Gefährliche Nebenwirkungen Was Sie über Magensäureblocker wissen müssen

Düsseldorf · Sie verändern das Milieu unseres Magens, fördern unerwünschte Bakterien und können sogar Demenz begünstigen: Tabletten wie Omeprazol werden zu häufig genommen.

 Das Aufsteigen von Magensäure und häufiges Aufstoßen sind typische Symptome bei Sodbrennen und Gastritis. (Symbolbild)

Das Aufsteigen von Magensäure und häufiges Aufstoßen sind typische Symptome bei Sodbrennen und Gastritis. (Symbolbild)

Foto: Shutterstock/Tharakorn

Weg mit der ätzenden Säure, und alles wird wieder gut! Kaum etwas klingt überzeugender als das Wirkprinzip der sogenannten Magensäureblocker. So überzeugend, dass sie hierzulande bei jährlich mehr als 13 Millionen Patienten verordnet und in vier Milliarden Tagesdosen geschluckt werden. Doch Experten sehen diese flächendeckende Entsäuerung mittlerweile kritisch. Denn jüngere Studien zeigen, dass sie den Weg frei macht für Infektionen - und Demenz.

Eigentlich ist der Magen ein ziemlich zersetzendes Organ. Denn er produziert täglich zwei bis drei Liter Verdauungssaft, der zu großen Teilen aus starker Salzsäure besteht. Ihre Aufgabe: Sie aktiviert eiweißspaltende Enzyme, und als "Ätzmittel" trägt sie auch direkt zum Zerlegen der Nahrung bei, die aus der Speiseröhre kommt. Im Zuge dieser Attacken könnte es freilich auch die Magenwand erwischen, und deswegen wurde sie von der Evolution unter einer schützenden Schleimhautschicht verpackt. Doch die wird porös, wenn zu viel Säure gebildet wird, und dann sind Schäden und Geschwüre an der Magenwand programmiert. Ganz zu schweigen davon, dass überschüssige Säuremengen als "Reflux" nach oben, in Richtung Speiseröhre und Mund, gedrückt werden können. Wie sich das anfühlt, kennt man vom Sodbrennen - und dabei kann ebenfalls Gewebe zu Schaden kommen.

Mediziner sind daher froh, dass sie schon seit längerem über Magensäureblocker wie das bekannte Omeprazol verfügen. Sie verhindern, dass Protonen in den Magen gepumpt werden, um sich dort für die Bildung von Salzsäure vereinnahmen zu lassen. Man nennt die Säureblocker deshalb auch Protonenpumpenhemmer, und in der Regel kann man sich auf sie verlassen, wie Gastroenterologe Matthias Ebert von der Uniklinik Mannheim betont: "Diese Medikamente sind wirksam und wichtig zur Behandlung bestimmter säureassoziierter Magenerkrankungen."

Oft werden sie jedoch auch eingenommen, wenn gar nicht sicher ist, dass zu viel Magensäure gebildet wird - wie etwa beim Reizmagen. Seine Symptome: Aufstoßen, Völlegefühl und Übelkeit. Jeder dritte Bundesbürger hat immer mal wieder damit zu tun, doch organische Ursachen lassen sich meistens nicht finden - und gezielte Therapien erst recht nicht. Viele Ärzte schreiben daher einen Säurehemmer auf den Rezeptblock, und wenn sie es nicht tun, besorgen ihn sich die Patienten rezeptfrei in Eigenregie. Nach dem Motto: Vielleicht hilft's, und schaden tut's schon nicht. Doch beides ist ein Irrtum.

So zeigen Studien der letzten Zeit, dass Säureblocker bei Reizmagen eher selten helfen, dafür aber keineswegs so risikoarm sind, wie weithin vermutet wird. Denn der Sinn der Magensäure besteht auch darin, schädliche Bakterien in der Nahrung abzutöten, was gerade für einen Allesfresser wie den Menschen enorm wichtig ist. Wird nun der Magen kontinuierlich medikamentös entsäuert, verbessert das, wie nun eine aktuelle Studie am University College in London untermauert, die Lebensbedingungen für schädliche Keime.

Die englischen Wissenschaftler überprüften an über 560.000 Patienten, inwieweit sich deren Darmflora unter Einnahme von Säureblockern veränderte. Das Ergebnis: Unter ihrem Einfluss vervierfachte sich das Risiko für eine Infektion mit dem Keim Campylobacter, und auch das Risiko für einen bakteriell bedingten Durchfall ging deutlich nach oben. Durch die säurehemmende Therapie könnten eben, wie Christian Trautwein von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten erläutert, "Erreger in den Darm eintreten, die normalerweise abgetötet worden wären". Weswegen man die Säureblocker zwar nicht verteufeln sollte, doch es sei klar, dass sie "eines vorsichtigen Umgangs bedürfen".

Der Leiter der englischen Studie, Thomas MacDonald, rät zudem allen Patienten, die einen Säureblocker einnehmen: "Achten Sie besonders sorgfältig auf die Hygiene bei der Essenszubereitung. Denn durch die Entfernung der Säure aus dem Magen sind Sie anfälliger für Infektionen etwa mit dem Campylobacter-Keim, den man beispielsweise häufig in Geflügel findet."

Doch das hilft natürlich nicht, wenn Säureblocker schaden, obwohl man sie gar nicht selbst einnimmt, sondern indirekt unter ihren Einfluss gerät. So greifen schwangere Frauen gerne in Selbstmedikation zu den Pumpenhemmern, weil der Fötus auf ihren Magen und dadurch Säure nach oben drückt. Doch das ist laut einer Studie der Universität Edinburgh offenbar keine so gute Idee, denn es steigert bei den Kindern das Asthmarisiko um bis zu 45 Prozent. Was vermutlich daran liegt, dass Magensäure nicht nur Keime, sondern auch allergene Substanzen aus dem Verkehr zieht - und dieser Allergieschutz wird durch die Pumpenhemmer unterdrückt.

Damit nicht genug. Denn laut einer dänischen Studie an rund 21.000 Patienten begünstigen Säureblocker auch einen ungesunden Lebensstil, was die Wirkung der Tabletten aushebeln kann. Weil sie, wie Studienleiter Frederik Hvid-Jensen von der Uniklinik Aarhus warnt, für eine "Scheinsicherheit" sorgen, in deren Folge "notwendige Verhaltensänderungen ausbleiben". So konnten die dänischen Forscher beobachten, dass ausgerechnet jene Reflux-Patienten, die einen Pumpenhemmer einnehmen, mehr rauchen, mehr Fette im Speiseplan haben und mehr Übergewicht auf die Waage bringen. Sie verfahren also nach dem Muster: Warum auf einen gesunden Lebensstil achten, wenn doch die Pillen das Problem für mich erledigen?

Im Endeffekt sorgt diese "Strategie" jedoch dafür, dass die Reflux-Probleme trotz des Säureblockers oft bestehen bleiben. Oder sich sogar zusätzliche Krankheiten einstellen. So hat jetzt das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen ermittelt: Wer Säureblocker einnimmt, wird im Alter eher von Demenz heimgesucht. Darauf weist eine aktuelle Studie hin, die in "Jama Neurology" erschien. Ein Beweis für eine Kausalität steht allerdings noch aus.

(RP)
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