Schlafforschung Warum wir in fremden Betten so schlecht schlafen

Düsseldorf · Viele Urlauber und Geschäftsreisende wissen das. Eine Nacht im fremden Bett ist oft wenig erholsam. Was raubt uns da den Schlaf und was können wir dagegen tun?

Zehn Regeln für bessere Schlafhygiene
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Foto: dpa, Hans Wiedl

Die Vorfreude auf den Urlaub war riesig. Jetzt sind Sie da, haben einen ersten aufregenden Tag im Urlaubsdomizil verbracht und betten sich abends gepflegt zur Ruhe. Doch statt entspannt zu träumen, liegen Sie wach. Aus irgendeinem Grund schlafen viele an fremden Orten schlecht ein. Schlafforscher Ingo Fietze kennt das Problem. "Wir unterscheiden etwa drei gleichgroße Gruppen von Schläfern", sagt er.

  • Ein Drittel zählt zu den "begnadeten" Schläfern. Sie schlafen wo immer sie möchten gut ein.
  • Ein weiteres geschätztes Drittel bekommt in der ersten Nacht im fremden Bett kaum ein Auge zu. Ab der zweiten Nacht ist der Effekt jedoch meist vorüber und man findet wieder in den normalen Schlaf.
  • Anders ist es bei der dritten Gruppe: Es ist der Teil der ständig schlecht Schlafenden. Sie gelten als schlafgestört. Verrückt ist: "Sie können meist in der ersten Nacht am fremden Ort etwas besser schlafen, danach aber nicht mehr", sagt der Schlafexperte der Berliner Charité. Eine Erklärung für diesen sogenannten Paradoxeffekt gibt es nicht.

Wohl aber haben die Schlafforscher verschiedene Erklärungen für den grundsätzlich schlechten Schlaf am fremden Ort:

  1. Hab-Acht-Stellung des Gehirns
  2. Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass die erste Nacht im fremden Bett oft zur Tortur wird, weil in fremder Umgebung eine Hirnhälfte aktiv bleibt. Diesen Effekt kannte man bis dato nur aus dem Tierreich. Auch bei Vögeln und Delfinen bleibt eine Gehirnhälfte wach, während die andere schläft. Auf diese Weise schützen sich die Tiere vor Gefahren. Dieser sogenannte Hemisphärenschlaf könnte auch beim Menschen eine Art evolutionär gegebener Schutzmechanismus sein. Eine ungewohnte Umgebung versetzt uns demnach in eine Hab-Acht-Stellung. Darum werde man durch ungewohnte Reize wach, sagen die Forscher.
  3. Tipp: Halten Sie durch! In der nächsten Nacht schon wird der Spuk vermutlich vorüber sein. Dann nämlich schaltet das Hirn auf Gewohnheit um.
  4. Fremde Geräuschkulisse
  5. Ob ein eigenes Ferienhäuschen oder ein paar Nächte im Hotel — ist die Umgebung fremd, reagieren wir selbst im Schlaf empfindlich auf Geräusche, die wir nicht kennen. Das kann die belebte Straße vor der Tür sein, die Poolparty nebenan, Lichtschaltergeräusche auf dem Hotelflur oder auch der Aufzug. Besonders sensible Schläfer haben darunter zu leiden. "70 Prozent von ihnen wachen im Traumschlaf dadurch auf", sagt Fietze. Wer also zu Hause schon schlecht schläft, der schläft im Hotel meist noch schlechter.
  6. Tipp: Nicht immer hat man Einfluss auf die Zimmerwahl und kann sich so den Aufzug und den gut besuchten Hotelpool vom Hals halten. In dem Fall hilft nur eins: Nehmen sie Ohrstöpsel mit. Wer es ganz perfekt mag, kann sie sich beim Hörgeräteakustiker passgenau auf seine Ohren anfertigen lassen. Kostenpunkt: rund 40 Euro pro Ohr.
  7. Ungewohnter Bettnachbar
  8. Spätestens wenn das Schnarchkonzert beginnt oder der Zimmerpartner sich unruhig im Bett wälzt oder im Schlaf spricht, wird es für sensible Schläfer so massiv, dass der eigene Schlaf leidet.
  9. Tipp: Wer nicht in ein Einzelzimmer investieren möchte, der sollte auch in diesem Fall unbedingt an Ohrstöpsel denken.
  10. Unbequeme Schlafunterlage
  11. Zu hart, zu weich, zu schmal, zu kurz — in anderen Betten zeigt sich, dass nicht nur die Prinzessin auf der Erbse ein Problem mit ihrer Matratze hatte. Die Wahl der eignen Matratze hängt von der individuellen Vorlieben, der Körpergröße und dem eigenen Gewicht ab. Wer unterwegs ist, trifft jedoch auf das Prinzip Einheitsmatratze.
  12. Tipp: Unterschiedliche Matratzenauflagen, sogenannte Topper, in dick oder dünn oder aus verschiedenen Materialien ersetzen zwar keine gute Matratze, aber sie gleichen zumindest eine zu harte Matratze ein wenig aus. "Kann man keinen Topper mitnehmen, hilft manchmal auch ein zusätzliches Federbett, das man unter sich legt", sagt Fietze.
  13. Temperatur stimmt nicht
  14. Die beste Umgebungstemperatur für einen erholsamen Schlaf liegt bei 17 bis 22 Grad. Besonders in Hotelzimmern kann jedoch die Temperatureinstellung zum Problem werden: schlecht regulierbare Heizungen, nicht zu öffnende Fenster oder eine Klimaanlage sorgen für alles andere als eine Wohlfühlatmosphäre. Da bleibt nichts anderes als experimentieren, wie es am besten auszuhalten ist.
  15. Licht — zu hell, zu grell, zu dunkel
  16. Absolut lichtundurchlässige Vorhänge, Rollos, Rollläden oder gar keine Fensterverdunkelung: Auch die Lichtverhältnisse sind ein entscheidender Faktor für einen erholsamen Schlaf. Ein stockfinsteres Zimmer wirkt auf manchen irritierend. Doch ohne Verdunkelungsmöglichkeit wird man leicht zum Opfer blinkender Reklametafeln oder greller Außenbeleuchtung.
  17. Tipp: Mit einer Schlafbrille mag man vielleicht nicht den Schönheitspreis gewinnen, aber vielleicht seine wohlverdiente Nachtruhe finden.
  18. Unregelmäßige Schlafzeiten
  19. Wer ein Jahr lang schlecht geschlafen hat und sich nun auf den Urlaub freut, um den verlorenen Schlaf nachzuholen, der wird enttäuscht werden. "In der ersten bis zur dritten Nacht wird er eventuell länger schlafen können", sagt Fietze. Danach jedoch wird man wieder zur gewohnten Zeit wach. Versuchen Sie, möglichst immer in etwa zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und immer in etwa gleich lang zu schlafen.
  20. Tipp: Besonders schlechte Schläfer sollten auf einen regelmäßigen Schlafrhythmus achten, der von Tag zu Tag weder in der Bettgehzeit noch in der Schlafdauer entscheidend abweicht.

Grundsätzlich gilt laut Schlafforscher Ingo Fietze: "Sich gut auf seine Reise vorzubereiten heißt nicht nur, die Sonnenbrille und Sonnencreme mitzunehmen." Schlechte Schläfer sollten unbedingt an Utensilien wie Ohrstöpsel, Kuschelsocken oder ein eigenes Kissen denken. Wer zu Hause ein Schlafmedikament einnimmt, sollte nicht ausgerechnet im Urlaub versuchen, ohne es auszukommen.

(wat)
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