Hälfte der Herzinfarkte bleibt unbemerkt "Stummer Infarkt" — das sollten Sie wissen

Düsseldorf/Erkelenz · Bei einem Herzinfarkt besteht akute Lebensgefahr. Doch viele ahnen nichts von der Gefahr, in der sie schweben. Forscher gehen davon aus, dass beinahe jeder zweite Herzinfarkt erst später aufgedeckt wird. Das macht es umso gefährlicher.

 In der Hälfte der Fälle bleiben gefährliche Herzinfarkte unbemerkt.

In der Hälfte der Fälle bleiben gefährliche Herzinfarkte unbemerkt.

Foto: Shutterstock / Image Point Fr

Die Aufklärungsarbeit der letzten Jahre fruchtet. Heute kennt beinahe jeder die typischen Symptome eines Herzinfarkts.

Vernichtende Schmerzen in der Brust und im Oberbauch, die manchmal bis in die Arme oder den Kiefer ausstrahlen, sowie Unruhe und Schweißausbrüche sind Anzeichen, die Betroffene und Menschen um sie herum in Alarmbereitschaft versetzen sollten. Das ist gut so, denn jede Minute zählt.

Nicht immer aber können Ärzte den Infarkt unmittelbar behandeln, denn in mehr als der Hälfte der Fälle bleiben Infarkte "stumm", die Betroffenen bemerken keine Symptome. "Rein statistisch betrachtet müsste man unter 5000 Düsseldorfern bei drei Prozent einen solchen Befund stellen können", sagt Malte Kelm, Chefarzt der Kardiologie am Uniklinikum Düsseldorf und Mitglied des Beirats der Deutschen Herzstiftung. Wenn Mediziner solch stille Infarkte diagnostizieren, sind häufig Wochen, Monate oder sogar Jahre vergangen.

Was passiert bei einem stummen Infarkt?

Durch die Verkalkung der Arterien fließt weniger Blut durch den Körper. Dabei sind auch die Herzkranzgefäße schlechter durchblutet. In Folge dessen bekommt das Herz weniger Sauerstoff und weniger Nähstoffe als es benötigt. Das unterversorgte Herzmuskelgewebe stirbt ab und vernarbt.

Dauerhafte Pumpschwäche nicht ausgeschlossen

"Je nach Ausmaß der Vernarbung kann dies mit einer Einschränkung der Herzfunktion bis hin zu einer Herzschwäche einhergehen", sagt der Erkelenzer Kardiologe Heribert Brück. Der stumme Infarkt ist ein deutliches Indiz für eine koronare Herzerkrankung (KHK). Von ihr spricht man, wenn die Herzkranzgefäße über ein bestimmtes Maß hinaus verengt sind. Im Unterschied zum Herzinfarkt, der sich mit Brustschmerz (Angina Pectoris) und anderen warnenden Symptomen bemerkbar macht, fehlen diese hier aber weitestgehend.

Dennoch sind sie laut Elsayed Z. Soliman, Autor einer jüngst erschienen Studie dazu und Leiter des Forschungszentrums an der Wake Forest Baptist Medical Center in den USA, keine Bagatelle: "Das Ergebnis eines stillen Herzinfarkts ist so schlimm wie ein Herzinfarkt, der erkannt wird, während es geschieht."

Diese Menschen sind besonders gefährdet

Dass viele Betroffene den Infarkt nicht bemerken, hat verschiedene Ursachen. Diabetiker gehören aus besonderem Grund mit zur Risikogruppen: Sie haben häufig geschädigte Nerven und daher in den Beinen und, laut Brück, ebenso am Herzen eine gestörte Schmerzwahrnehmung. Mit einer höheren Gefahr für koronare Herzkrankheiten insgesamt und damit auch den stummen Infarkt leben Raucher und Übergewichtige, ältere Menschen und solche mit .

Daneben gebe es eine weitere Gruppe, "bei der die Verengung der Herzkranzgefäße nur langsam voranschreitet, so dass das Herz den Sauerstoffmangel trainieren kann und der stumme Infarkt unbemerkt bleibt."

Darüber hinaus ist jedoch auch die Sensibilität für Warnzeichen des Körpers von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Symptome wie Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein oder Grippegefühl, die einige Patienten rückblickend noch erinnern, könnten auch andere Ursachen haben und werden fehlinterpretiert.

Warum auch Mediziner den stillen Infarkt übersehen

Das macht es trotz zusätzlicher Diagnostik auch für die Mediziner nicht immer leicht, die richtige Ursache auszumachen. "Auch in EKG-Untersuchungen werden nicht alle stummen Infarkte erkannt", sagt Heribert Brück.

Das hat seinen Grund: "In den meisten Fällen fehlt ein Vergleichs-EKG, anhand dessen sich Abweichungen leicht erkennen ließen", sagt Brück. In einer Studie aus dem Jahr 2015 haben amerikanische Forscher Testpersonen per MRT untersucht. Bei rund acht Prozent fanden sie Hinweise auf Herzinfarkte, von denen aber 78 Prozent nicht mit dem EKG zu erkennen waren.

Diese Therapie hilft nach dem stummen Infarkt

"Weil die Patienten nicht wissen, dass sie einen stillen Herzinfarkt erlitten haben, bekommen sie nicht die Behandlung, die sie benötigen würden, um einen weiteren zu verhindern", sagt Soliman. Zu den Therapieoptionen zählen die Behandlung mit Nitraten, Kalziumantagonisten und Beta-Rezeptorenblockern. Durch sie erreicht man eine bessere Sauerstoffversorgung des Herzmuskels.

Um den Herzmuskel danach gut zu trainieren, raten die Kardiologen dazu, sich mindestens dreimal in der Woche mindestens für 30 Minuten zu bewegen. "Dabei ist es wichtig, sich nicht auszupowern, also die maximale Leistung zu vermeiden", sagt Malte Kelm. Der eigene Herzdoc hilft dabei, das persönliche Maximum zu definieren.

(wat)
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