Körperfettwaagen im Test Dünne Beine, dicker Bauch und alles scheint gut

Köln/Berlin · Wer sich auf eine handelsübliche Waage stellt, der erfährt von dem Messgerät weit mehr als nur sein Gewicht. Viele bestimmen auch den Anteil von Muskelmasse, Fettdepots und Wasser. Aber wie zuverlässig sind die Geräte?

 Körperfettwaagen, die nur über zwei Messelektroden verfügen, ermitteln nur wie viel Fett in den Beinen steckt.

Körperfettwaagen, die nur über zwei Messelektroden verfügen, ermitteln nur wie viel Fett in den Beinen steckt.

Foto: Shutterstock/pixinoo

Es klingt für Fitnessfreaks wie für Diätwillige gleichermaßen wie eine Verheißung: Ein Schritt nur ist es hin zum aktuellen Erfolgsergebnis. Denn handelsübliche Körperwaagen versprechen, nicht nur den Körperfettwert, sondern auch den Anteil an Muskelmasse und Wasser im Körper bestimmen zu können. Wer also vorher wiegt, der weiß — glaubt man dem Versprechen — nachher, wie erfolgreich Training oder Abnehmprogramm war.

Wie gemessen wird

Grundlage der vielversprechenden Aussicht ist die Fähigkeit der Waagen, mit einem speziellen Verfahren während des Wiegens zusätzliche Werte zu ermitteln. Das geschieht mit der sogenannten bioelektrischen Impedanzanalyse. Dazu wird schwacher, nicht spürbarer Strom durch den Körper geschickt. Das Körpergewebe leitet von seiner Beschaffenheit abhängig den Strom unterschiedlich gut. Fettdepots wirken eher als Stromstopper, Muskelmasse hingegen leiten ihn besonders gut weiter. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Widerstände werden von der Waage erfasst und in Kombination mit Angaben wie Gewicht, Alter, Größe und Geschlecht ausgewertet.

Die Sache mit Herrn Mustermann

Um die Werte gegeneinander abzugleichen, ist in den Waagen eine Sollfigur hinterlegt. Mit eben dieser fangen die Probleme an. Denn weicht die Person, die sich auf dem Gewichtsmessgerät aufbaut zu sehr von Herrn oder Frau Mustermann ab, liefert die Waage Daten, die keinem weiterhelfen. Eine Studie der Universität Erlangen kam seinerzeit zu dem Ergebnis, dass dicken Menschen eher ein viel zu hoher Fettanteil bescheinigt werde und schlanken Menschen ein zu geringer. Das Messergebnis kann dabei um bis zu 30 Prozent vom tatsächlichen Wert abweichen. Solch große Messfehler bemängelte auch die Stiftung Warentest nach der Untersuchung von 19 Personenwaagen mit Körperfettermittlung.

Die Sache mit dem Beinfett

Korrekter Weise müsste man Geräte, die ausschließlich mit Elektroden in der Fußfläche arbeiten als Beinfettwaagen bezeichnen, denn nichts anderes ermitteln sie. Die Füße haben Kontakt zu den Elektroden. Von dort aus sucht sich der Strom den kürzesten Weg durch den Körper. Dieser reicht in etwa bis zur Leiste, in einigen Fällen maximal bis zum Bauchnabel.

Menschen mit dünnen Beinen und einem dicken Bauch bescheinigt die Waage damit gute Werte. Denn die Fettpölsterchen, die sich oberhalb der Taille vorwölben, erfasst sie nicht. Da das meiste Fett am Bauch und an den Organen sitzt, blenden herkömmliche Fettanalysewaagen aufgrund der Messtechnik einfach aus. "Dieselbe Schwachstelle haben sogenannte Fettsticks, die man in die Hand nimmt", sagt Dr. Joachim Latsch vom Institut für Kreislaufforschung der Sporthochschule Köln.

Sensormessungen ausschließlich über die Füße sind vor allem schlecht für Menschen, die wie eben jene Person mit den schlanken Beinen, zu den Apfeltypen zählt. Denn gerade sie haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sind damit potentiell eher Herzinfarkt- und Schlaganfall-gefährdet. Für sie ist ein solch geschöntes Wiegeergebnis doppelt dramatisch.

