Prostatakrebs Nebenwirkung Impotenz und wie Mann damit umgehen kann

Hamburg · Die Diagnose Prostatakrebs kommt meist wie ein Schlag. Oft kann man dem Tumor zwar zu Leibe rücken – doch sind OP und Behandlung überstanden, tun sich meist andere Probleme auf: Inkontinenz und Impotenz. Hier lesen Sie, was man dagegen tun kann.

 Aufgrund der Lage der Prostata in der Nähe der Blase und der Geschlechtsorgane, kommt es nach einer Operation häufig zu unangenehmen Nebenwirkungen.

Aufgrund der Lage der Prostata in der Nähe der Blase und der Geschlechtsorgane, kommt es nach einer Operation häufig zu unangenehmen Nebenwirkungen.

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Die Diagnose Prostatakrebs kommt meist wie ein Schlag. Oft kann man dem Tumor zwar zu Leibe rücken — doch sind OP und Behandlung überstanden, tun sich meist andere Probleme auf: Inkontinenz und Impotenz. Hier lesen Sie, was man dagegen tun kann.

 Welche Einschränkungen eine Prostataoperation mit sich bringen kann, können Sie sehen, wenn Sie auf "Vergrößern" klicken.

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Foto: Barmer GEK

Mehr als 63.000 Männer erhalten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jedes Jahr die schockierende Nachricht: Sie sind an Prostatakrebs erkrankt. Meist macht der Tumor keine Beschwerden. Er schmerzt nicht und fällt nicht auf. Erst wenn es zu Problemen beim Wasserlassen oder Schmerzen kommt, suchen die Betroffenen Rat beim Arzt. Doch dann ist das Krebsgeschwür an der kastaniengroßen Vorsteherdrüse schon in das umliegende Gewebe eingewachsen oder hat sogar schon gestreut.

"Ein Prostatakarzinom wächst oft nur sehr langsam und verursacht darum erst spät Beschwerden", sagt Prof. Hans Heinzer. Er ist Chefarzt an der Martini-Klinik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, einem Spezialzentrum für Prostatakrebs. In mehr als in der Hälfte der Fälle folgen die Patienten dem Rat ihrer Ärzte und rücken dem Karzinom operativ zu Leibe, indem sie die Prostata vollständig entfernen lassen. Im Schnitt geschehe das in Deutschland 25.000 Mal im Jahr, sagt sein Kollege Prof. Hartwig Huland.

Das bleibende Leid nach der OP

Doch ist der Tumor erst einmal herausgeschnitten, beginnt für viele Männer das Leiden erst so richtig. Ein Fünftel der Betroffenen erlebt nach der Krankenhausbehandlung Komplikationen wie starke Blutungen, Infektionen oder Wundheilungsstörungen, eine Venenthrombose oder Lungenembolie, so zeigen Daten des Krankenhausreports der Barmer GEK, der das Thema zuletzt fokussierte. Viel gefürchteter sind jedoch andere Nachwirkungen, die in der Regel unumkehrbar bleiben: Rund 70 Prozent verlieren mit dem radikalen Eingriff ihre Potenz, 54 Prozent kommt die Lust am Sex abhanden und 16 Prozent werden inkontinent.

Auslöser dafür sind die Nerven. Ist ein Mann sexuell erregt, sendet sein Hirn Nervensignale aus, die durch Nervenbahnen im Rückenmark bis zur Prostata, Harnröhre und den Penis schießen. In letzterem sorgen chemische Botenstoffe für das Anschwellen des Schwellkörpers und die Erweiterung der Blutgefäße, die schließlich maximal gefüllt des Organs aufrichten.

Warum so viele impotent werden

Die feinen Informationsfasern, die unter anderem auch für die Steuerung einer Erektion und der Schließmuskeln zuständig sind, laufen wie Hosenträger rechts und links neben der Prostata entlang. Muss durch Krebsbefall die Vorsteherdrüse entfernt werden, bemühen sich die Chirurgen zwar, nervenerhaltend zu operieren, doch ist das nicht immer möglich. "Je größer der Tumor ist, desto schwieriger wird es, die Potenz zu erhalten", weiß der Hamburger Spezialist. Denn in solchen Fällen muss radikaler operiert werden, um noch eine Heilung erreichen zu können.

