Neues Verfahren bei Knorpelschäden Wie das Knie mit Nasenzellen geheilt wird

Basel · Ob beim Sport oder altersbedingt: Nimmt der Knorpel im Knie Schaden, sieht es düster aus. Denn die perfekte Lösung gibt es bislang nicht, um solche Verletzungen optimal zu beheben. Hoffnung auf neue Therapieoptionen macht eine Studie aus der Schweiz. Dort ersetzten Forscher die Knorpelschicht im Knie durch Zellen aus der Nase. Wir erklären Ihnen wie.

 Knorpelschäden können derzeit nur mit komplizierten Operationen geheilt werden.

Knorpelschäden können derzeit nur mit komplizierten Operationen geheilt werden.

Foto: Shutterstock/Alex Mit

Knorpelschäden am Knie gehört zu den häufigsten orthopädischen Krankheitsbildern. Rund zehn Millionen Menschen in Deutschland macht dauerhafte Schmerzen im Kniegelenk das Leben schwer. Bei etwa 2,5 Millionen von ihnen rührt der zermürbende Schmerz von Schäden am Knieknorpel her.

Oft sind sie eine Folge des altersbedingten Verschleißes, denn das Kniegelenk ist nicht nur das größte Gelenk, sondern auch das am meisten beanspruchte. Ohne schützende Knorpelschicht zwischen den Gelenken wird jede Bewegung zum Martyrium. Knirschend reiben dann deren Köpfe aufeinander und erzeugen je nach Stadium Schmerzen, die die Betroffenen in Unbeweglichkeit erstarren lassen.

Auslöser für solche Knieschäden können Überlastungen sein, wie sie zum Beispiel durch Übergewicht auftreten. Auch Fehlbelastungen, die beispielsweise Sportverletzungen wie ein Außen- oder Innenbandabriss mit sich bringen, sind ebenfalls häufig ein Grund für den schmerzhaften Verschleiß.

Warum Knorpelverletzungen so tückisch sind

Das Tückische an Knorpelverletzungen: Häufig bemerken die Betroffenen sie gar nicht. Irgendwann aber kommt es zu einem leichten Druckgefühl im Knie, dann schmerzen bestimmte Bewegungen. Erst mit der Zeit werden die Probleme bei einem nicht unfallbedingten Knorpelschaden so groß, dass es den Patienten nicht mehr möglich ist, längere Strecken zurückzulegen. Unbehandelt kann es zu Verformungen des Gelenks kommen.

Diese Schäden sind nur schwer therapierbar. Hoffnung bringt ein ungewöhnliches Verfahren, das derzeit in der Schweiz erprobt wird. Bei ihm werden Knorpelzellen aus der Nasenscheidewand genutzt, um den abgenutzten Knorpel am Knie zu reparieren. Dabei nutzen die Forscher besondere Fähigkeiten, die die Knorpelzellen der Nase haben: Sie können sich selbst regenerieren und passen sich an die Umgebung des Kniegelenks an.

Wie Nasenzellen ins Knie kommen

Im Universitätsspital Basel entnahmen Forscher für eine laufende Studie bei sieben unter 55-jährigen Patienten aus der Nasenscheidewand sechs Millimeter Gewebe, isolierten daraus die Knorpelzellen und vermehrten die Zellen auf ein Vielfaches der ursprünglichen Zahl. Danach brachten sie die Kultur auf ein Gerüst auf und züchteten ein Knorpelstück von drei mal vier Zentimetern Größe. In einer Operation entfernten die Mediziner dann das beschädigte Knorpelgewebe aus dem Knie der Patienten und ersetzten es durch die aus der Nase gezüchtete Knorpelmasse. Erfahrung damit brachten die Ärzte durch ein ähnliche Verfahren mit, bei dem sie jüngst in der plastischen Chirurgie einen von Tumoren befallenen Nasenflügel auf diese Art und Weise ersetzten.

Auf die Spur zu dieser neuen Therapieoption kamen die Wissenschaftler, als sie im Tierversuch beobachteten, dass bei Ziegen implantierte Knorpelzellen der Nase mit der Gewebeumgebung am Kniegelenk kompatibel waren. Sie führen das auf sogenannte Hox-Gene zurück, die durch Mutation herbeiführen, dass Zellen andere Aufgaben übernehmen können. Schon 1894 entdeckte der Biologe Gregory Bateson den Mechanismus bei Fruchtfliegen, die als Ersatz für fehlende Fühler Beine zu solchen umbildeten.

Schwierige Therapieoptionen

Knorpelschäden am Knie können derzeit nur sehr schwer geheilt werden und erfordern oft komplizierte Operationen und langwierige Rehabilitationsmaßnahmen. Weil die Therapieoptionen für den Patienten meist mit zahlreichen Eingriffen verbunden und zudem recht kostspielig sind, wird sehr genau abgewogen, welches Verfahren wann zum Einsatz kommt.

Das Transplantieren eigener Knorpelmasse ist bereits jetzt auf andere Art und Weise möglich, kommt jedoch nur bei jungen Patienten zum Tragen. Denn es führt zwar zu meist guten Ergebnissen, gehört jedoch zu den teuersten Therapieoptionen. Notwendig sind dazu zwei Operationen. Beim ersten Eingriff entnehmen Ärzte am Knie körpereigenes Knorpelmaterial. Dieses wird anschließend im Labor auf eine größere Masse angezüchtet und bei einem zweiten Eingriff an der Stelle eingesetzt, an der sie benötigt wird.

Im anderen Fall können Schäden an der Knorpelmasse auch durch künstliche Substanzen ausgeglichen werden. Möglich ist außerdem die sogenannte Abrasionsarthroskopie, bei der der Knochen unterhalb des beschädigten Knorpels angebohrt wird. Durch die künstlich herbeigeführte Verletzung des Knochens läuft eine geringe Blutmenge aus, die Stammzellen enthält, die in die schadhafte Knorpelmasse einströmen. Dort bildet sich mit der Zeit ein knorpelähnliches, faseriges Material.

Nach ihrer bahnbrechenden Entdeckung hoffen die Schweizer Mediziner, mit der Implantation von Nasengewebe nun ein Verfahren gefunden zu haben, von dem auch ältere Menschen profitieren. Denn die Fähigkeit der menschlichen Nasenknorpelzellen zu wachsen und neuen Knorpel zu bilden, ist kaum altersabhängig.

Lesen Sie hier, welche Therapieoptionen es bei Knorpelschäden am Knie gibt.

(wat)
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