die unbekannte Gefahr

Mit der Stoffwechselerkrankung, die zu 95 Prozent Männer mittleren Alters trifft, Frauen hingegen erst nach Eintreten der Wechseljahre, lässt sich also nicht spaßen, zumal sich die Hinweise darauf mehren, dass neben den bekannten Nahrungsauslösern auch ein hoher Fructose-Konsum für eine steigende Anzahl an Gicht-Fällen verantwortlich sein könnte. Enthalten ist der Fruchtzucker in vielen Softdrinks und Säften und wird auch zum vermeintlich gesünderen Süßen von Nahrungsmitteln eingesetzt, die dann mit dem Aufdruck versehen werden "enthält natürlichen Fruchtzucker".

Eine groß angelegte Studie an über 46.000 Männern im Jahr 2008 zeigte, dass die negative Wirkung des Fruchtzuckers ähnlich groß ist wie die von Alkohol. Schon wenige Minuten nach dem Genuss fructose-haltiger Getränke, steigt die Konzentration der Harnsäure im Blut massiv an. Denn der Zuckerstoff setzt ebenso wie Alkohol die Ausscheidung über den Harn herab und sorgt bei Menschen, die ohnehin schon einen zu hohen Harnsäurespiegel haben für einen schmerzhaften Gichtanfall. Zurückhaltung scheint also auch in Sachen Softdrinks gefragt, denn schon ein einziger fructose-haltiger Drink am Tag soll das Gichtrisiko eines gesunden Menschen um 45 Prozent erhöhen.

Das sind die Auslöser

Bei den meisten Gichtpatienten besteht eine erbliche Veranlagung zu einem erhöhten Harnsäurespiegel, doch daneben gibt es zahlreiche Auslöser, die die unangenehmen Beschwerden verursachen können. Zu ihnen zählen Krankheiten wie Diabetes, eine energiereiche Ernährung, Übergewicht, aber auch radikale Fastenkuren. Oft leiden die Betroffenen zudem an einer Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck.

Während Goethe und den adeligen Gichtkranken nichts weiter blieb, als die Zähne zusammen zu beißen, ist heute mit einer Kortisonspritze, entzündungshemmenden Antirheumatika und Medikamenten wie Colchicin, dem Wirkstoff der Herbstzeitlosen, der Horror meist schnell vorüber. Allerdings sollte das die Betroffenen nicht leichtsinnig werden lassen. Nur wer konsequent durch eine angepasste, purinarme Ernährung und konsequent eingenommene Medikamente seinen Harnsäurespiegel senkt, kann weiteren Schüben vorbeugen. Das Fatale daran: Ein zu hoher Harnsäurewert macht sich zunächst einmal nicht bemerkbar. Meist bemerken ihn die Gichtkranken erst durch einen weiteren schmerzhaften Schub.

Das hilft im Akutfall

Um den akut zu lindern hilft es, das betroffene Gelenk hoch zu lagern, es zu kühlen und neben einer purinarmen Ernährung zudem viel zu trinken. Für üppige Mahlzeiten ist dann ein ebenso schlechter Moment wie für plötzliche Fastenkuren. Vorbeugend kann sich eine Gewichtsreduktion günstig auswirken. Hilfreich kann dabei regelmäßiger Sport sein, der zudem einen anderen positiven Nebeneffekt hat: Er senkt den Harnsäurespiegel.

(wat)
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