Vorsicht Handy-Nacken Wie das Handy den Rücken peinigt

Düsseldorf · Eben mal was googlen, die Mails unterwegs checken oder eine Kurznachricht rausschicken. Der Blick zeigt nach unten und das viel zu häufig und viel zu lange, warnen die Experten. Ganz übel trifft das diejenigen, die ohnehin über Schulter- und Nackenschmerzen klagen und zu Verspannungen neigen. Wissenschaftler sind auf der Suche nach Rezepten dagegen.

 Wer nach dieser typischen Nackenschmerz-Geste nichts verändert, der riskiert schwere bleibende Schäden.

Wer nach dieser typischen Nackenschmerz-Geste nichts verändert, der riskiert schwere bleibende Schäden.

Foto: Shutterstock/Suphaksorn Thongwongboot

Das ist jetzt dumm: Eigentlich lesen Sie diesen Text, weil es Ihnen nicht egal ist, wie es Ihnen gesundheitlich geht. Aber vermutlich trägt genau das in diesem Augenblick dazu bei, dass es Ihnen schlechter geht. Denn Sie werden ihn vermutlich mit nach unten gesenktem Blick auf dem Smartphone oder dem Tablet lesen. Das wäre nicht weiter tragisch, wäre es der einzige Text heute. Doch das ist unwahrscheinlich und damit in Summe vermutlich gesundheitschädlich.

Bücher oder Nachrichten lesen, chatten, Videos gucken — ob mit MP3-Player, E-Reader, Handy oder Tablet, es ist die immer gleiche Bewegung, die Nation eint. Der Blick ist abwärts gewandt, der Nacken gespannt und die Wirbelsäule gekrümmt und durch das nach vorne Lehnen übermäßig belastet. Besonders die obere Halswirbelsäule belastet diee unnatürliche Position, sagen Forscher der Harvard School of Public Health und des Brigham and Women's Hospital Boston heraus.

Gewichtige Probleme am Hals

Orthopäden treibt das die Nackenhaare hoch. Sie mahnen seit Jahren vor den Folgen, die immer mehr Menschen in ihre Praxen treibt. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) ergab, dass die geneigte Kopfhaltung — in der Untersuchung allein auf die berufliche Arbeit am Computer bezogen — bereits das Risiko für Bandscheibenvorfälle erhöht.

Kopf, Nacken und Schultern ständig in diese Fehlhaltung zu zwingen erzeugt zu Beginn erst einmal Schmerzen. Die Muskulatur ist einer Überlastung ausgesetzt und die Halswirbelsäule hat schwer zu tragen. Während wir den Kopf um 45 Grad neigen — also die Position des Handy-Nackens einnehmen — stemmt sie ein Gewicht von 22 Kilogramm. Zum Vergleich: Schon in natürlich gerader Position hat die Halswirbelsäule ein Gewicht von vier bis sechs Kilo. So schwer ist im Schnitt der eigene Kopf.

Bei einer Neigung auf 15 Grad steigt diese Belastung auf 12 Kilogramm an. Bei einer Dauer von durchschnittlich 195 Minuten mobiler Onlinezeit jeden Tag summiert sich der Ballast für die Halswirbelsäule. Im Jahr macht sie eine Mehrbelastung von rund 30 Tonnen aus. Das rächt sich mit Müdigkeit, Kopfschmerzen, die durch Verspannungen im Hals-Nacken-Bereich entstehen und brennende Schmerzen, da wo die Muskeln zusammenkrampfen und macht einen Bandscheibenvorfall mit Lähmungserscheinungen wahrscheinlicher.

Muskulatur mutiert zu Bindegewebe

Im Extremfall wandelt sich laut Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln, die überlastete Muskulatur in minderwertiges Bindegewebe um. Bei anderen führen die Verspannungen zu einseitigen Spannungskopfschmerzen, manchmal zu Schwindel, Übelkeit oder Kurzatmigkeit. Die erklären sich aus der Wirkung auf die in der Halswirbelsäule verlaufenden Nervenbahnen.

Schon vor Jahren machten sich Wissenschaftler darum einen Kopf, und überlegten, wie man Menschen aus dieser Zwangshaltung wieder befreien könne. Sie rieten dazu, das mobile Gerät nicht unten zu halten, sondern auf Augenhöhe und so die Nackenmuskulatur zu entlasten. Doch das erfordert nicht nur eiserne Disziplin, sondern über die Zeit gesehen auch einen erheblichen Kraftaufwand. Haben Sie schon einmal versucht, wie lange Sie Ihren Arm frei schwebend oben halten können? Darum mag diese Empfehlung, die seinerzeit unter anderem vom amerikanischen Orthopäden Chris Cornett von der Universität von Nebraska in Umlauf gebracht wurde, sicher richtig sein, aber ebenso realitätsfern.

Warum eine gute Fitness auch dem Nacken gut tut

Leichter umsetzbar hingegen ist der Hinweis, sich selbst zu disziplinieren und immer mal wieder eine Handy-Pause einzulegen oder wenigstens die Position zu verändern. Wer Joggen geht, regelmäßig Gymnastik oder Yoga macht oder Schwimmen geht, der verbessert nicht nur seinen allgemeinen Fitnesszustand, sondern hilft auch Rücken und Nacken flexibler zu halten. So kann diese strapazierte Körperzone die besondere Belastung besser auffangen.

Die Experten der Havard School of Public Health raten dazu, regelmäßig kurz inne zu halten und die eigene Haltung zu überprüfen. In welcher Position befindet sich der Körper? Ist der Rücken gebogen? Sind die Schultern hochgezogen? Ist der Kopf nach unten gebogen? Sind die Beine zusätzlich auch noch gekreuzt, so dass eine Hüftseite höher steht als die andere?

Das sind sichere Zeichen für eine Onlinesucht
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Foto: gms

Die optimale Position

Oftmals lässt sich der flache Winkel eines Tablets zum Beispiel durch ein entsprechendes Tabletcase, das eine Neigungseinstellung hat, verbessern. Optimal ist die Liegeposition eines Tablets oder E-Readers, wenn seine Oberkante knapp unter der Augenhöhe liegt. Im Viertelstundentakt sollte dann nach Empfehlung der Experten eine Pause drin sein. Stehen Sie auf und setzen sich wieder hin, verlagern Sie Ihr Gewicht oder verändern Sie die Position Ihrer Hände.

Am Arbeitsplatz helfen kleine Dehnübungen, für die man die Hände hinter dem Kopf verschränkt, das Kinn auf der Brust ablegt und dann versucht, die Ellenbogen vorne zusammenzubringen. Atmen Sie dann sechsmal langsam und entspannt ein und aus und nehmen Sie dann die Ausgangsposition wieder ein.

Kleine Anregung: Das jetzt gleich zu tun nachdem der Beitrag zu Ende gelesen ist, macht die Gesundheitsbelastung, die ich Ihnen zugemutet habe, fast ungeschehen.

(wat)
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