Luftröhren-Implantat Neue Technik rettet Leben todkranker Babys

Washington · Amerikanische Forscher haben ein Implantat für Babys entwickelt, dass in die Luftröhre eingesetzt werden kann. Die Schiene stammt aus dem 3-D-Drucker, wächst drei Jahre lang mit dem Kind mit und löst sich dann von selbst auf. Die ersten Kinderleben hat das Konstrukt schon gerettet.

Luftröhren-Implantat: Neue Technik rettet Leben todkranker Babys
Foto: shutterstock/ SipaPhoto

"Er war praktisch am Ersticken", sagt Meghan Orbich. Mit nur fünf Monaten hatte ihr Sohn Ian bereits Wochen auf der Intensivstation verbracht, seine Atmung setzte immer wieder aus. In seiner Heimatstadt Pittsburgh wussten frustrierte Spezialisten nicht mehr weiter. Dann las Orbich in der Zeitung einen Bericht über Forscher in Michigan, die aus 3-D-Druckern Luftröhren-Implantate herstellen. Das war die Rettung.

Glenn Green ist Hals-Nasen-Ohrenspezialist für Kinder an der Universität von Michigan. Zusammen mit seinem Team hatte er bereits 2013 für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatte er das Baby Kaiba Gionfriddo mit einem 3-D-Drucker-Implantat erfolgreich behandelt. Der nun Dreijährige scheint geheilt, ihm geht es gut, wie die Forscher vergangene Woche berichteten. Und: Die Schiene aus dem Drucker, die ihm einst das Atmen ermöglichte, hat sich nun - zur richtigen Zeit - aufgelöst.

Wenig später halfen Green und sein Team drei weiteren Babys, unter ihnen Ian Orbich. Die aus pulverisierten Plastik hergestellten Implantate sorgten dafür, dass die Atemwege der kleinen Jungen offen gehalten wurden. Und das Beste: Sie dehnen sich aus, wenn die Knirpse größer werden. Für Forscher ist das der eigentliche Clou, die vierte Dimension, wie sie es bezeichnen: Bei heranwachsenden Kindern wüchsen die Implantate zunächst mit - und später, wenn sie dann nicht mehr benötigt würden, lösten sie sich von selbst auf.

Experten sind begeistert. Piers Barker, der die Forschung an 3-D-Ausdrucken für pädiatrische Kardiologie an der Duke Universität leitet, sagt, durch 3-D-Drucker könne man wirklich beginnen, fast jeden medizinischen Eingriff individuell zu gestalten. Dass eine Konstruktion sogar wachsen könne, habe er das erste Mal gehört.

Der Bedarf für die Implantate ist da. In den USA wird jedes 2000. Baby mit geschwächten Bronchien geboren. Bei den betroffenen Säuglingen kann die Atmung plötzlich zusammenbrechen und blockiert werden. In schweren Fällen ist das lebensbedrohlich. Bei den meisten Kindern verschwindet dieser Defekt bis zum Alter von drei Jahren, weil die Atemwege stärker werden, wenn sie wachsen.

"Wir nutzen Laser, um Staub in medizinische Objekte umzuwandeln, die sich verändern, wenn sich der Körper entwickelt", erklärt Green. Vor nicht allzu langer Zeit wäre so etwas noch unvorstellbar gewesen. Sein Team arbeitet mit der Bundesbehörde zur Überwachung von Nahrungsmitteln und Arzneimitteln zusammen, um eine klinische Studie starten zu können, in der 30 Kinder mit ähnlichen Atemwegsproblemen teilnehmen sollen. Ihnen sollen ebenfalls Implantate aus 3-D-Druckern eingesetzt werden.

Immer mehr Ärzte wenden sich dieser 3-D-Technologie zu. Maßgeschneiderte künstliche Knochen, Ersatz-Ohren und Modelle missgebildeter Herzen wurden damit bereits gefertigt, damit Chirurgen daran üben können, bevor sie jemanden aufschneiden. Einige Wissenschaftler haben sogar versucht, Organe aus einer Mischung eines biologisch abbaubaren Gerüsts und menschlichen Zellen herzustellen.

Die Luftröhren-Schienen verfolgen aber einen anderen Ansatz. Sie ersetzen nicht Körperteile, sondern helfen ihnen, mit einer maßgeschneiderten Therapie zu wachsen. Erste Versuche, die offenen Atemwege von innen zu stützen, funktionierten nicht allzu gut. Also entwickelten Green und sein biomedizinischer Ingenieur Scott Hollister eine Schiene, die von außen angeheftet werden und die Luftröhre offen halten sollte - ähnlich wie eine Stange ein Zelt aufrecht hält.

Alle drei Babys in der Michigan-Studie, unter ihnen Ian, mussten sich einem Luftröhrenschnitt unterziehen. Sie wurden mit Beatmungsgeräten verbunden und mussten teils mehrfach wiederbelebt werden. Für alle drei Patienten wurden CT-Scans angefertigt. Diese wurden dann genutzt, um an einen einzigen Tag mit Laser-Druckern Schienen in der Größe und Gestalt für jedes Kind individuell zu erstellen. Diese Implantate sind aus dünnen Plastikschichten hergestellt, die nach drei Jahren beginnen, sich aufzulösen. Die Chirurgen sterilisierten die Implantate und setzten sie an die geschwächten Luftröhren ihrer Patienten. Als sich die Luftröhre schließlich von der Größe verdoppelt habe, habe sie auf das Implantat gedrückt und damit die Öffnung geweitet, erklärt Hollister.

Green sagt, die Materialien für die Schiene kosteten rund zehn Dollar. Trotz der Kosten für die Operation könne insgesamt Geld gespart werden: Schließlich müssten die Kinder nicht mehr so lange in Krankenhäusern bleiben. Er und Hollister hätten für ihr Gerät ein Patent angemeldet.

Den drei Jungs geht es offenbar prächtig. Die Forscher berichteten, ihr Zustand habe sich dramatisch verbessert, sie lebten normal Zuhause. Ian sei der einzige, der noch an eine Beatmungsgerät angeschlossen sei, weil er auch noch andere Probleme habe. Seine Mutter ist ein Jahr nach der Einpflanzung des Hilfsmittels dennoch begeistert: Seine Entwicklung sei unglaublich. "Es war ein Segen."

(ap)
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