Unternehmenskonzepte zu Chronobiologie Warum Sie morgens schwer aus dem Bett kommen dürfen

Düsseldorf · Es gibt Menschen, die springen munter aus dem Bett, wenn der Wecker klingelt. Andere tun sich damit schwer. Der innere Schweinehund ist im Weg, die Kälte, der späte Abend. Warum das nicht nur normal, sondern gar richtig ist, und in welchen Firmen Festangestellte bereits arbeiten wie Selbstständige.

Unternehmenskonzepte zu Chronobiologie: Warum Sie morgens schwer aus dem Bett kommen dürfen
Foto: Shutterstock.com/ Smit

Ein fester Tagesrhythmus gehört zum Arbeitsalltag dazu. Mindestens fünf Tage der Woche sind dadurch zeitlich durchstrukturiert. Fest steht wann der Wecker klingelt, wann das Haus verlassen wird, die Kinder abgeholt werden und wann, zumindest meistens, abends das Essen auf den Tisch kommt. Das gibt auf der einen Seite Stabilität, bedeutet aber für viele auch tägliches Handeln gegen das eigene Bedürfnis.

Denn nicht jeder Bäcker ist auch Frühaufsteher, und nicht jeder Arzt kann ohne Probleme Nachtschichten schieben. Nicht jeder Schüler, der morgens kaum aus den Federn kommt ist ein Faulpelz und nicht jeder Freiberufler, der gerne in die Nacht hinein arbeitet ist Künstler. Tatsächlich sind es eben diese Vorlieben, die nicht durch Motivation oder Willen gesteuert werden, sondern durch die so genannte innere Uhr.

Gehört hat diesen Begriff zwar jeder schon irgendwie, nur auf sie hören, das tun die wenigsten. Stattdessen bestimmen äußere Regeln, was für den einzelnen gut ist. "Dabei ist die innere Uhr extrem wichtig für uns", erklärt Chronobiologin Professor Barbara Griefahn vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung. "Es gibt keine Funktion im Körper, die nicht letztlich nach diesem Rythmus läuft." Die innere Uhr steuert den Atem, den hormonellen Stoffwechsel und den Schlafrhythmus. "Im Gegensatz zum allgemeinen Glauben, hängt der nur wenig vom Sonnenauf- und -untergang ab, sondern vor allem von der inneren Uhr. Und die läuft bei manchen schneller und bei anderen langsamer", weiß Griefahn.

Ob die innere Uhr sozusagen schnell oder langsamer läuft ist, was die Menschen in ihrem Tagesrhythmus unterscheidet. Während sogenannte Lerchen morgens um 6 Uhr ohne Probleme aus dem Bett springen, und sich abends natürlicherweise früher schlafen legen, werden Eulen in den Nachtstunden erst richtig aktiv. Dafür fühlen sie in den frühen Morgenstunden besonders gerädert, und steigen am liebsten nicht vor neun oder zehn aus dem Bett.

Zwar wird dieser Effekt von der Sonne noch etwas reduziert, durch die Sonnenstrahlen angeregt produziert der Körper Wachmacher-Hormone wie Adrenalin und Cortisol am Tag, und in der Dunkelheit Schlafhormone wie Melatonin, aber ganz ausgleichen kann das den natürlichen Rhythmus der inneren Uhr nicht. Wie die innere Uhr tickt liegt in den Genen, ist somit angeboren und unveränderbar.

Die Folge sind deutliche Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit, bei einem falschen Tagesablauf. Amerikanische Studien haben gezeigt, dass Lerchen in der Schule wesentlich besser abschneiden, als Eulen, da sie erst nach Schulschluss in Höchstform geraten. Andere Studien zeigen, dass Menschen, die viele Jahre in Schichten arbeiten, ein größeres Risiko haben an Krebs zu erkranken, und zwar an solchen Formen, die durch die Hormone gesteuert werden (Brust- oder Prostatakrebs), da insbesondere der Hormonhaushalt durch die innere Uhr gesteuert wird. Schätzungen zufolge sind nur Eindrittel der Menschen Frühaufsteher, dem Rest geht es besser, wenn er etwas später aus den Federn darf.

