Alternative Medizin Mesotherapie — Mit Nadelstichen gegen Schmerz und Haarausfall?

München/Berlin · Das klingt nach Wunderbehandlung: Mesotherapie nennt sich die Behandlungsmethode, die gegen Krampfadern, Haarausfall und Migräne gleichermaßen helfen soll. Sie beruft sich darauf, die Brücke zwischen Schulmedizin und Naturheilkunden zu sein. Lesen Sie hier, was die alternative Behandlungsmethode verspricht und was Kritiker sagen.

 Mesotherapie nennt sich das noch recht unbekannte Heilverfahren, das vor allem bei chronischen Schmerzen helfen soll.

Mesotherapie nennt sich das noch recht unbekannte Heilverfahren, das vor allem bei chronischen Schmerzen helfen soll.

Foto: © www.mesotherapie.org

Die Nadeln sind winzig, aber ihre Wirkung soll groß sein. Die Mesotherapie ist ein Mix aus Schulmedizin, Naturheilkunde, Akupunktur und Neuraltherapie. Darin genau liegt ihr Geheimnis. So soll sie gegen eine Vielzahl von Beschwerden helfen. Doch bei den Kritikern bringt ihr das den Ruf einer Kraut-und-Rüben-Therapie ein. Die Schulmediziner, die das Verfahren anbieten, sind davon jedoch ebenso überzeugt, wie zahlreiche Patienten.

Wer im Netz nach dem Begriff "Mesotherapie" sucht, wird überwiegend auf dermatologische Angebote zur Faltenreduktion, Cellulitebehandlung und Hautstraffung stoßen. Dort verspricht die Kombination von Wirkstoffen wie Vitaminen und Anti-Aging-Substanzen sichtbare Effekte. Damit steht sie in Konkurrenz zu anderen Verfahren wie der Botoxbehandlung.

Knoll sieht die Stärken der Mesobehandlung allerdings in anderen Feldern. Die Schmerztherapie zählt dazu, ebenso wie die Sporttherapie und verschiedenste Bereiche der Allgemeinmedizin. Der Grund für die intensive Anwendung in der medizinischen Ästhetik liegt für Allgemeinmedizinerin und die Begründerin der Mesotherapie in Deutschland Dr. Britta Knoll auf der Hand: "Dort lässt sich damit viel Geld verdienen."

Chronische Krankheiten "Sehr wirkungsvoll kann man chronische Schmerzpatienten mit diesem Verfahren behandeln", sagt Knoll. Dazu zählen neben Rheuma und Arthrosekranken auch Menschen mit Neuralgien und Migräne, traumatischen Sportverletzungen oder mit Schmerzen nach Operationen. Daneben verspricht die Mesotherapie Linderung bei chronischen Wirbelsäulenerkrankungen oder Nervenschmerzen.

Sportmedizin Im Bereich der Sportmedizin behandelt man Sehnenscheidenentzündungen auf diese Weise, aber auch Zerrungen, Verstauchungen oder Prellungen.

Allgemeinmedizin Allgemeinmediziner nutzen das Verfahren zudem bei chronischen Entzündungen, Tinnitus, Durchblutungsstörungen, bei Krampfadern, Wundheilungsstörungen oder Kopfschmerz und Migräne.

Hautärzte Dermatologen wenden die Mesotherapie bei Hauterkrankungen und Haarausfall an.

"Mini-Impfung" Daneben bietet die Mesotherapie zur Vorbeugung winterlicher Infekte und gegen Heuschnupfen eine spezielle "Mini-Impfung" an. Hinter ihr verbirgt sich ein immunmodulierendes Verfahren, bei dem ein stark verdünnter Impfstoff weniger als einen Millimeter tief unter die Haut injiziert wird. Das geschieht an den Hals-Lymphen, den Nebenhöhlen und in der Nähe der Mandeln. Dadurch werde das Immunsystem angekurbelt und es komme weniger häufig zu Infekten, sagt die Allgemeinmedizinerin. "Diese Mikrovakzination wird meistens von den Patienten anstelle der Grippeimpfung verlangt, da sie ein wesentlich breiteres Schutzpotential bietet."

Kritisch sieht das hingegen der Deutsche Hausärzteverband: "Es gibt keine nachweislich wirksame Alternative zu der Grippeimpfung. Andere Verfahren können die Impfung nicht ersetzen."

Bei der Mesotherapie wird mit kleinen vier bis zwölf Millimeter langen Nadeln lokal gespritzt. Mit jedem der vielen kleinen Einstiche wird ein kleiner Teil einer individuell ausgewählten Wirkungsmixtur unter die Haut gebracht.

Das kann von Hand geschehen oder mit Hilfe einer Injektionspistole, die standardisiert eine immer gleiche Wirkstoffmenge stets gleich tief unter die Haut injiziert. "Dieses Verfahren ist vor allem bei der Behandlung im Gesicht sinnvoll, weil das Spritzen von Hand nicht so genau ist", sagt Dr. Britta Knoll. Meist wird das Mittel in eine mittlere Hautschicht gespritzt.

