Kardiologische Studie Sind Frauen die besseren Ärzte?

Düsseldorf (RP). Eine kardiologische Studie aus dem Saarland behauptet, dass Patienten generell von Ärztinnen effektiver behandelt werden als von ihren männlichen Kollegen. Die Forscher glauben, dass sich Ärztinnen mehr Zeit nehmen und einfühlsamer seien. Psychologen sehen solche Thesen kritisch.

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Foto: NGZ

Der kleine Unterschied zwischen Männern und Frauen macht vor der Medizin nicht Halt. Nicht wenige Patienten gehen bewusst zu einer Ärztin. Für manche wiederum muss es zwingend ein männlicher Doktor sein. Nun überrascht eine neue Studie der Universität des Saarlandes. Mit starken Zahlen belegt sie, dass es für die Qualität der Behandlung tatsächlich ein Vorteil sein könne, wenn die Tür mit dem Arztschild zu einer Frau führt.

Daten von Patienten mit chronischer Herzschwäche

Die forschenden Ärzte der kardiologischen Universitätsklinik Homburg an der Saar (zwei Männer) untersuchten die Daten von Patienten mit chronischer Herzschwäche und stellten fest, dass Frauen häufig unzureichend behandelt wurden. Männliche Patienten hätten ihre Medikamente in der leitliniengerechten Dosierung bekommen, Frauen oft nicht; ihre Dosierungen seien vor allem zu Beginn der Behandlung deutlich geringer gewesen. Das Verblüffende: Wenn im Doktorkittel eine Frau steckte, bekamen allerdings sowohl die männlichen als auch die weiblichen Patienten von Anfang an die richtige Dosierung.

"Ärzte unterstellen Frauen Hysterie"

Magnus Baumhäkel, der die Studie leitete, hegt Vermutungen, warum seine Studie diese Ergebnisse produziert hat. Ärztinnen nähmen, so sagte er unserer Zeitung, die Symptome von Frauen genauer zur Kenntnis und verstünden sie besser. "Männliche Ärzte vermuten bei Patientinnen gern entweder nervliche Nebenaspekte für Erkrankungen, oder sie nehmen die Krankheit anfangs generell nicht so ernst", meint der Kardiologe. "Ärzte unterstellen Frauen zudem manchmal eine gewisse Hysterie — sie kriegen den Schweregrad einer Erkrankung dann nicht gleich mit."

Sind Frauen leidensfähiger?

Gut möglich, dass die Frauen daran nicht unschuldig sind, weiß der Mediziner: "Frauen sind im Arztzimmer eines Mannes weniger offen in der Selbstbeschreibung und wirken robuster." Sind Frauen leidensfähiger, oder tun sie nur so? "Es kann sein, dass das anders ist, wenn sie einer Ärztin gegenüber sitzen", meint Baumhäkel. "Da versteht man einander vermutlich intuitiv besser." Männer indes schilderten im Untersuchungszimmer ihr Leiden oft sehr realistisch und würden deshalb von Anfang an mit korrekt hoher Dosierung behandelt — von Ärztinnen und von Ärzten.

Frauen führen längere Gespräche

Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, weist darauf hin, dass das Saarland, wo die Studie durchgeführt wurde, keine Sonderzone sei, in der die Geschlechter anders ticken als in der restlichen Republik: "In einer Studie an der Universität Köln zur leitliniengerechten Behandlung bei Diabetes Typ 2 kam ebenfalls heraus, dass Frauen kompetenter behandeln als Männer." Ebenso sei es laut Bühren erwiesen, dass Ärztinnen ein anderes Kommunikationsverhalten hätten: "Sie führen längere Gespräche. Und je länger ein strukturiertes Gespräch ist, desto mehr findet der Arzt oder die Ärztin heraus." Generell glaubt Bühren: "Diese Art von Studien sind wichtig. Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für eine nach Geschlechtern differenzierte Medizin."

Angelika Haus, Vorsitzende des Hartmannbundes Nordrhein und niedergelassene Neurologin, bestätigt das: "Nach meiner Erfahrung hören Frauen den Patienten mehr zu. Sie nehmen stärker an, was er sagt, und zeigen erkennbare Bereitschaft, den Patient zu akzeptieren, bevor man ihm gute Ratschläge gibt." Daraus aber einen Qualitätsunterschied in der Behandlung von Frauen und Männern abzuleiten, sei falsch, meint Haus: "Der Wert der Behandlung ist nicht besser oder schlechter — er ist nur anders."

Der Patient als Partner

Vielleicht ist es alles sowieso keine Frage medizinischer Kompetenz, sondern von Fähigkeit, den Patienten in die Behandlung als Partner zu integrieren und ihn etwa zur Therapietreue zu erziehen, Tabletten regelmäßig nach Plan zu nehmen. Der ermahnende Mann, die subtil lenkende Frau — gibt es diesen Unterschied auch, wenn sie Kittel tragen? "Tatsächlich sind Frauen in sozialen Interaktionen oft geschulter als Männer", glaubt Ute Habel, Professorin für neuropsychologische Geschlechterforschung an der Universitätsklinik Aachen. "Aber die Formulierung, dass Ärztinnen einfühlsamer seien als ihre männlichen Kollegen, lässt sich so hart als These nicht fassen", sagt die Psychologin. Es habe sich als Geschlechtsstereotypie eingebürgert, dass Männer von Frauen glaubten, sie seien einfühlsamer — und Frauen glaubten das von sich selbst auch. In Wirklichkeit gebe die Hirnforschung, so Habel, wenig Hinweise darauf, dass das einen Zusammenhang mit dem wirklichen Verhalten habe. Ob Frauen auch als Ärzte emotionaler seien, sei in der Wissenschaft nicht belegt.

Dass Ärztinnen in der Studie besser abschneiden, könnte noch einen anderen Grund haben, den die Forscher in ihrem Fachaufsatz anführen: Ärztinnen seien häufiger in Teilzeit beschäftigt und könnten produktiver arbeiten; das wiederum löse bei den Patienten höhere Zufriedenheit aus. Dass Frauen im Arztberuf engagierter seien als Männer, will Baumhäkel so pauschal nicht gelten lassen. "Ich kenne Kollegen, die reiben sich für alle Patienten auf, und ich kenne Kolleginnen, die pünktlich um 16.30 Uhr ihr Arztzimmer in der Klinik verlassen — egal, was auf der Station noch alles zu tun ist."

(RP)
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