Internisten raten bei unklaren Beschwerden zu Tests Neue Viren drängen nach Deutschland

Berlin/Hamburg · Die Tigermücke, die das gefährlich Chikungunya-Fieber überträgt, lebt in den Tropen –eigentlich. Zunehmend aber machen sich Überträger und neue Viren auch in Deutschland breit.

Diese Tropen-Krankheiten drohen Deutschland
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Foto: Wikimedia Commons

Die Tigermücke, die das gefährlich Chikungunya-Fieber überträgt, lebt in den Tropen —eigentlich. Zunehmend aber machen sich Überträger und neue Viren auch in Deutschland breit.

Exotische Viren aus den Tropen kommen immer häufiger auch in Europa und sogar in Deutschland vor. In den nächsten Jahren könnten auch hierzulande vermehrt bisher unbekannte Krankheitserreger auftreten, warnt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Über Fernreisende, die sich im Urlaubsland mit den fremden Viren infizieren, kommen die Krankheitserreger in andere Länder. — So geschehen fünf Jahren in Italien. Dort breitete sich in der Emilia Romagna zum ersten Mal in der Geschichte Europas innerhalb kürzester Zeit das Chikungunya-Virus aus. Rund 205 Menschen erkrankten an dem fiebrigen Infekt, der oft begleitet ist von Hautausschlägen und Muskelschmerzen. Steckmücken übertrugen es.

Zudem ist der eigentliche Überträger, die asiatische Tigermücke, in den Mittelmeerländern heimisch geworden, warnt Professor Dr. Emil C. Reisinger, Dekan der Universitätsmedizin Rostock. Das Insekt gelange häufig im Auto oder Zug in entfernte Regionen. In Deutschland fanden sich Eier der Tigermücke erstmals entlang der Autobahn A5 bei Rastatt in Baden-Württemberg. Tigermücken übertragen auch Dengue-Fieber. Diese weltweit häufigste durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung war in Europa zuletzt 1927/1928 in Griechenland ausgebrochen.

Lebensräume für neue Viren durch Klimawandel

Auch in Deutschland muss man sich nach Einschätzung von Fachleuten darauf einstellen, dass sich in den nächsten Jahren fremde Krankheitserreger auch hier ausbreiten. Forscher von der Universität Liverpool gehen davon aus, dass sich das Klima bis zum Jahr 2050 derart verändert, dass die schwarz-weiß gestreifte Tigermücke in weiten Teilen Europas die Lebensbedingungen findet, die sie braucht, um zu leben.

Erreger, die bislang nur vereinzelt auftraten sind u.a. die vom Chikungunya-, Pappataci- oder Westnil-Fieber. Vor zwei Jahren schleppten reisende das Dengue-Fieber aus Asien nach Europa ein. In Frankreich und Kroatien litten Menschen unter der Krankheit, die es dort eigentlich nicht gibt. Auch, wenn die Wahrscheinlichkeit solcher Infektionsketten derzeit in Europa noch recht gering sind, empfiehlt die DGIM, bei Fieber ohne erklärbare Ursache auch eine Infektion durch neue Viren in Betracht zu ziehen und falls möglich zu impfen und zu behandeln.

Osteuropäische Hundezecke entdeckt

Sowohl in Deutschland als auch in Holland entdeckten Forscher bereits die Schildzecken Hyalomma und Rhipicephalus, die braune Hundezecke. Diese Zeckenarten leben in Südosteuropa. Sie übertragen das Krim-Kongo-Fieber, das mit Fieber und oft mit inneren Blutungen einhergeht. Die Sterberate liegt in Bulgarien bei 18 Prozent — eine Impfung gibt es nicht. "Insgesamt ist die Zahl der neuen Viruserkrankungen in Deutschland zwar noch sehr gering", meint DGIM-Generalsekretär Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch aus Kiel. Klimaerwärmung, wachsender Reiseverkehr, Tourismus und internationaler Warentransport könnten dies jedoch rasch ändern.

Wissenschaftler vom Deutschen Entomologisches Instituts (SDEI) in Müncheberg und vom Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg haben für Deutschland eine Mückenkarte erstellt, auf der sie Vorkommen verschiedener Mückenarten für Deutschland festhalten und auswerten. Virologen untersuchen laut BNI genau diese Mücken in speziellen Hochsicherheitslabors, um festzustellen, welche Virenfracht sie übertragen können. So wollen die Forscher die Gefahr im Auge behalten, um den Ausbruch neuer Seuchen rechtzeitig zu erkennen und vorbeugen zu können.

Rasche Ausbreitung möglich

Auch Sindbis-Viren, Überträger des gleichnamigen Fiebers, mit Hautausschlägen und Gelenkbeschwerden, wurden in Baden-Württemberg in Mücken nachgewiesen. "Die Neue Grippe hat uns in den Jahren 2009/2010 vor Augen geführt, wie rasch sich neue Viren ausbreiten können", sagt Professor Fölsch. Wegen der unspezifischen Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerz, Husten, Schnupfen und Schlappheit wenden sich viele Patienten an einen Internisten. Bei der Abklärung von Fiebererkrankungen sollten Ärzte auch neue Viruserkrankungen in Betracht ziehen, so Fölsch, und im Verdachtsfall die notwendigen Tests durchführen.

Schützen kann man sich zumindest gegen die Tigermücke auch mit herkömmlichen Mückenmitteln. Die wirken so breit, dass sie bis auf einzelne resistent gewordene Stämme auch diese Mückenarten abwehren. Vor lauen Sommerabenden ist also Vorsorge die einfachste Maßnahme.

(wat)
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