Daher leitet sich der Name der Therapie ab: Meso kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Mitte". Der Mesotherapie liegt die Annahme zugrunde, dass die Heilung aus der Mitte der Gewebsschichten beginnt. "Von dort aus dringen die Wirkstoffe in tiefer liegende Strukturen wie Muskeln und Gelenke", erklärt Knoll.

Von dem jeweiligen Leiden ist abhängig, wie tief der Cocktail injiziert wird. Manchmal nur ganz oberflächlich, manchmal etwas tiefer. Ähnlich wie auch bei Akupunkturbehandlungen. Die allerdings sind als lang existierendes Verfahren wissenschaftlich umfangreicher untersucht und anerkannt und von den Krankenkassen übernommen. Für die mesotherapeutische Behandlung muss man hingegen selbst in die Tasche greifen.

Entwickelt wurde diese Therapie vom französischen Arzt Michel Pistor. "Er war selbst Allgemeinmediziner und hat als Landarzt nach einer Therapie gesucht, die effektiv verschiedene Verfahren vereinigt", erklärt Knoll. Mit einem Auslandsstipendium ging sie vor rund 30 Jahren nach Frankreich und lernte dort Pistor und seine Heilmethode kennen.

Seit 2003 gibt es dort ein Postgraduierten-Studium für Mediziner. Hierzulande vermittelt Knoll über die von ihr gegründete Deutsche Fachgesellschaft für Mesotherapie diese Heilmethode an Ärzte aller Fachrichtungen sowie Heilpraktiker. Neben ihr tun das mittlerweile verschiedene andere Anbieter.

Je nach Indikation werden homöopathische Präparate, Vitamine oder Mineralstoffe verabreicht. Zu den möglichen Inhaltsstoffen zählen daneben auch Aufbereitungen aus Heilpflanzen oder biosynthetische. Mediziner dürfen diesen auch Schmerzmittel, Lokalanästhetika, durchblutungs- und entzündungshemmende Mittel oder andere klassisch schulmedizinische Arzneimittel beimengen. Das allerdings geschieht nur in geringster Menge. Cortison kommt dabei grundsätzlich nicht zum Einsatz.

Die Wirksamkeit der Mesotherapie ist umstritten, denn die wissenschaftliche Forschung ist dünn. Aus Sicht der Kritiker ist sie zu wenig standardisiert und reproduzierbar. Therapeuten selbst sehen das anders. "Die Deutsche Gesellschaft für Mesotherapie ist ein gemeinnütziger Verein, der nicht über die Mittel verfügt, groß angelegte, randomisierte Studien in Auftrag zu geben", sagt Dr. Britta Knoll. Doch es gibt auch Studien, die der alternativen Heilmethode Wirkung bescheinigen.

So zum Beispiel eine aus dem Jahr 2011. Italienische Wissenschaftler untersuchten in einer randomisiert-kontrollierten das Verfahren in Hinblick auf seine Wirksamkeit bei Rückenschmerzen. Ein Teil der Probanden wurde herkömmlich mit Kortisonpräparaten, Schmerz- und Entzündungshemmern behandelt. Der andere Teil mit einem Meso-Wirkmix. Der wurde jedoch nur unter die Haut gespritzt, statt tief in die Muskulatur. Dabei zeigte sich, dass die Mesotherapie genauso gut abschnitt wie die Standardtherapie.

Eine andere italienische Studie aus dem Jahr 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass die Mesotherapie bei der Behandlung von Kalkschultern bei zwei Dritteln der mit Mesotherapie behandelten Versuchsteilnehmer zu einer Besserung führte. In der Kontrollgruppe hingegen gab es keine signifikante Besserung.

Neben Ärzten verschiedenster Fachrichtungen dürfen auch Heilpraktiker zu dieser Therapieform greifen. Allerdings ist es ihnen nur gestattet, auf heilpflanzliche und homöopathische Mittel zurückzugreifen. Ausschließlich Mediziner dürfen daneben ihren Mittelmixturen auch Schmerzmittel, Antirheumatika und andere pharmazeutische Wirkstoffe beimengen.

Von ästhetischen Meso-Behandlungen in Kosmetikstudios sollte man Abstand nehmen, rät Knoll. Auch die Kommission für kosmetische Mittel des Bundesinstituts für Risikoforschung hat im Mai 2013 dazu Stellung genommen. Sie sieht die Anwendung von Micro-Needling und Meso-Therapie im Kosmetikstudio kritisch.

Da die Hautbarriere überwunden werde, gehe eine solche Behandlung über das rein kosmetische hinaus. Außerdem müsse man mit Nebenwirkungen wie allergischen Reaktionen rechnen.

(wat)
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