Reflux-Krankheit So funktioniert der Magen-Schrittmacher gegen Sodbrennen

Castrop-Rauxel/Siegen · Nach einem üppigen Essen nachts mit Sodbrennen dazuliegen ist unangenehm, aber in den meisten Fällen undramatisch. Quälend oder gar gefährlich wird es, wenn das häufig so ist oder die Magensäure spontan in den Mund läuft. Wir haben mit dem Arzt gesprochen, der als erster Mediziner in Deutschland mit einem Schrittmacher den Reflux ausschaltet.

 Seit zwei Jahren ist es in Deutschland möglich, Sodbrennen durch die Implantation eines Schrittmachers zu therapieren.

Seit zwei Jahren ist es in Deutschland möglich, Sodbrennen durch die Implantation eines Schrittmachers zu therapieren.

Foto: endostim

Zu schnell gegessen? Oder zu fett? Dann kann es zu Sodbrennen kommen. Jeder Dritte hat nach üppigen Mahlzeiten mit einem Reflux zu kämpfen. Jeder zehnte Deutsche leidet chronisch darunter. Oft passiert es nachts im Liegen, dass die Magensäure aufsteigt und ein brennendes Gefühl in der Speiseröhre hinterlässt. Viele Menschen spüren auch, wie ihnen stressigen Zeiten im Job oder Familienärger derart auf den Magen schlagen.

Geschieht das regelmäßig, wird es für die Betroffenen kritisch, denn im Gegensatz zum Magen ist die Speiseröhre der aggressiven Magen- und Gallensäure schutzlose ausgeliefert. Sie entzündet sich durch solch ständige Säureattentate. Fließt dauernd Magensaft durch die Speiseröhre, kann das Blutungen und Geschwüre verursachen, die die Speiseröhre verengen. Gefürchtet sind zudem schwerwiegende Erkrankungen wie das Barrett-Syndrom — eine Vorstufe des Speiseröhrenkrebses.

Heiserkeit und Husten können Zeichen für Reflux sein

Was viele nicht wissen: Reflux ist keine reine Magenangelegenheit. Die Auswirkungen zeigen sich auch in einer ständig heiseren Stimme, dauernden Halsschmerzen oder chronischem Husten. Wer dann beim Hals-Nasen-Ohrenarzt Rat sucht, wundert sich im ersten Moment vielleicht, wenn er zum Gastroenterolgen weitergeschickt wird. Gleiches gilt für den Asthmatiker, den der Lungenfacharzt vom Magen-Darm-Spezialisten untersuchen lassen möchte. Denn alle diese Leiden können ursächlich durch eine Refluxkrankheit ausgelöst sein.

Die Ursache für die Erkrankung ist ein schwacher Schließmuskel, der zwischen Speiseröhre und Magen eigentlich die aufsteigende Röhre vor einem Rückfluss der Säure schützen soll. Kann er das nicht, kommt es zu den Beschwerden.

Das Mittel der ersten Wahl

Bei vielen Patienten lasen sich die Beschwerden durch säurehemmende Medikamente, sogenannte Protonenpumpen-Inhibitoren, erfolgreich lindern. Diese Medikamente müssen sie dann lebenslänglich einnehmen. Für einige stellt das — vor allem in jungen Jahren keine Option dar. Andere bekommen selbst durch die medikamentöse Behandlung die Beschwerden nicht in den Griff.

"In diesen Fällen müssen wir über die Möglichkeiten einer Operation nachdenken", sagt Dr. Henning G. Schulz. Er ist Chef-Chirurg am Evangelischen Krankenhaus in Castrop-Rauxel und setzte dort vor rund zwei Jahren als erster Mediziner in ganz Deutschland einen Schrittmacher ein, der das Sodbrennen abschalten soll.

Insgesamt setzen mittlerweile zehn Zentren hierzulande die technische Neuentwicklung ein. Darunter auch das Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen. "Der Schrittmacher ist eine neue Therapiemöglichkeit, mit der man insbesondere bei Patienten gute Erfahrungen gemacht hat, die auf Säureblocker nicht ausreichend angesprochen haben", sagt der Chefarzt der Inneren Medizin, Prof. Joachim Labenz. Diese Erfahrung teilt der Chirurg aus Castrop-Rauxel: "Dennoch sollte man das System nicht als Allheilverfahren über allen Refluxkranken ausgießen, denn nicht alle Betroffenen eignen sich dafür.

