Schlafprobleme Eingeschlafene Hände in der Nacht – das steckt dahinter

Bergisch Gladbach · Nächtliches Kribbeln in den Fingern oder Taubheitsgefühle in Händen und Armen ärgert viele in der Nacht. Meist lässt es sich auf eine ungünstige Schlafposition zurückführen. Doch manchmal steckt etwas Ernsthaftes dahinter. Lesen Sie hier, was hinter dem eingeschlafenen Arm stecken kann und wann Sie medizinischen Rat einholen sollten.

Augenzucken und Handkribbeln – ist es was Ernstes?
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Augenzucken und Handkribbeln – ist es was Ernstes?

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Foto: dpa, Britta Pedersen

Nervenquetschung Es kribbelt, prickelt oder schmerzt – fast jeder kennt das Gefühl, nachts wach zu werden und seine Hand oder gar den ganzen Arm kaum mehr zu spüren. Manchmal lassen sie sich fast nicht mehr bewegen. In der Regel allerdings sind solche Missempfindungen harmlos. "In den meisten Fällen ist die Durchblutungvorübergehend unterbrochen oder ein Nerv gequetscht", erläutert Orthopäde Dr. Folker Franzen. Dazu kommt es in der Regel durch eine unbemerkt falsche Schlafposition.

Nerv geärgert

Nervenreizung Die kann zudem in den Bandscheiben der Halswirbelsäule zu harmlosen nervalen Reizungenführen, ohne dass gleich ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Das Kribbeln in den Fingern entsteht dabei durch die sensiblen Nerven und Nervenenden in der Haut. Sie schicken über die Nervenbahnen Reizwahrnehmungen ans Gehirn. Lassen sich dort die eingehenden Signale nicht mehr deutlich zuordnen, entsteht das unangenehme Prickeln und Ameisenlaufen. Es ist also eine Überempfindlichkeitsreaktion überaktiver Leitungsbahnen. Mediziner sprechen dabei von einer Parästhesie.

"Manche Menschen haben eine knöcherne Enge im Wirbelkanal", zählt Franzen weiter auf. Auch diese könne zu Missempfindungen in den Händen und Armen führen, lasse sich aber in der Regel einfach und schnell durch einen Positionswechsel ändern. Nur in schwerwiegenden Fällen hilft man den Betroffenen durch eine operative Weitung der Engstelle.

Wann eingeschlafene Hände harmlos sind und wann nicht

"Solange solche Missempfindungen sporadisch und in größeren Abständen auftreten, sind sie in der Regel eher harmlos und lagerungsbedingt", sagt der Bergisch Gladbacher Orthopäde. Ein ernstes Warnsignal stellen sie dar, wenn sie hingegen regelmäßig auftreten oder langanhaltend sind.

Bandscheibenvorfall Ursache dafür kann ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule sein. Zwischen Knochen der Halswirbelsäule liegt faserknorpeliges Gewebe mit einem gallertartigen Kern, die Bandscheibe. Sie fungiert als Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbeln. Durch Verschleiß und Alterung verlieren diese Puffer ihre Flexibilität und reißen leichter. Geschieht das zum Beispiel bei einer plötzlichen Kopfdrehung, kann der Bandscheibenkern austreten und drückt auf die umliegenden Rückenmarknerven. Genau das führt zu ähnlichen, aber stärker ausgeprägten Symptomen und plötzlich einschießenden Schmerzen als sie ein vorübergehend verärgerter Nerv.

Kribbeln - Wann Sie einen Arzt aufsuchen sollten

Fühlt sich ein Arm taub und schwach an, ist gelähmt oder hält sich über mehrere Tage das Gefühl laufender Ameisen, sollte man dringend einen Arzt aufsuchen. Ein Orthopäde kann dann anhand der konkreten Ausfallerscheinungen an der Hand bereits Rückschlüsse auf den betroffenen Wirbel ziehen. Treten die Probleme vor allem im Daumen und Zeigefinger auf, ist möglicher Weise der untere Halswirbel C6 betroffen. Zeigt sich die Symptomatik im Mittelfinger, können die Schäden am Wirbel C7 zu suchen sein.

"Solche Probleme lassen sich zu rund 95 Prozent der Fälle konservativ behandeln", sagt Dr. Folker Franzen. Dabei kommen entlastende Verfahren zum Einsatz wie sie Physiotherapeuten und Orthopäden anbieten. Durch Ausüben eines einen Längszugs auf die Wirbelsäule kann der Gallertkern aus seiner ungünstigen Position wieder zurück ins Zentrum fließen. Ergänzen kann diese Therapie ein Injektionsverfahren, bei dem anti-entzündliche Wirkstoffe unmittelbar an den veränderten Nerv gespritzt werden. Erst wenn solche Maßnahmen keine Linderung bringen, greift man zu operativen Verfahren.

