Todesfall nach Therapie in Bracht Kann man Krebs wirklich aushungern?

Düsseldorf · In Bracht (Kreis Viersen) ist eine Frau nach einer alternativen Krebstherapie gestorben. Niederländische Medien berichten von zwei möglichen weiteren Fällen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall.

 Das alternative Heilzentrum in Brüggen-Bracht blieb am Montag vorläufig geschlossen.

Das alternative Heilzentrum in Brüggen-Bracht blieb am Montag vorläufig geschlossen.

Foto: Jungmann, G�nter

Die Staatsanwaltschaft Krefeld hat nach dem ungeklärten Tod einer 43-jährigen Niederländerin die Ermittlungen aufgenommen. Die Frau aus der Provinz Nordbrabant war am Samstag in einem Mönchengladbacher Krankenhaus gestorben. Zuvor hatte sie nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft über Kopfschmerzen geklagt. Später habe sie einen verwirrten Eindruck gemacht und sei nicht ansprechbar gewesen. Fünf Tage vor ihrem Tod soll die Brustkrebspatientin in einem ambulanten Krebszentrum im niederrheinischen Brüggen-Bracht (Kreis Viersen) unter anderem mit 3-Bromopyruvat (3BP) behandelt worden sein. Niederländische Medien berichten zudem über zwei weitere Todesfälle, die möglicherweise mit der Behandlung in Bracht zusammen hängen könnten. Hier sind die Hintergründe noch weitgehend unklar. Einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier.

3BP ist bislang nur wenigen Medizinern bekannt, entsprechend wenig Informationen gibt es über das Mittel. Es gilt jedoch als Wirkstoff, der den Energiestoffwechsel in den Tumorzellen hemmen soll. "Es ist ein Stoff, der sich im Augenblick in der experimentellen Grundlagenforschung befindet", sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg. "Hintergedanke ist, dass durch die Hemmung des Zuckerstoffwechsels, der Zelltod der Tumorzelle beschleunigt wird."

Zumindest ist sie nicht unbedenklich. "Wir haben weder in deutschen Studien noch in der internationalen Studienbank Hinweise darauf gefunden, dass 3BP bereits an Menschen getestet wurde", sagt Weg-Remers. "Eigentlich sollten solche ungeprüfte Stoffe nicht verabreicht werden, aber leider kommt es immer wieder vor, dass windige Geschäftemacher sie vorzeitig einsetzen und Heilung versprechen." Bislang seien vor allem Versuche in Petrischalen sowie an Mäusen, Ratten und Kaninchen unternommen worden. Gefährlich für den Menschen kann das Mittel sein, weil bislang nicht klar ist, wie es genau wirkt. "Man weiß nicht, ob das Mittel nur den Zuckerstoffwechsel von Tumorzellen angreift oder ob es auch für normale Körperzellen toxisch sein kann."

Ein Heilpraktiker hat eine andere Ausbildung als ein Arzt. Anstatt eines Medizinstudiums absolviert der Heilpraktiker eine Prüfung vor einem Amtsarzt. Danach darf er ebenso wie der klassische Mediziner Arzneimittel verordnen - allerdings keine verschreibungspflichtigen Medikamente und auch nicht solche, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Alternative Medizin dagegen darf der Heilpraktiker verabreichen. "Unter alternativen Heilmethoden versteht man Therapien, deren positive Wirkung in Studien nicht belegt werden konnte", sagt Weg-Remers.

Davon, dass der Krebs "ausgehungert" werden müsste, ist im Kontext alternativer Medizin immer wieder zu lesen. Aber ist dieser Therapieansatz sinnvoll?

"Auf den Stoffwechsel von Tumoren einzuwirken ist durchaus sinnvoll", sagt die Leiterin des Krebsinformationsdienstes. "Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem Stoffwechsel von Tumorzellen und dem normaler Zellen, nur gibt es bislang noch keine guten Ansätze dazu, wie man das für die Heilung nutzen könnte." Von Heilmethoden wie "Krebsdiäten" rät die Expertin deshalb auch ab: "Es ist eine recht naive Idee zu glauben, dass man den Krebs aushungert, wenn man kalorien- oder zuckerreduziert isst. So einfach funktioniert es leider nicht, weil der Körper versucht, den Blutzuckerspiegel auszugleichen und somit ist der Zuckerstoffwechsel aller Körperzellen betroffen."

Gerade bei Krebspatienten, die oft durch Bestrahlung und Chemotherapie geschwächt seien oder an Erbrechen und Übelkeit litten, könne eine solche "Krebsdiät" laut Weg-Remers ein fataler Irrtum sein.

(ham)
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