Komplikation Zwerchfelldurchbruch

"80 Prozent aller von Sodbrennen betroffenen Menschen haben einen Zwerchfellbruch", sagt der Dr. Henning Schulz. Allerdings ist er oft so klein, dass der Reflux mit Säureblockern behoben werden kann. Kritisch wird es dann, wenn er hingegen eine Größe erreicht hat, die den kompletten Magen und nicht nur einen Teil des Schließmuskels der Speiseröhre durch das zwischen Brustkorb und Magen liegende Zwerchfell in den Brustkorb eintreten lässt.

In diesem Fall hilft den Betroffenen in der Regel nur ein operativer Eingriff, der den entstandenen Zwerchfellbruch behebt und den Magen wieder in den Bauchraum zurückbringt. Mit der Manschette, die am oberen Teil des Magens um den Schließmuskel der Speiseröhre genäht wird, wird erstens erreicht, dass der Magen nicht wieder hochwandern kann und zum zweitens, dass das Sodbrennen ein Ende hat.

Manschetten-Operationen und ihre Risiken

Nachteil dieses Verfahrens ist allerdings die Gefahr, dass die Manschette während des Eingriffs zu eng zugezogen wird. "Dann geht zwar nichts mehr hoch, aber eben auch nichts mehr runter. Die Patienten leiden dann unter ständigen Schluckstörungen", erklärt Dr. Schulz. In einigen Fällen kann es zudem dazu kommen, dass das Erbrechen nicht mehr möglich ist. In nicht wenigen Fällen muss die Manschette dann noch einmal nachoperiert werden, um die Störungen zu beseitigen.

Nebenwirkungsärmer scheint nach bisherigen Erfahrungen hingegen der Schrittmacher am Schließmuskel. Der kann minimalinvasiv bei einer Bauchspiegelung eingesetzt werden. Dazu werden zwei Elektroden in die Muskulatur der Speiseröhre eingestochen und mit einem Stimulator verbunden. Sie sorgen später durch festgelegte elektrische Impulse dafür, dass sich die Grundspannung im Schließmuskel erhöht und die Verschlusskraft steigt.

Wie elektrische Impulse den Muskel trainieren

"Der Hauptanteil der Operation findet außerhalb des Bauchraums in der Bauchdecke statt", sagt Dr. Schulz. Dort wird im Fettgewebe seitlich des Bauchnabels der Schrittmacher platziert. Auf diesen kann man — ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher — von außen eine Programmiereinheit auflegen, mit der man die Funktionsweise des Geräts festlegt. Derzeit werden die Geräte noch alle gleich mit einer Standardprogrammierung belegt. Dabei wird die Muskulatur alle zwei Stunden für eine halbe Stunde stimuliert. In der darauffolgenden Zeit bleibt der Druck über einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden erhalten. Lässt er nach, bekommt der Schließmuskel den nächsten elektrischen Impuls.

Rund 80 Prozent der für dieses Verfahren ausgewählten Patienten sind nach bisherigen Erfahrungen nach einem Jahr ohne Medikamente beschwerdefrei, berichtet Prof. Joachim Labenz. Dabei setzt die Wirkung des Implantats allerdings nicht immer sofort ein. Bei 30 Prozent der Operierten zeige sich die Wirkung erst nach einigen Wochen, manchmal sogar nach einigen Monaten, sagt Dr. Henning Schulz.

In zehn Jahren gehen die Batterien leer

In der Zukunft wird es wahrscheinlich denkbar sein, dass die Schrittmacher genauestens auf die Patientenbedürfnisse hin programmiert werden. "Es gibt zum Beispiel die sogenannten Night-Burner, die immer nur im Liegen Refluxbeschwerden bekommen", sagt der Castroper Chirurg. Bei ihnen könnte man nur nachts für eine Stimulation sorgen. Auch wird sich erst in einigen Jahren zeigen, wie die Langzeiterfolge sind.

"Noch wissen wir zum Beispiel nicht, ob man auf Dauer mit dem Schrittmacher den Muskel so trainiert, dass er später auch ohne Stimulation wieder voll seine eigene Kraft zurückerlangt", so der Mediziner. Zehn Jahre nach der Operation geht die Batterieleistung dem Ende entgegen.

Das Aggregat kann dann ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher durch ein neues Gerät ausgetauscht werden. Dann wird sich zeigen, ob der Verzicht auf einen Batteriewechsel bloß ein Traum bleibt, weil die Muskulatur ihren Dienst nach jahrelangem Training wieder selbst aufgenommen hat.

(wat)
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