Als besonders nervenschonend gelten minimalinvasive Verfahren, zu denen unter anderem die computergestütze Da Vinci Chirurgie gehört, die in immer mehr Prostatazentren angewendet wird. Eine mehrdimensionale Optik ermöglicht dem Operateur dabei einen bestimmten Ausschnitt stufenlos zu Vergrößern und so die feinen Strukturen der Nervenfasern sichtbar zu machen. Sie sind den Möglichkeiten bei einer offenen Operation mit Lupenbrille darum in dieser Hinsicht überlegen. Wichtiger als die Operationsmethode ist nach Einschätzung Heinzers allerdings die Erfahrung des Operateurs, die großen Einfluss auf den Operationserfolg hat. In Spezialkliniken für die Prostataoperation seien Nebenwirkungen deutlich geringer. Deshalb werde auch von den Patientenselbsthilfegruppen empfohlen, den Eingriff möglichst in Kliniken mit großer Erfahrung durchführen zu lassen.

Unabhängig davon, ob die Entscheidung zugunsten einer Operation, Bestrahlung, einer aktiven Überwachung, Hormontherapie oder anderer Verfahren ausfällt, gibt es feste Faktoren, die nach Einschätzung des Urologen Einfluss darauf nehmen, ob der Patient nach Behandlungsende noch potent ist oder nicht. Neben der Tumorgröße ist ein ausschlaggebend, ob vor der Therapie bereits eine erektile Dysfunktion vorgelegen habe oder nicht. "Im Mittel trifft Prostatakrebs Männer im Alter von 65 Jahren. Unseren Untersuchungen nach hat die Hälfte der Männer in diesem Alter aus anderen Gründen Potenzprobleme", sagt Prof. Hans Heinzer. Auch das Alter spielt eine Rolle. Je jünger der Patient ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Nerven nach einiger Zeit wieder regenerieren.

Nebenwirkung Impotenz ist immer ein Problem

Welches der vielen möglichen Verfahren im individuellen Fall das bestmögliche Ergebnis sichert — nämlich im Optimalfall die Tumorfreiheit —, entscheiden die Mediziner im Einzelfall und im Gespräch mit den Betroffenen. Zu den gängigsten Irrmeinungen zählt die Annahme, Impotenz und Inkontinenz treten bei der Behandlung von Prostatakrebs ausschließlich in Folge einer Operation auf. Denn auch Hormon- und Strahlentherapie bergen dieses Risiko.

Bei der Bestrahlung tritt der mitunter lebensverändernde Effekt meist erst zwei Jahre nach der Behandlung ein. Bei dieser Behandlungsoption lässt sich nicht verhindern, dass auch Nerven im Bestrahlungsfeld liegen. "Zeitversetzt beginnt das Gewebe sich umzubauen, die Nerven vernarben" erklärt Prof. Heinzer. Auch wenn sich die feinen Informationsfasern grundsätzlich über die Fähigkeit verfügen, sich regenerieren zu können, sei das in diesem Fall jedoch ausgeschlossen. Ist die erektile Dysfunktion einmal da, bleibt sie.

Nach einem Jahr schwindet die Hoffnung

Im Falle einer Operation weiß der Betroffene hingegen zeitnah, ob er von einer erektilen Dysfunktion betroffen ist oder nicht. Spätestens nach einem Jahr wird für die meisten Ahnung zur Gewissheit: "Wer nach diesem Zeitraum immer noch Potenzprobleme hat, für den ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie bleiben", sagt Heinzer. Nicht für alle Männer spiele das aber die bedeutendste Rolle. Denn wenn Mediziner die Vorsteherdrüse entfernen, geht es laut seiner Einschätzung nicht nur den Ärzten in erster Linie darum den Tumor los zu werden. "Unsere Patienten betonen oft, dass für sie auf die Tumorfreiheit die Kontinenz folgt und erst an dritter Stelle die Fähigkeit, noch Sex haben zu können", so der Hamburger Urologe.

