Medizin Diese IGeL-Leistungen verkaufen NRW-Ärzte besonders oft

Düsseldorf · Messung des Augeninnendrucks, Ultraschall der Eierstöcke und PSA-Test: Diese zusätzlichen Leistungen sind aus Sicht der Krankenkassen oft nutzlos und belasten Patienten.

Entscheidungshilfen: Selbst zahlen, oder nicht?
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Foto: dpa, Patrick Pleul

Eine Frau geht in Düsseldorf zum Augenarzt, um ihre Sehschärfe prüfen zu lassen. Die Helferin sagt, es sei Zeit für die Messung des Augeninnendrucks zur Früherkennung von Grünem Star (Glaukom). Dies ist eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die die Kassen nicht übernehmen. Die Patientin möge 20 Euro zahlen. Die Frau lehnt dankend ab. Im Behandlungszimmer setzt der Arzt sie unter Druck: Ob sie wisse, wie viele Glaukome er auf diese Art herausfische. Wenn sie die Messung nicht wolle, müsse sie dies unterschreiben - er wolle später nicht haftbar gemacht werden, wenn sie erkranke.

Kein Einzelfall. Eine Forsa-Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass Augenärzte nach Gynäkologen und Zahnärzten am häufigsten Extras gegen Bares anbieten. Jeder vierte Augenarzt und 40 Prozent der Frauenärzte haben schon ge-igelt. Insgesamt liegen NRW-Ärzte mit diesen Geschäften hier vorn: 57 Prozent der Kassenpatienten seien vom Arzt auf eine Individuelle Gesundheitsleistung aufmerksam gemacht worden, teilte die TK gestern mit. Nur in Baden-Württemberg sind es mit 58 Prozent noch mehr. In Sachsen sind es dagegen nur 43 Prozent. Das liege möglicherweise daran, dass NRW viele Großstädte habe, in denen die Arztdichte und Konkurrenz hoch seien, vermutet die TK.

Zugleich wächst das Selbstbewusstsein der Patienten: In NRW nahmen nur 65 Prozent die angebotene Leistung in Anspruch. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) führt das auf die gute medizinische Versorgung zurück: Patienten hätten hier besonders kurze Wege zu Ärzten und Informationen.

"Patienten sollten sorgfältig abwägen, ob IGeL-Behandlungen oder Untersuchungen ihnen den gewünschten Nutzen bringen", sagt Günter van Aalst, Leiter der Techniker Kasse in NRW, "wir empfehlen unseren Versicherten, sich gründlich zu informieren." So bewertet der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen laufend im Lichte der medizinischen Studien die Angebote. Im Internet lassen sich unter www.igel-monitor.de die Einschätzungen zu über 30 Leistungen abrufen. Eine Auswahl.

Messung des Augeninnendrucks Diese ist eine der am häufigsten angebotenen IGel-Leistungen. Augenärzte nehmen dafür meist zwischen zehn und 22 Euro. Hintergrund: Erhöhter Augeninnendruck kann auf ein (vorhandenes oder kommendes) Glaukom hinweisen. Ein Glaukom kann im Extremfall zur Erblindung führen. Und doch halten die Kassen-Experten nichts von der Messung. Sie bewerten sie als "tendenziell negativ". Studien zeigten, dass die Augeninnendruck-Messung keine zuverlässige Vorhersage biete, zudem bestehe die Gefahr falscher Befunde und Behandlungen. Bei begründetem Verdacht würden die Kassen dagegen selbstverständlich eine Untersuchung zahlen.

Ultraschall der Eierstöcke Eierstockkrebs ist die fünfthäufigste Krebs-Todesursache bei Frauen. Die Krankenkassen zahlen ein jährliches Abtasten. Ärzte bieten zudem oft einen Ultraschall der Eierstöcke an, meist für 25 bis 53 Euro. Die Kassen halten diese Leistung eindeutig für "negativ". Die Studien zeigten, dass mit Ultraschall genausso viele Frauen an Eierstockkrebs stürben wie ohne Untersuchung. Zugleich würden Frauen durch Fehlalarme oft unnötig beunruhigt, gesunde Eierstöcke würden unnötig entfernt, so die MDK-Experten.

PSA-Test Um Prostata-Krebs frühzeitig zu erkennen, zahlen die Kassen Männern ab 45 Jahre ein jährliches Abtasten. Viele Urologen und Allgemeinärzte bieten zudem einen PSA-Test zu Preisen zwischen 25 und 35 Euro an. "Tendenziell negativ", also unnötig, so der IGel-Monitor. Die Studien kämen zu keinem eindeutigen Ergebnis über den Nutzen, die Gefahr der Verunsicherung der Männer und unnötiger Nachuntersuchungen sei dagegen groß.

Professionelle Zahnreinigung Zahnärzte bieten gerne eine professionelle Zahnreinigung (PZR) für 35 bis 120 Euro pro Sitzung an, die die Entstehung von Karies und Parodontose verhindern soll. "Unklar" nennen die Kassen den Nutzen. Eine Anleitung zum richtigen Zähne-Putzen möge sinnvoll sein, doch dass die PZR einen zusätzlichen Nutzen habe, sei nicht belegt.

Die Kassenärztliche Vereinigung warnt dagegen vor der Verurteilung von IGel-Leistungen. "Allgemeine Aussagen dazu sind wenig hilfreich. IGel-Leistungen können einzelnen Patienten nutzen, auch wenn sie nicht zum Screening-Instrument taugen", sagt der KV-Sprecher. Das gelte auch für Eierstock-Ultraschall. Andere Leistungen wie Reiseschutzimpfungen seien ohnehin anlass-bezogen sinnvoll. Manche Ärzte sehen das anders. Einzelne werben damit, dass sie ihren Patienten keine IGel-Leistungen verkaufen.

(RP)
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