Es ist also durchaus sinnvoll, den persönlichen Tagesrhythmus mit in die Berufswahl einzubeziehen. Doch ist das leichter gesagt als getan. Denn nur in wenigen Unternehmen ist angekommen, dass eine größere Flexibilität für die Mitarbeiter auch mehr Effektivität und Leistung in der Ausübung des Berufes bedeutet. Gang und gäbe ist vielmehr, dass Arbeitszeit mit Arbeitsleistung gleichgesetzt wird.

Zwei, die schon seit Jahren gegen diese Idee Arbeiten sind die Coaches und Autorinnen Cali Ressler und Jody Thompson. Sie haben das ROWE-Konzept also "Results only work environment" entwickelt. Zu deutsch heißt das: Es soll eine Arbeitsumgebung gepflegt werden, in der nur das Ergebnis zählt. Ihre Ansatz: "Wir haben gelernt, dass Fleiß in Stunden gemessen wird, Effizienz in Anwesenheit und Einsatzbereitschaft anhand der Menge von Privatleben, die wir bereit sind, unserem Job zu opfern", so die Autorinnen. Und genau das sei falsch. Die Freiheit Arbeitsabläufe selbst gestalten zu können, soll laut Ressler und Thompson, die Effektivität nicht belasten, sondern sogar die Leistung steigern und auch die persönliche Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen. Ermöglicht würde das durch die moderne Technik mit Smartphones, Cloud-Anwendungen und Internet-Video-Telefonie, die eine völlig neue Flexibilität ohne Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bedeutet. Zudem würden Aspekte wie die Öffnungszeiten der Kita oder die innere Uhr bei einem flexiblen Arbeitstag nicht mehr hinderlich wirken. Wer seine Hochphase nachts hat, kann das ebenso einplanen, wie Frühaufsteher, die vielleicht sogar am liebsten schon um 5 Uhr morgens am Computer sitzen würden. Zudem fällt die An- und Abfahrt zum Arbeitsplatz weg. Ein Aspekt, der nicht nur Zeit, sondern auch Geld spart und nebenbei auch CO2.

Ein Unternehmen, dass der Idee des "mobilen Mitarbeiters" längst offen gegenüber steht ist Microsoft. Bereits 1998 hatte der Konzern feste Arbeitszeiten abgeschafft, nun endet auch die Büropflicht. Zukünftig können die Mitarbeiter selbst entscheiden wo und wie sie arbeiten wollen. "Anwesenheit sagt nichts über die Qualität der Leistung von Mitarbeitern aus, sondern liefert häufig sogar ein falsches Bild", sagt Microsoft-Personalchefin Elke Frank der Bild Zeitung.

Easy Economy heißt der Ansatz, bei dem sich die festangestellte Mitarbeiter verhalten können, als wären sie Freiberufler. Der Autor Markus Albers sie nennt sie "Freiangestellte". Andere Unternehmen in denen viele Schreibtische oft tagelang leer bleiben sind SAP oder auch Deloitte.

Natürlich kommt die größere Freiheit aber wie immer auch mit einem mehr an Verantwortung. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort "Selbstständige sind selbst, und zwar immer". Wer sich Arbeitszeit- und -pensum vollkommen frei einrichten kann, der läuft auch Gefahr, ähnlich wie viele Selbstständige nicht mehr richtig abschalten zu können. Ist die Arbeit zufriedenstellend, ist das zwar sogenannter Eustress. Also Stress, der beflügelt, anregt, inspiriert. Wer aber das Gefühl hat, nun ständig schuften zu müssen und niemals abschalten zu dürfen, der rutscht noch schneller und vor allem unbemerkter als im Büro in einen Teufelskreis aus Übermüdung und selbstauferlegter Zwangsarbeit. An dessen Ende dann auch der Burnout stehen kann.

(ham)
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