Unfall oder schwere Erkrankung Alles, was Sie über Patientenverfügungen wissen müssen

Düsseldorf · Wer im Krankenhaus landet, ist unter Umständen in so schlechter Verfassung, dass er sich nicht mehr verständigen kann. Was viele nicht wissen: Nur eine vom Patienten bevollmächtigte Person kann dann dafür sorgen, dass Wünsche vom Arzt berücksichtigt werden. Das Wichtigste zur Patientenverfügung.

Das sind die wichtigsten Fakten
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Foto: shutterstock/ Tyler Olson

Es ist eine Situation, die sich niemand vorstellen will, die aber jederzeit eintreten kann: Der Gesundheitszustand ist so schlecht, dass man nicht nur ins Krankenhaus gebracht werden muss, sondern sich auch nicht mehr verständigen kann. Ein schwerer Unfall kann dazu führen, aber auch eine Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium.

Das steht in einer Patientenverfügung

Vor allem wer kerngesund ist, schiebt solche Gedanken gerne von sich. Tatsächlich ist es jedoch eine der wichtigsten und persönlichsten Fragen, die sich ein Mensch stellen kann: Welche medizinischen Hilfestellungen möchte ich im Ernstfall bekommen? Möchte ich Wiederbelebungsmaßnahmen? Darf man mich an ein Dialysegerät hängen oder mich künstlich beatmen?

Kommt es zum Notfall, entnehmen Ärzte diese Antworten im besten Fall einer Patientenverfügung. In ihr können Menschen festhalten, wie sie im Ernstfall behandelt werden wollen. Berücksichtigt werden die darin geäußerten Wünsche jedoch erst, wenn der Betroffene selbst nicht mehr in der Lage ist, diese Entscheidungen zu treffen. Patientenverfügungen sind für die Ärzte bindend; was dort gewünscht oder abgelehnt wird, muss also umgesetzt werden.

Damit sie gültig ist, muss die Unterlage in schriftlicher Form vorliegen und bestimmte Formalien enthalten. Dazu gehört neben allgemeinen Informationen zum Patienten auch eine Angabe darüber, in welchen Situationen er ein Inkrafttreten der Patientenverfügung wünscht - zum Beispiel, "wenn ich mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, zum Beispiel Krebs". Angegeben werden kann zudem, wo und wie ein Begräbnis stattfinden soll und ob eine Organspende in Frage kommt.

Warum eine Patientenverfügung wichtig ist

"Doch nur rund 30 Prozent der Deutschen haben bislang so eine Patientenverfügung", sagt Stefan Meier, Intensivmediziner und ehrenamtlicher Mitarbeiter im Ethikkomitee der Uni-Klinik Düsseldorf. "Und selbst, wenn sie eine haben, dann erleben wir es häufig, dass sie im Notfall nicht vorliegt, die Angehörigen nichts davon wissen oder die Unterlage nicht auffindbar ist, weil nicht klar ist, wo sie genau liegt."

Was dann passiert, ist wohl das Letzte, was sich Patienten wünschen: In einer drängenden Situation muss der Mediziner rasch nach seiner eigenen Einschätzung entscheiden. Besteht kein akuter Handlungsbedarf, muss das Gericht einen Betreuer ernennen - der dann unter Umständen ein Berufsbetreuer und somit eine völlig fremde Person ist. "Das kann sogar dann passieren, wenn der Betroffene verheiratet ist oder Kinder hat", sagt Walter Blum, Notar in Düsseldorf. "Denn die ärztliche Schweigepflicht gilt erstmal immer, egal, in welchem Verhältnis Patient und Angehöriger stehen, außer der Arzt wird davon entbunden, bekommt also die ausdrückliche Erlaubnis, medizinische Informationen zu teilen."

Warum Experten raten, einen Bevollmächtigten zu bestimmen

Damit so eine Situation gar nicht erst entsteht, ist es wichtig, nicht nur eine Patientenverfügung zu verfassen, sondern auch einen Bevollmächtigten zu ernennen, der im Ernstfall Entscheidungen treffen darf, etwa wenn es um eine Therapiebegrenzung geht. Diese Maßnahme verhindert ein weiteres Problem: "Weil die Notsituation, außer wenn eine schwere Erkrankung bereits vorliegt, nicht vorausgeahnt werden kann, basiert eine Patientenverfügung oft auf vorgefertigten allgemeinen Formulierungen, die im Ernstfall entweder nicht detailliert genug sind oder nicht wirklich auf die Situation zutreffen", sagt Meier.