Meist jedoch, so zeigt es eine japanische Studie ist es das starke Geschlecht selbst, das die Potenz hochhängt. Zwei Dritteln der rund 160 befragten Männer war es wichtig, nach dem Eingriff weiterhin potent zu sein. Den meisten Partnerinnen ist das Sexleben in dieser Phase des Lebens offensichtlich nicht mehr so wichtig. Nur 33 Prozent der befragten Partnerinnen gaben an, ihnen sei der Erhalt der sexuellen Funktion bei der Operation ihres Mannes wichtig.

Reha für den Penis

Denen, die darauf Wert legen, empfiehlt der Urologe, nach der Behandlung nicht lange abzuwarten, sondern sich schnell darum zu kümmern. Denn wer seinen Schwellkörper nicht fordert, der muss damit rechnen, dass sich dieser wie jeder andere Muskel auch, zurückbildet und schließlich nicht mehr in eine normale Funktion zurückfindet. Mit der Einnahme von Potenzmitteln wie Viagra oder Levitra kurz nach der Operation lässt sich das zumindest vermeiden. "Der Wirkstoff kann zudem zur besseren Ausheilung der Nerven führen", so Prof. Hans Heinzer.

Diese Therapieoption steht auch Männern zur Verfügung, die auch auf längere Sicht aus eigener Kraft keine Erektion mehr bekommen, die aber grundsätzlich noch intakte Nervenbahnen haben. Sind hingegen die Nervenbahnen nachhaltig geschädigt oder nicht vorhanden, besteht die Möglichkeit, auf ein spezielles Injektionsverfahren zurückzugreifen, das als Schwellkörper-Auto-Injektionstherapie bekannt ist. Dafür bedarf es jedoch einer gewissen Überwindungsfähigkeit, denn der Mann muss sich dafür mit einer Nadel — ähnlich der eines Diabetikers — direkt in den Schwellkörper spritzen. Der so verabreichte Wirkstoff löst einen Reflex aus, durch den das Glied anschwillt.

Standfest durch Zäpfchen, Pumpe oder Implantat

Wer mit der Nadel nicht zurecht kommt, kann auch auf ein Minizäpfchen mit dem gleichen Wirkstoff zurückgreifen, das selbst in die Harnröhre eingeführt werden muss und einen ähnlichen Effekt hat. Viele Männer erleben eine so herbeigeführte Gliedsteife allerdings durch die damit verbundene Gewebedehnung als gewöhnungsbedürftig.

Um die Potent nach dem Prostataeingriff zu verbessern, kommt neben dem Griff zur Viagra-Schachtel auch der Einsatz einer Vakuum-Pumpe in Frage. Dabei führt man den Penis in den Tubus der speziellen Pumpe ein und erzeugt dann einen Unterdruck, der für das Aufrichten sorgt. Nicht geeignet ist das Verfahren für Männer, die blutverdünnende Mittel einnehmen müssen.

Als letztes Mittel zur Erektionsfähigkeit gilt eine so genannte Penisprothese. Ihr Einsatz macht eine Operation erforderlich, bei der zunächst die eignen Schwellkörper zerstört werden und dann durch Implantate ersetzt werden. Über eine Pumpe im Hodensack und ein Wasserreservoir im Bauchraum kann bei Bedarf die Prothese mit Wasser befüllt und so die ersehnte Erektion herbeigeführt werden. Ein kleines Ventil im Hodensack macht es möglich, dass nach dem Sex die Flüssigkeit wieder abgelassen werden kann.

Der einzige Weg, dem vorzubeugen

Trotz aller hitziger Debatten der letzten Jahre über die Sinnhafigkeit von PSA-Wert-Ermittlungen in der Prostatakrebsvorsorge, steht für den Chefarzt der Hamburger Klinik fest: Die beste Maßnahme, um einen Tumor möglichst frühzeitig zu entdecken und behandeln zu können, ist eine frühzeitige Vorsorge. Untersuchungen konnten zeigen, dass schon eine erste Testung im Alter von 40 Jahren sinnvoll sein kann. Sie macht es möglich, bei vielleicht ersten möglichen Parametern einen individuellen Vorsorgeplan zu erstellen und damit sein Risiko zu minimieren und sich einen möglichen langen Leidensweg zu ersparen.

(wat)
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