Kippeln erlaubt Designerstühle für einen gesunden Rücken

Selsingen · Am Ende eines langen Arbeitstages kennen das viele: Der Rücken tut weh, die Beine sind schwer und steif. Schuld ist das lange Sitzen. Aber es gibt Stühle, die ausgerechnet durch Kippen und Schaukeln dem entgegenwirken. Namhafte Designer haben das Konzept aufgegriffen.

Die neuen Stühle können kippeln
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Studien zufolge verbringt der Mensch 9,3 Stunden am Tag mit dem Sitzen auf Stühlen oder dem Sofa. Gerade das lange Sitzen amStück im Büro, in der Schule oder zu Hause ist nicht gesund. "Sitzen ist generell eine Belastung für den Körper", erklärt Detlef Detjen von der Aktion Gesunder Rücken (AGR) in Selsingen (Niedersachsen). Denn wenn das Möbel nicht richtig an die individuellen Körpermaße angepasst ist, wirke sich das negativ auf den Rücken aus und führe zu Unwohlsein. Namhafte Designer haben sich nun mit dem Thema beschäftigt und zeigen neue Ansätze im Stuhldesign.

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Foto: shutterstock/ Sebastian Kaulitzki

Der Stuhl "Pro" des Münchner Designers Konstantin Grcic für den Hersteller Flötotto sieht unspektakulär aus: Er besteht aus einer einfachen Kunststoffschale und einem Untergestell aus Stahlrohr. Aber der "Pro" ist trotz seiner Schlichtheit eines der interessantesten Möbelprodukte der vergangenen Jahre. Denn es setzt auf eine sehr reduzierte Art das von Ergonomen seit langem empfohlene Konzept des bewegten Sitzens um.

Der Bewegungsmangel beim Sitzen verursacht Störungen des Fettstoffwechsels, die Ursache sind für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit sowie Herz- und Kreislauferkrankungen.
Gesundheitsexperten raten deshalb, nicht dauerhaft still zu sitzen, sondern sich auf dem Stuhl zu bewegen. "Der Mensch sollte nicht statisch, sondern bewegt sitzen", sagt Dieter Breithecker von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung.

Das Sitzen in Bewegung regt die Durchblutung an und beugt Verspannungen vor. Das steigert sogar die Konzentration und Leistungsfähigkeit. Bei hochwertigen Bürostühlen ist das Konzept des dynamischen Sitzens vielfach umgesetzt. Die Produkte verfügen über aufwendige Mechaniken, die die Bewegung des Körpers in alle möglichen Richtungen unterstützen. Diese Art von Arbeitsstuhl ist wegen des hohen Konstruktionsaufwandes aber sehr teuer.

Der einfache Stuhl "Pro" war ursprünglich als reiner Schulstuhl konzipiert und durfte daher einen gewissen Kostenrahmen nicht überschreiten. Grcic verzichtet deshalb auf aufwendige Technik und konzentriert sich ganz auf die Form. DasModell hat eine runde Sitzfläche, daher hat der Benutzer eine große Beckenfreiheit und kann sich auf dem Stuhl in alle Richtungen bewegen. Die flexible, nach hinten ausgewölbte Rückenlehne schafft zusätzliche Bewegungsfreiheit.

Zeitgleich zur Entwicklung des "Pro" haben die beiden britischen Designer Edward Barber & Jay Osgerby den Stuhl "Tip Ton" für Vitra entworfen. Das Kunststoffmodel ist nur aus einer einzigen Gussform gefertigt. Die Kufe des Untergestells ist vorne angeschrägt. Dadurch kann der Benutzer vorwärts wippen, ohne dabei umzufallen. Das Kippeln ist gesund. Denn der statische Druck auf dem Rücken verringert sich.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Klassiker "PantoSwing", den der Designer Verner Panton für die VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken entwickelt hat. Auch der "PantoSwing" ist als Schulstuhl konzipiert worden. DerFreischwinger kann sich nach hinten und vorne bewegen. Wie beim "Tip Ton" kann der Nutzer so den Rücken entlasten und zusätzlich eine nach vorne geneigte Position einnehmen. All diese Designer verzichten auf aufwendige Mechanik, um das bewegte Sitzen umzusetzen. Sie wollen damit die Arbeitsstühle im Büro nicht ersetzen, zeigen aber einen anderen Ansatz. Die minimalistischen Sitzmöbel müssen als Schulstühle auch ein junges Publikum ansprechen.

(dpa)
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