Gymnasium Alsdorf So erleben es Schüler, wenn sie später in die Schule dürfen
An deutschen Schulen startet der Unterricht gegen 8 Uhr morgens. Zu früh für die Schüler, sagen Chronobiologen. Sie befinden sich dann noch im Tiefschlaf. Am Gymnasium Alsdorf hat man darum wissenschaftlich begleitet ein neues Zeitsystem eingeführt. Das sind die ersten Erfahrungen damit.
Bei einem Fachvortrag hörten Schulleiter Wilfried Bock (l.) und sein Stellvertreter Martin Wüller (r.) erstmals vom in die Nachtstunden verschobenen Biorhythmus pubertierender Jugendlicher: Die machen oft die Nacht zum Tag, weil die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin bei Teenagern erst startet, wenn andere längst schlummern. Eine Folge dessen: Wenn morgens die Schule startet, befinden sie sich noch im Tiefschlaf. Am städtischen Gymnasium Alsdorf testet man ein neues Zeitmodell. Das sagen die Schüler dazu:
Claudia Kozyrska, 17 Jahre: „Ich kann nachts besser lernen. Einmal habe ich für eine Bio-Klausur so viel gelernt, aber bekam es nicht in den Kopf. Um halb zwei nachts hatte ich es innerhalb von zehn Minuten kapiert. Ich schlafe dann lieber länger.“
Thanh Dan Pham, 17 Jahre: "An zwei Tagen komme ich später. Das kommt mir entgegen, weil ich oft erst nachts schlafen gehe. Außer in Klausurphasen. Da lerne ich lieber früh.
Insgesamt nutze ich die Möglichkeit, in Freistunden zu lernen. Das mache ich in Klausphasen auch dann, wenn ich schon zehn Selbstlernstunden zusammen habe."
Melisa Dzajic, 16 Jahre: "Ich bin wacher, wenn ich später zur Schule kommen kann."
Annkatrin Nebel, 15 Jahre: "Da zur zweiten Stunde kein Bus kommt, mache ich meinen Schulstart davon abhängig, wie ich gebracht werden kann. Grundsätzlich versuche ich aber so oft es geht später zu kommen."
Tamara Stötzel, 18 Jahre: „Montag, Dienstag und Mittwoch hatte ich erst später Unterrichtsbeginn. An solchen Tagen komme ich gerne später. Da wir aber in Erdkunde die Vorabiklausur schreiben, komme ich heute lieber früher.“
Eva Raspe, 17 Jahre: "Wenn ich dadurch, dass ich länger schlafen kann, länger Schule hätte, würde ich lieber früher kommen."
Niklas Altdorf, 17 Jahre: "Ich komme früher, weil sonst kein Bus fährt und ich nicht zur Schule komme." Niklas nutzt die erste "Stunde" oft zum relaxen, sofern er seine Selbstlernstunden absolviert hat. Die Schüler müssen täglich zwei Stunden selbsttätig lernen, so sieht es das Dalton-Konzept vor, das in der Schule gelebt wird. Auf diese Weise soll die Eigenverantwortung der Schüler gestärkt werden.
Selina Huppertz, 15 Jahre: "Mittwochs muss ich erst um zehn Uhr hier sein. Das ist angenehmer, weil ich ausgeruhter bin. Besonders vor Klausuren bin ich relaxter, wenn ich länger schlafen kann. Da kann mich vorher keiner verrückt machen."
Florian Felden, 15 Jahre: "Ich habe eher nachmittags Freistunden. Weil ich dann nicht länger bleiben will, komme ich lieber früher." Florian hat so in dieser Woche schon vier zusätzliche Dalton-Stunden gesammelt und kann dennoch früh den Heimweg antreten.
Schon morgens in der ersten Selbstlernstunde, aber auch in Freistunden zwischendurch steht den Schülern frei, sich den Raum und Lehrer ebenso wie das Fach, das sie bearbeiten möchten, frei auszusuchen. Sie arbeiten nach Wochenarbeitsplänen, die ihnen einen Überblick über den zu erarbeitenden Lernstoff geben. Auch abseits der Selbstlernphasen finden sie im "Raum der Stille" eine ruhige Arbeitsatmosphäre.
Morgens um 8 Uhr: In der Selbstlernphase suchen sich die Schüler Raum, Lehrer und das Fach, in dem sie lernen wollen, selbst aus. Schüler verschiedener Klassen und Jahrgänge lernen gemeinsam. Immer steht ein Lehrer für Fragen zur Verfügung.
Mit Einführung der "Gleitzeit" für Schüler startete auch eine wissenschaftliche Begleitung durch die Universität München. Chronobiologen sammeln unter anderem über Aktimeter, die 45 der 250 Oberstufenschüler am Handgelenk tragen, Daten über die Lichtintensität und die Tages- und Nachtaktivität ihrer Träger. Zusätzlich führen 125 Schüler online ein Schaftagebuch, in das sie eintragen, von wann bis wann sie geschlafen haben, wie sie geschlafen haben, ob sie mit dem Wecker aufgewacht sind und wann ihr Schulstart war.
Selina Huppertz, Annkatrin Nebel und Thanh Dat Pham gehören zu den 45 Schülern, über ein Aktimeter an ihrem Handgelenk Tag und Nacht Daten für die Wissenschaft sammeln.
Zu wenig Schlaf ist schädlich und hat weit reichende Folgen für die Gesundheit und die Leistungs- sowie Konzentrationsfähigkeit. Darum will man am Städtischen Gymnasium Alsdorf auch nach Abschluss der Studie beim System mit einem wahlweise späteren Schulstart bleiben.