Das bemängelt auch Sportwissenschaftler und Kreislaufforscher Prof. Hans-Georg Predel: "Solch handelsübliche Waagen sind zu ungenau und eher gefährlich, da sie ungenaue Werte produzieren und bei den Empfängern nur Verwirrung stiften."

Die Sache mit den Messwerten

Viele der von der Stiftung Warentest geprüften Geräte, die vom Preis zwischen 13 und 150 Euro lagen, arbeiteten mit solch geringem Messstrom, dass sie unbrauchbare Ergebnisse auswarfen. "Einige Waagen täuschen zudem durch Metallteile, die sich in der Waagfläche befinden nur vor, per Impedanzmessung Werte zu ermitteln", moniert Stephan Scherfenberg von der Stiftung Warentest. Solche Geräte messen außer dem Gewicht gar nichts. "Sie rechnen rein mit statistischen Werten. Das ist besonders irreführend, denn man selbst geht von einer Analyse aus, doch das macht die Waage gar nicht", so Scherfenberg weiter.

Haarsträubend waren die Ergebnisse der Warentester auch in Bezug auf die Genauigkeit der getesteten Geräte. "Zwischen den Waagen gab es mehr als hundert Prozent Abweichung", sagt Scherfenberg. Während das eine Gerät einen Körperfettanteil von 17 Prozent feststellte, gab ein anderes einen von 35 Prozent an. "Als die Testperson sich ein zweites Mal auf die erste Waage stellte, zeigte die einen dritten Wert an."

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Grundsätzlich zuverlässiger sind Waagen, die mindestens vier Messpunkten haben. "Es gibt Geräte, die neben den Fußelektroden auch ein Handpanel haben. Wenn ein Minimum von vier Messpunkten vorhanden ist, läuft der Strom auch quer durch den Körper", erklärt Dr. Joachim Latsch. Es hängt also von der Güte der Technik ab, ob man Messergebnisse bekommt, mit denen man etwas anfangen kann.

Die Sache mit der Sinnhaftigkeit

Sinn machen Körperfettanalysen bei Menschen, die ihre sportliche Fitness verbessern möchten und wissen möchten, wie viel Muskelmasse sie vor und einige Zeit nach einem intensiveren Training aufgebaut haben. Für sie lässt sich so der Zugewinn an Muskulatur überprüfen und dokumentieren. Daneben hält Dr. Joachim Latsch eine solche Analyse auch bei Menschen für sinnvoll, die in Hinblick auf Bewegungsmangel oder Übergewicht etwas verändern möchten und durch gezielte Ernährung und sportliche Aktivität auf den Verlust von Fettdepots und den Aufbau von Muskulatur setzen. Ein Bioimpedanzverfahren könne dann eine Motivationshilfe sein.

Der Trick ohne Waage

Grundsätzlich aber sollte man überlegen, wie wichtig das Ermitteln des korrekten Köperfettanteils im Wochentakt wirklich ist. In einem Punkt sind sich nämlich der Warentester und die Mediziner besonders einig: Ein Blick in den Spiegel und der Griff an das selbst gezüchtete Bauchfett reicht oft vollkommen aus, um zu wissen, wie es steht. Wer es genauer wissen möchte, dem sei die auch von Medizinern angewandte Messung des Bauchumfangs empfohlen. Sie hat einen größeren Aussagewert über den Anteil des Körperfettes als Waagen mit Fußelektroden.

Dazu misst man mit einem Maßband den Umfang des Bauches. Liegt der bei Frauen unter 80 Zentimetern und bei Männern unter 94 Zentimetern, ist die Welt in Ordnung. Ab Werten jenseits der 88 Zentimeter bei Frauen und der 102 Zentimeter bei Männern steigt das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen schlagartig an. Wer auf diese preiswerte Messmethode vertraut, ist im Ergebnis in Sachen Fettdepots so immer up to date und kommt in Hinblick aufs Gewicht mit einer günstigen Körperwaage aus, denn denen bescheinigen die Warentester durchweg korrekte Datenermittlungen.

(wat)
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