Wahrnehmungsstörung Gesichtsblindheit Kronprinzessin Victoria macht Betroffenen Mut

Düsseldorf (RPO). Ihr Gesicht scheint zurzeit beinah allgegenwärtig: Der schwedischen Kronprinzessin Victoria gilt angesichts ihrer bevorstehenden Hochzeit am Samstag die geballte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Weniger bekannt ist, dass die Thronfolgerin an einer Wahrnehmungsschwäche leidet, von der viele Menschen gar nicht wissen, dass es sie gibt. Gesichtsblindheit oder Prosopagnosie beeinflusst das Leben Betroffener. Trotzdem ist sie aus medizinischer Sicht keine Krankheit.

So sieht der Alltag von Kronprnzessin Victoria aus
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Nicht nur im Vorfeld ihrer eigenen Hochzeit ist der Terminkalender Vicorias von Schweden ordentlich gefüllt. Als hinderlich bei den Vorbereitungen auf ihre Termine erweist sich mitunter eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, die Victoria von ihrem Vater geerbt hat.

Darüber hinaus leidet die 32-Jährige an Gesichtsblindheit, kann sich weder Gesichter noch die dazugehörigen Namen merken. Häufig hat die Prinzessin bei Auftritten daher Menschen an ihrer Seite, die ihr die Namen ihres Gegenübers zuflüstern.

Gesichtsblindheit oder Prosopagnosie, wie sie medizinisch korrekt bezeichnet wird, ist als medizinisches Phänomen zwar relativ unbekannt. Trotzdem ist sie gar nicht so selten anzutreffen. Schätzungen zufolge leiden in Victorias Heimat Schweden ungefähr 200.000 Menschen daran.

Das Ehepaar Martina und Thomas Grüter aus Münster widmet sich seit vielen Jahren der akribischen Erforschung der Prosopagnosie. Die Untersuchungen des Arztehepaars förderten unter anderem zutage, dass rund 2 % der Bevölkerung von Gesichtsblindheit betroffen sind. Deutschlandweit könne somit von 1,5 Mio Fällen ausgegangen werden, so Dr. Thomas Grüter. Er legt Wert darauf, dass es sich bei Prosopagnosie um eine Wahrnehmungsschwäche und nicht etwa um eine Krankheit handele.

Erworbene Gesichtsblindheit durch Gehirnschädigung sei eher selten, sagt er. Bei den Ursachen sei von einer genetischen Komponente auszugehen. 15 bis 20 Stammbäume Betroffener weisen demnach eine Vererbung auf, bei der Männer und Frauen gleichmäßig betroffen seien. Prosopagnosie wird klinisch diagnostiziert.

Bei gesichtsblinden Menschen liegt eine Schwäche des visuellen Systems des Wahrnehmungsapparates vor. "Kindern mit Prosopagnosie fällt irgendwann auf, dass sie anders sind, wenn es darum geht, Gesichter zu erkennen", erläutert Thomas Grüter. Viele von ihnen würden Strategien ausbilden, andere Menschen anhand ihrer Stimme oder sonstiger besonderer Merkmale wie etwa Narben wieder zu erkennen.

Eine Besonderheit im Umgang mit Gesichtsblinden bestehe darin, dass sie ihr Gegenüber im Gespräch oftmals nicht anblicken würden. Für Lehrer sei es oft nicht einfach, wenn betroffene Schüler etwa die ganze Zeit aus dem Fenster schauen würden.

Es entstehe allzu leicht der Verdacht, der Schüler höre nicht zu oder sei unaufmerksam. Wenn er dann vom Lehrer angesprochen werde, zeige sich, dass er aufmerksam bei der Sache sei. "Für die Betroffenen sind Gesichter einfach nicht so wichtig. Man muss denen sagen, dass das als unhöflich gilt", so der Wissenschaftler.

Gerade in der Rolle der Kronprinzessin sieht sich Victoria von Schweden aufgrund ihrer Gesichtsblindheit vor Probleme gestellt. Zu ihren Pflichten zählt schließlich die Teilnahme an Empfängen, Galas und Wohltätigkeitsveranstaltungen sowie der Kontakt mit vielen Menschen. "Ich strenge mich unheimlich an, damit ich mir Namen und Gesichter merken kann. Aber sie wollen sich einfach nicht festsetzen", bekannte sie bereits vor Jahren in einem Interview mit der schwedischen Zeitschrift "Föräldrakraft".

Indem sie darüber spricht, trägt sie nicht nur dazu bei, die Wahrnehmungsschwäche bekannter zu machen. Als prominente Leidensgenossin stellt ihr offener Umgang damit für andere Betroffene ein Vorbild dar, mit ihrer Gesichtsblindheit umzugehen.

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