Karpaltunnelsyndrom Berichten Betroffene über nächtliche Missempfindungen, die vor allem den Daumen, Zeige- und Mittelfinger betreffen, steckt dahinter in einigen Fällen auch ein Karpaltunnelsyndrom. Typisch sind dann Schmerzen und Taubheitsgefühle an der Daumeninnenseite, die auch den ganzen Arm betreffen können. Sie werden durch das Einengen des Mittelnervs an der Beugeseite des Handgelenks verursacht. Den Betroffenen kann eine nächtlich getragene Kunststoffschiene Linderung verschaffen. Andernfalls hilft die kurzfristige Gabe von Kortison. Verschwinden auch dann die Beschwerden nicht, ist meist eine Operation unumgänglich.

Anzeichen für eine Polyneuropathie

Polyneuropathien Ursache für Empfindungsstörungen können daneben Polyneuropathien, also Entzündungen der Nerven sein. Sie können in heftiger Ausprägung zu Geschwüren führen, die im Extemfall eine Amputation nötig machen. Im Unterschied zu nächtliche Beschwerden durch die falsche Position im Bett zeigt sie sich meist nicht ausschließlich durch Kribbeln und eingeschlafene Gliedmaßen. Oft folgt auf diese Symptome ein starkes Brennen. Reize wie heiß oder kalt können kaum mehr wahrgenommen werden.

Mehr als 600 verschiedene Auslöser sind bekannt. Zu ihnen zählen unter anderem bakterielle Infektionen durch Borrelien oder Scharlach-Erreger oder virale Infektionen, wie zum Beispiel Influenza-Viren oder Herpes zoster. Auch Schadstoff und Umweltgifte, Alkoholmissbrauch und Medikamente wie Chemotherapeutika oder Mittel gegen rheumatische Erkrankungen können ursächlich für eine Polyneuropathie sein. Bekannt ist zudem, dass Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder die Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis dazu führen können.

Das Kribbeln in den Fingern der Veganer

Nährstoffmangel Klagen Veganer über Empfindungsstörungen in den Händen und anderen Gliedmaßen, kann es sinnvoll sein ein Blutbild zu machen. "In seltenen Fällen zeigt sich darin ein Vitaminmangel wie zum Beispiel der von Vitamin B12", erklärt Facharzt Franzen. Dieser Nährstoff wird normalerweise überwiegend aus tierischen Produkten aufgenommen. Verzichtet man bewusst darauf, kann sich daraus ein solches Defizit ergeben, das sich dann als Polyneuropathie auswirkt.Auch Ein Vitamin

Stoffwechselstörung "Treten die Missempfindungen eher handschuh- oder strumpfförmig auf, liegt oft die Vermutung nahe, dass es sich um Stoffwechselstörungen handelt", erläutert der Facharzt. Durch sie werden dann die kleinen Nervenenden geschädigt.

Ursachen: Muskelverspannungen

Chronische Muskelverspannung Zu nächtlichen Beschwerden können auch chronischen Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich führen. Sie können durch Verschaltungen im Rückenmark ebenfalls zu Ameisenlaufen und sogar Schmerzempfindungen in den Händen sorgen. Hier zeigt sich, dass ein unbewegter Tag, bei dem man in starrer Haltung vor dem Monitor verbringt, Auswirkungen bis in die Nacht haben kann. Denn solch falsche oder einseitige Haltung sorgen ebenso wie Stress für den bekannten steifen Nacken.

Den zu kurieren ist eine langfristige Angelegenheit. "Wichtig sind vor allem Entspannung und lokale Wärmeanwendungen", sagt Franzen. Hilfreich können zudem den Muskelstoffwechsel anregende Reizstromverfahren sein und daneben Injektionen oder eine medikamentöse Behandlung mit muskelentspannenden und schmerzlindernden Wirkstoffen. Die Beschwerden lassen sich alternativ durch manuelle Verfahren lindern, die auf ein Lockern und Dehnen von bindegewebigen Verhärtungen abzielen. Diese Behandlungen nennt man Myofascial Release. Sie wird von Physiotherapeuten wie auch manchen Orthopäden angeboten.

Erste Anlaufstelle sind bei allen beschriebenen Beschwerden neben den Hausärzten auch Orthopäden oder Neurologen. Sie nehmen eine Ersteinschätzung der Beschwerden vor und ziehen nötigenfalls weitere Fachmediziner zu Rate.

(wat)
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