Gerade auf der Intensivstation erschweren Floskeln Ärzten immer wieder die Arbeit, weil hier oft Maßnahmen nötig werden, ohne dass der Patient im Sterben liegt. "Wenn ein Patient zum Beispiel festgelegt hat, dass er keine künstliche Beatmung möchte, ist das ein sehr schwieriger Fall, denn bei fast jeder Operation wird ein Beatmungsschlauch eingesetzt, was dann laut Patientenverfügung eigentlich nicht zulässig wäre." Damit Ärzte also im Zweifel wissen, was der Wunsch des Patienten gewesen wäre, ist es wichtig, einen Bevollmächtigten zu haben, mit dem solche Situationen besprochen wurden.

Was Sie über eine Vorsorgevollmacht wissen müssen

Am besten geht das, indem die Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht kombiniert wird. Darin wird festgelegt, welche Person im Ernstfall im Namen des Patienten Entscheidungen treffen darf. Wichtig ist, sich mit dieser Vertrauensperson gründlich über gesundheitliche Wünsche auszutauschen, damit sie in der Lage ist, passende Entscheidungen zu treffen.

Eine Vorsorgevollmacht kann sich zudem auch auf Verträge, Bankgeschäfte oder die Unterbringung in einem Pflegeheim beziehen. Das kann etwa dann wichtig sein, wenn laufende Überweisungen getätigt werden müssen, oder Zahlungen anfallen, etwa wegen Reparaturen an Haus oder Wohnung. Es ist allerdings auch möglich, sie auf bestimmte Bereiche einzugrenzen.

Wie formuliert man eine Patientenverfügung richtig?

Egal ob es einen Bevollmächtigten gibt oder nicht, wie die Patientenverfügung geschrieben ist, ist für die Ärzte entscheidend. Allerdings ist es nicht zu empfehlen, ausschließlich auf Standardformulierungen zurückzugreifen. Die optimale Verfügung enthält individuelle Wünsche bezüglich konkreter Behandlungen. Die können von einem Notar formuliert sein, müssen es aber nicht, um rechtskräftig zu sein. "Sogar der mündlich geäußerte Wille ist rechtskräftig", sagt Notar Blum.

Es kann hilfreich sein, als Formulierungshilfe einen Notar einzubeziehen. "Für noch sinnvoller halte ich es aber, diese Thematik mit einem Mediziner zu besprechen, zum Beispiel dem eigenen Hausarzt, denn der kennt sich einfach am besten aus", sagt Meier. Was in diesem Gespräch diskutiert wird, sollte dann mit dem Bevollmächtigten besprochen - und regelmäßig hinterfragt werden. "Es reicht nicht, mit 55 Jahren einmal so eine Verfügung zu schreiben", sagt Meier. "Man muss sich immer wieder mal hinterfragen, inwiefern die Unterlagen noch auf die aktuelle Gesundheitssituation und die individuellen Wünsche zutreffen."

Welche Wünsche sollte man festlegen?

Angegeben werden kann beispielsweise, ob eine künstliche Ernährung gewünscht wird, ob Verfahren wie Dialyse oder ein Kunstherz zum Einsatz gebracht werden dürfen, oder ob eine künstliche Beatmung erlaubt ist. Der wichtigste Punkt für viele ist, ob lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden dürfen. Das kann bejaht oder verneint werden, oder es können Fristen festgehalten werden. "Gerade für ältere Patienten empfehle ich außerdem festzulegen, ob sie im Ernstfall etwa aus dem Pflegeheim überhaupt ins Krankenhaus eingewiesen werden wollen, und ob und welche lebensrettende Maßnahmen der Notarzt ergreifen soll", sagt Meier.

Wichtig sei auch, detailliert anzugeben, was in Fällen passiere, in denen der Patient nicht im Sterben liegt, aber intensive medizinische Maßnahmen nötig wären - und ob eine palliative Therapie eine Option ist. "Darunter verstehen wir, dass auf eine Heilung ausgerichtete Maßnahmen unterbleiben, und stattdessen eine auf eine Symptomkontrolle ausgerichtete, palliative Therapie auf einer entsprechenden Station im Krankenhaus oder im Hospiz eingeleitet wird."

Auch, wenn es nach viel Arbeit klingt - möglichst konkrete Formulierungen in der Patientenverfügung zu finden, entlastet nicht nur den Arzt, sondern auch die Angehörigen, weil sie im medizinischen Notfall nach der Entscheidung des Patienten handeln können, statt selbst überlegen zu müssen, was richtig ist. Und es könnte schon bald zur gesetzlichen Verordnung werden.

Gerade erst hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Patientenverfügungen in Zukunft detaillierter sein müssen. "Was das genau für die Praxis bedeutet, ist zu diesem Zeitpunkt aber noch unklar", sagt Meier. Hilfestellungen geben sowohl Ärzte als auch das Deutsche Rote Kreuz oder auch Notare, für rund 120 Euro. Die Patientenverfügung gibt es inzwischen sogar als Notfallpass für den Geldbeutel.

(ham)
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