Bald klinische Studien in Deutschland Die große Hoffnung — Impfung gegen Hirntumor

Heidelberg · Diese Angst ist allgegenwärtig: Jeder zweite Mitteleuropäer erkrankt im Laufe seines an Lebens Krebs. Häufig werden Zellen durch Viren angeregt zu entarten. Das nährt die Hoffnung darauf, per Impfung nicht nur Kinderkrankheiten, sondern auch den Krebs zu besiegen. Eine Spritze gegen krebsauslösende Papilloma-Viren gibt es bereits. Nun entwickeln Forscher einen Stoff, der das Wachstum von Hirntumoren stoppt.

 Eine Impfung könnte bald Patienten mit hartnäckigen Hirntumoren helfen.

Eine Impfung könnte bald Patienten mit hartnäckigen Hirntumoren helfen.

Foto: Adam Gregor /Shutterstock.com

Den Krebs besiegen zu können, ist eine der größten Herausforderungen der Medizin. 470.000 Neuerkrankungen in jedem Jahr stellen statistisch die Ohnmacht gegen die angsteinflößende Krankheit dar. Die Hälfte der in Mitteleuropa lebenden Menschen erhält im Laufe ihres Lebens die schreckliche Diagnose. Ein Viertel der Mitteleuropäer stirbt daran.

Diese Anti-Krebs-Impfungen gibt es bereits

Groß sind die Hoffnungen darauf, Impfungen zu entwickeln, die diese Erkrankung verhindern können. Das eigene Immunsystem als Therapeuten gegen den Krebs einzusetzen, ist bereits möglich. Schon seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, junge Frauen — möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr — gegen humane Papillomviren zu impfen. Diese Viren können bei der Frau Gebärmutterhalskrebs und beim Mann Anal- oder Peniskrebs verursachen. Auch kann eine Impfung gegen Hepatitis B das Risiko für virusbedingten Leberkrebs reduzieren. Da aber auch Viren der Hepatitis-Gruppe C diesen Krebs auslösen können und es dagegen keinen Impfstoff gibt, ist auch hier die Forschung gefragt.

Nun macht ein neuer Impfstoff von sich Reden, der in zwei klinischen Studien zum Einsatz kommt. Er soll das Wachstum von besonders aggressiven Hirntumoren stoppen können. Wissenschaftler aus Heidelberg und Genf, das Deutsche Krebsforschungszentrum sowie eine Biotech-Firma arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das gefährliche Glioblastom, das den häufigsten und bösartigsten Hirntumor bei Erwachsenen ausmacht.

Hartnäckiger Hirntumor im Visier

Die einzige Chance gegen diese Krebsform anzugehen besteht derzeit in einer Operation mit anschließender Bestrahlung und Chemotherapie. Für die Betroffenen ist das eine zehrende Tortur mit geringen Überlebensaussichten: Weniger als fünf Prozent von ihnen überleben die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. Da trotz der harten Therapie nicht alle Tumorzellen ausradiert werden können, entwickelt sich innerhalb weniger Monate ein neuer Tumor, den Mediziner als Rezidiv bezeichnen.

Dafür sind so genannte niedriggradige Gliome verantwortlich, die zwar langsam wachsen, sich aber diffus im Gehirn ausbreiten und in der Regel nicht vollständig entfernt werden können. In 70 Prozent der Fälle aber haben diese Krebszellen die Eigenschaft, dieselbe Genmutation zu tragen. Bei keiner anderen Tumorart tritt in einer solchen Häufigkeit immer wieder ein- und dieselbe Mutation auf. Das ließ die Immunologen aufhorchen: Sie waren sicher, dass das Protein der Krebszellen so neue Eigenschaften erhält, die von der körpereigenen Immunabwehr erkannt werden können.

Also setzten sie alles daran, eine Impfung zu entwickeln, die die eigene Körperpolizei dazu anregt, vernichtende Krebszellen zu bekämpfen. Dazu injizierten sie zunächst Mäusen Eiweiße und Stoffe unter die Haut, die das Immunsystem anregen. So wird die Bildung von mehr Killerzellen im Körper angeregt, die auf die Bekämpfung des Tumors spezialisiert sind. "Das bedeutet, dass wir mit einer Impfung, die das Immunsystem des Patienten gegen das veränderte Enzym scharf macht, den Tumor bekämpfen können, ohne gesunden Zellen zu schaden", sagt Prof. Michael Platten, der im Deutschen Krebsforschungszentrum die Abteilung Neuroimmunologie leitet und zugleich als Leitender Oberarzt am Uniklinikum Heidelberg tätig ist.

Impfungen gegen Hirntumore auch in Deutschland

Klinisch wird der Impfstoff IMA950 an den National Institutes of Health in Maryland und der Cancer Research UK in England eingesetzt und zeigte auch beim Menschen Wirkung: Es kam zu spontanen Immunreaktionen. Die Wissenschaftler werten das als gutes Zeichen dafür, dass eine Impfung im Kampf gegen die Krebszellen unterstützen kann. Ab Anfang 2015 sollen klinische Studien an Patienten in Deutschland beginnen.

Anders aber als bei der bereits existierenden Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs oder Hepatitis, kommt die Impfung gegen Hirntumore erst nach der Erkrankung zum Einsatz, um die weitere Ausbreitung der Krebszellen einzudämmen. Sie verhindert die Krebserkrankung also nicht. Fraglich ist zum derzeitigen Zeitpunkt auch noch, ob eine Spritze Patienten mit Hirntumor irgendwann heilen könnte.

Wohl aber gibt diese neue Behandlungsmethode grundsätzlich nach Einschätzung von Experten die Hoffnung, sich als feste Säule in der Tumortherapie zu etablieren. Besonders haben die Wissenschaftler dabei solche Krebsformen im Auge, die durch Viren ausgelöst werden können. Dazu zählen neben Papilloma- und Hepatitis-Viren auch das Magenbakterium Heliobacter Pylori.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort