Von-Willebrand-Syndrom Wenn es blutet, blutet, blutet

Düsseldorf · Wenn Dagmar Stüdemann sich schneidet, blutet sie. Ein Problem, was für die meisten Menschen mit einem Pflaster behoben ist, kann für die 67-Jährige manchmal lebensbedrohlich werden. Die Düsseldorferin leidet unter dem Von-Willebrand-Syndrom. Die Gerinnung ihres Blutes ist gestört.

Bei Von-Willebrand-Patienten ist die Blutgerinnung gestört. Bei der genetisch vererbbaren Krankheit funktioniert ein Protein nicht richtig. Dieser sogenannte Von-Willebrand-Faktor sorgt bei gesunden Menschen eigentlich dafür, dass sich in der frühen Phase der Blutstillung Blutplättchen an verletzte Stellen der Gefäße anheften und so Wunde verschließen. Ist das Protein gestört, läuft der Heilprozess deshalb bei Betroffenen extrem langsam ab.

Anders als bei der bekannteren Bluterkrankheit Hämophilie können allerdings sowohl Männer als auch Frauen vom Von-Willebrand-Syndrom betroffen sein. "Erst wirkt der Schnitt harmlos, aber dann blutet es und blutet es", erzählt Dagmar Stüdemann. "Selbst wenn sich die Verletzung irgendwann schließt, blute ich unter der Haut weiter. Dann hat sich zwar eine dünne Haut auf der Wunde gebildet, aber fast immer platzt die nach mehr als zehn Tagen wieder auf. Der Heilungsprozess dauert länger, als in normalen Fällen."

Die 67-Jährige hat einen langen Leidensweg hinter sich. So wie bei vielen Älteren der etwa 800.000 Deutschen, die am Von-Willebrand-Syndrom leiden, wurde die Krankheit bei ihr erst spät erkannt. Bei einer Mandeloperation in Ihrer Jugend, sowie bei späteren diversen schweren Operationen, kam es sogar zu lebensbedrohlichen Komplikationen.

Dramatische Spätfolgen

Heute leidet sie vor allem unter den Spätfolgen der Krankheit, da sie erst spät richtig behandelt wurde. Einblutungen in Gelenke und Muskeln sowie Probleme mit Knochen kommen bei Betroffenen häufig vor und haben schwere Operationen zur Folge. Besonders dramatisch: In den 70er Jahren wurden viele Patienten -wenn es notwenig war - mit Blutkonserven behandelt, die mit HI-Viren belastet waren. Diese Menschen, denen eigentlich geholfen werden sollte, mussten plötzlich zusätzlich mit der lebensbedrohlichen Aids-Erkrankung klarkommen. Bis heute kämpfen diese Personen — soweit sie überlebt haben — um Anerkennung durch die Behörden. Auch Dagmar Stüdemann hatte in diesen Jahren Blutübertragungen erhalten, die aber glücklicherweise kein HIV ausgelöst haben.

Menschen, die am Von-Willebrand-Syndrom leiden, zeigen eindeutige Symptome. Die Schleimhäute der Betroffenen bluten fast permanent — Nasen-, sowie Zahnfleischbluten und deutlich verlängerte Menstruationszyklen bei Frauen sind Anzeichen der Krankheit. Für Komplikationen sorgen oft auch Blutungen des Magens, des Darms oder bei Zahnbehandlungen.

Dagmar Stüdemann hat sich nach ihrer Diagnose vor etwa 20 Jahren mit der Krankheit arrangiert — so gut es eben ging. "Jede Operation, egal wie klein der Eingriff ist, ist für mich ein absolutes Risiko", berichtet die 67-Jährige. Verletzt sie sich, oder steht doch einmal eine der vielen OPs an, muss sie Medikamente einnehmen, die den Körper bei der Blutgerinnung unterstützen.

Ärzte wissen oft wenig über Krankheit

Einen langen Leidensweg will Dagmer Stüdemann anderen Betroffenen ersparen. Die Düsseldorferin ist Ansprechpartner zum Thema "Von Willebrand-Syndrom" bei der Deutschen Hämophilie Gesellschaft (DHG). Dort setzt sie sich vor allem dafür ein, dass die Krankheit bekannter wird. Selbst viele Ärzte haben ihrer Meinung nach große Wissenslücken. "Ich habe es schon oft erlebt, dass Ärzte die Einstellung hatten, dass ein Patient nicht mehr als ein Mediziner wissen kann", berichtet die 67-Jährige. Viele Ärzte hätten zwar schon einmal von der Krankheit gehört, wissen aber nichts genaueres darüber. Betroffene haben deshalb oft eine lange Ärzte-Odyssee hinter sich, bis endlich die richtige Diagnose gestellt wird.

"Vor allem wenn Kinder falsch behandelt werden, ist das sehr dramatisch. Da werden Eltern schnell mit den Worten 'Kinder haben halt mal Nasenbluten' abgewimmelt", so Stüdemann. Dabei könne eine eindeutige Diagnose nicht nur den betroffenen Kindern, sondern auch den Eltern helfen. Da die Krankheit genetisch vererbbar ist, kennen viele Familien schon länger die Symptomatik des starken Blutens, haben aber keine Erklärung dafür oder halten das sogar für normal.

Dagmar Stüdemann fordert deswegen, dass Informationsmaterial bei Gynäkologen, Internisten, Kinderärzten und Zahnärzten ausgelegt wird: "Ich habe in jungen Jahren eine lange Odyssee mitmachen müssen, das müsste heute eigentlich nicht mehr sein."

(anch)
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