Nach zwölf Toten im Kieler Klinikum Was Sie über multiresistente Krankenhauskeime wissen müssen

Düsseldorf · Seit Mitte Dezember bekämpft die Uniklinik in Kiel den Ausbruch eines Klinikkeimes, der gegen fast alle Antibiotika resistent ist. Vor allem für Intensiv-Patienten sind diese Keime gefährlich. Zwölf Menschen starben bereits. Doch wie entsteht eine Resistenz, und gibt es noch mehr solcher Bakterien? Wir klären auf.

Krankenhauskeim: Wie entsteht eine Resistenz?
Foto: Shutterstock.com/ Zaharia Bogdan Rares

Krankenhauskeime sind Erreger, die Menschen während eines Aufenthaltes im Krankenhaus befallen. Wichtig ist, dass sie vor der Einweisung nicht im Organismus zu finden waren. Entsprechend steht die Infektion nicht im Zusammenhang mit dem Grund der Einlieferung oder Einweisung. Etwa 70 Prozent der Vorfälle werden durch Bakterien ausgelöst. Rund 20 durch Viren.

Nein. Die meisten Keime, die Patienten im Krankenhaus belasten können, werden entweder durch die natürliche Immunreaktion außer Kraft gesetzt, oder durch die Einnahme von Antibiotika. Gefährlich wird es dann, wenn etwa Darmkeime in eine Beinwunde geraten. Dann ist die Infektionsgefahr besonders hoch.

Begünstigt werden Infektionen im Krankenhaus durch mehrere Faktoren. So sind etwa Intensivpatienten, ältere Menschen und Kinder besonders anfällig für Keime und Viren. Zudem können sich Erreger dann gut verbreiten, wenn viele kranke Menschen auf einem Raum zusammen kommen, etwa weil die Organisation im Krankenhaus nicht reibungslos verläuft. Ein dritter wesentlicher Faktor ist die Hygiene. Ist das Personal beispielsweise in Zeitnot und geht unachtsam mit der Desinfektion von Händen und Geräten um, können sich Errerger leicht verbeiten.

All diese Umstände sind vor allem dann gefährlich für Patienten, wenn es sich bei den Keimen um solche handelt, die auf Antibiotika nicht mehr ansprechen.

Geschätzte 15.000 Menschen sterben jedes Jahr an einer Erkrankung, die durch Klinikkeime verursacht wurde, so die offiziellen Angaben des Bundesgesundheitsministeriums. Die Dunkelziffer wird jedoch deutlich höher eingeschätzt. Sie könnte laut Experten bei bis zu 40.000 Infektionstoten liegen. Sie erliegen vor allem solchen Erregern, die eben nicht nur gegen ein Antibiotikum resistent geworden sind sondern gegen mehrere. Man nennt sie multiresistente Keime.

Die multiresistenten Keime umfassen folgende Erreger:

- Enterococcus faecium
- Staphylococcus aureus
- Klebsiella pneumoniae
- Acinetobacter baumannii
- Pseudomonas aeruginosa
- Enterobacter

Drei davon sorgen in Deutschland für die meisten Todesfälle. Das sind zum einen MRSA-Keime (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus). Dabei handelt es sich um ein Bakterium das Eiter erzeugt und Gewebe zersetzt. Es ist gegen fast alle Antibiotika resistent und sehr hartnäckig. So hält es sich auch ohne Nahrung über Wochen. Die Übertragung findet über die Hände und über Oberflächen statt. MRSA-Keime sitzen vor allem im Nasen- und Rachenraum, sowie in den Achseln und im Intimbereich.

Zum anderen sogenannte ESBL-Keime (Beta-Laktamase produzierende Enterobakterien). Das sind ebenfalls Bakterien. Sie allerdings sind in der Lage, Antibiotika unschädlich zu machen. Ihre Übertragung findet meist durch Schmierinfektionen in Fäkalien statt.

Der dritte gegen Antibiotika resistente Keim sind Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE). Eigentlich sind sie Bestandteil der normalen Darmflora, und sollten deshalb ursprünglich nicht krank machen. Durch ihre starke Ausbreitung bedrohen sie jedoch inzwischen Patienten mit geschwächtem Immunsystem, Tumorpatienten und auch Senioren.

Der Errreger "Acinetobacter baumannii" ist im Uniklinikum Kiel für die Infektionen verantwortlich. Dabei handelt es sich um Bakterien, die sowohl im Wasser als auch in der Erde vorkommen und gegen mehrere Antibiotika unschädlich sind. Der Erreger löst Lungenentzündungen, Wundinfektionen und Sepsis (Blutvergiftungen) aus. Anfällig sind vor allem schwer kranke Patienten, die beatmet werden müssen. Da der Keim gegen immer mehr Antibiotika resistent ist, wird die Behandlung von Patienten immer schwieriger. Vor allem im Ausland gilt "Acinetobacter baumannii" als einer der gefährlichsten Krankenhauskeime überhaupt. Auslöser für den Ausbruch in Kiel war vermutlich auch ein Patient aus dem Mittelmeerraum.

Resistenzen können auf verschiedene Arten entstehen. So ist ein häufiger Vorwurf an Ärzte, dass sie zu häufig und auch unnötig Antibiotika verschreiben würden, etwa bei viralen Infektionen, gegen die diese Medikamente nichts ausrichten können. Auch nehmen Patienten die Tabletten oft nicht bis zum Ende durch, wodurch zwar viele Bakterien getötet werden, sich die wenigen resistenten jedoch ungehindert verbreiten.

Eines der größten Probleme ist allerdings die Massentierhaltung. Nicht nur gelangen resistente Keime etwa vom Dünger in das Fleisch. Auch die Futtermittel enthalten fast immer Antibiotika, die zuerst bei den Tieren und später beim Menschen Resistenzen auslösen.

Dass es sich dabei um eine reale Bedrohung handelt, zeigt etwa eine aktulle Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND): Bei deutschlandweiten Stichproben stellten die Umweltschützer fest, dass 90 Prozent der Putenfleischstücke von Discountern den multiresistenten MRSA-Keim trugen.

Werden alle hygienischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten, sollte es zu keiner Erkrankung durch den resistenen Keim kommen. Die belasteten Stationen nehmen keine weiteren Patienten auf, sind gesondert gekennzeichnet und isoliert. Der Campus Kiel kann also ohne Bedenken betreten werden. Die Räume ehemaliger Betroffener Patienten bleiben zunächst leer und werden erst vollständig desinfiziert, bevor sie wieder genutzt werden können.

(ham )
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