Analyse Was spricht für Marcumar, was dagegen?

Düsseldorf · Die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern kann unbehandelt Schlaganfälle auslösen. Bislang galt Marcumar als einziges und bestes Mittel zur Gerinnungshemmung. Jetzt sind neue Medikamente auf dem Markt. Viele Patienten sind unsicher.

Viele Menschen haben sehr interessiert auf unser Interview mit Ärzten der Universitätsklinik Düsseldorf zu modernen Möglichkeiten der Gerinnungshemmung (Antikoagulation) und den möglichen Ersatz des Medikaments Marcumar gesprochen. Hier noch die wichtigsten Aspekte. Welches sind die Vorteile von Marcumar? Es wird schon lange eingesetzt, ist gut erforscht und effektiv, es deckt ein breites Einsatzgebiet ab und ist günstig.

Und die Nachteile? Marcumar ist überaus kontrollbedürftig, reagiert träge nach Therapieänderungen — und es reagiert auf Nahrungsmittel und andere Medikamente. Was bedeutet es, dass ein Medikament kontrollbedürftig ist? Man muss häufiger überprüfen, ob der angestrebte Laborzielwert der Gerinnung erreicht wird. Die wird mit dem Wert INR bestimmt. Bei Patienten mit Vorhofflimmern sollte er zwischen zwei und drei liegen.

Da es aber bei nicht wenigen Marcumar-Patienten erhebliche Schwankungen trotz regelmäßiger Einnahme gibt, müssen sie kontrolliert werden. Und diese Patienten sind gefährdeter für Schlaganfälle als solche, bei denen der Wert stabil bleibt. Wie heißen die neuen Wirkstoffe, wie heißen die Tabletten? Es handelt sich um Dabigatran (Pradaxa), Rivaroxaban (Xarelto) und Apixaban (Eliquis). Was sind die Vorteile? Es kommt zu einem raschen Wirkungseintritt und ebenfalls einem raschen Wirkungsverlust (was vor und nach Operationen hilfreich sein kann), und es sind — was die Sicherheit betrifft — wenig bis keine Kontrollen erforderlich.

Zudem kommt es durchweg zu weniger Hirnblutungen (Ausnahme ist eine hoch eingestellte Dosis von Dabigatran). Diese neuen Antikoagulanzien sind gleich gut wirksam wie Marcumar; die Zulassungsstudien waren jedoch Nicht-Unterlegenheits-Studien (Dabigatran war in der hohen Dosis besser als Marcumar, hatte dann aber keinen Vorteil mehr bezüglich der Blutungen; Apixaban war eindeutig besser als Marcumar). Und was sind die Nachteile der neuen Medikamente? Rascher Wirkungseintritt und -verlust sind bei säumigen Patienten auch ein Problem: Was passiert, wenn mal eine Tablette vergessen wird? Und noch gibt es keine ausreichenden Studien, wie man im Notfall gegensteuert, etwa beim Schlaganfall.

Kann die neuen Medikamente jeder nehmen? Fast jeder, allerdings nicht bei Vorhofflimmern mit gleichzeitiger Herzklappenbeteiligung. Kunstklappenpatienten können sie niemals bekommen. Ebenfalls kann es zu Wechselwirkungen mit Medikamenten kommen, besonders auch mit Rhythmus-Medikamenten, die bei Vorhofflimmern eingesetzt werden. Dabigatran und Rivaroxaban haben in der Zulassungsstudie vermehrt Magen-Darm-Blutungen gezeigt; Dabigatran auch vermehrt Herzinfarkte.

Möglich sind Leberschädigungen, aber da gibt es von Medikament zu Medikament deutliche Unterschiede. Es mangelt auch hier an Langzeitdaten. Zudem kommt es zu einem unterschiedlich starken Wirkspiegelanstieg bei gestörter Nierenfunktion. Insgesamt sind die neuen Antikoagulanzien noch zu kurz im Einsatz, als dass man alle negativen Effekte kennen könnte. Gleichwohl wird man sagen dürfen, dass sie gut geprüft sind und ebenso sicher sind.

Wie ist die preisliche Differenz? Enorm — die neuen Mittel kosten im Schnitt etwa 3,5 Euro/Tag gegenüber 0,20 Euro/Tag bei Marcumar. Wo liegt das Problem für Patienten? Mancher Arzt wird es, wenn er budgetiert ist, aus diesen finanziellen Gründen nicht verschreiben wollen. Aber noch einmal gesagt: Gut auf Marcumar eingestellte Patienten können weiter Marcumar nehmen. Und bei Neudiagnosen von Vorhofflimmern? Dann sollte eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse erfolgen; so profitieren besonders Patienten mit einem erhöhten Risiko für Hirnblutungen von den neuen Präparaten eindeutig.

Und sie sind insgesamt auch komfortabler.

(RP)
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