Entzündliche Prozesse und allergische Reaktionen Wann Zahnimplantate zum Gesundheitsrisiko werden

Mönchengladbach/Düsseldorf · Es ist immer ein Schock, wenn ein Zahn gezogen werden muss, denn es ist unangenehm und sieht am Ende unschön aus. Die Lücke ließe sich durch ein Implantat schließen, doch gibt es Fälle, in denen das zum Problem werden kann. Lesen Sie hier, wann Implantate ein Risiko sind.

Wann Zahnimplantate zum Gesundheitsrisiko werden
Foto: shutterstock/ Vladru

Was in den 50er Jahren noch vollkommenes Neuland war, ist seit den 80er Jahren als Therapie wissenschaftlich anerkannt und heute häufige Routine. Jeder 20. Zahnersatz ist ein Implantat. Da, wo eigene Zähne verloren gehen, kann dem Patienten so dauerhaft geholfen werden. Denn die künstlichen Zähne mit Titanwurzel, wirken natürlich, sind sehr haltbar und sind immer einsatzbereit da, wo wir sie brauchen: im Mund.

Grundsätzlich ist der Trend, sich für Implantate zu entscheiden, darum ungebrochen. Eine Million Zahnimplantate werden jedes Jahr allein in Deutschland gesetzt. "Je nach Indikation und Position liegen die Erfolgsraten nach fünf Jahren über 90 Prozent", sagt Kieferchirurg Dr. Wolfram Knöpfler aus Leipzig. Bei modernen Systemen ist nach seinen Untersuchungen selbst nach 20 Jahren bei 90 Prozent der Patienten noch alles in Ordnung.

Krankheiten, bei denen Implantate problematisch sind

Dennoch kann nicht jeder aber auf diesen Zahnersatz zurückgreifen. Als Problempatienten gelten zum Beispiel schlecht eingestellte Diabetikern, Rheumatiker, Osteoporosepatienten oder Menschen mit Immunschwächen, einer Blutgerinnungsstörung oder nach einem Herzinfarkt, sagt die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie. Bei ihnen wächst die künstliche Wurzel oft nicht richtig ein.

Raucher haben häufig ebenfalls nicht lange Freude am neuen Biss. Schon der gelegentliche Griff zum Glimmstängel schafft nicht nur einen Risikofaktor für Lunge, Herz und Blutgefäße, sondern auch für Zähne, Zahnfleisch und Kieferknochen, so die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI).

Raucher extrem viele Implantate

Bei Rauchern verläuft die Wundheilung im Mund schlechter, denn durch das Nikotin verengen sich die Blutgefäße, wodurch die Versorgung des Zahnfleischs schlechter ist. Das kann sich negativ auf das Einheilen der künstlichen Titan-Wurzel auswirken. Die Folgen sind mit Blick auf ein teuer erkauftes, neues Lächeln hart: Zehn Prozent der Implantate gehen nach schmerzhafter und langwieriger Behandlung wieder verloren. Forscher der Universität Manchester haben sogar herausgefunden, dass Raucher innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Besuch beim Zahnarzt doppelt so viele implantierte Zähne verlieren wie Nichtraucher.

Als Implantat-Experte einer Gemeinschaftspraxis in Mönchengladbach empfiehlt Dr. Oliver Welle seinen Patienten dringlich mit dem Rauchen aufzuhören oder es zu reduzieren. Seiner Erfahrung nach, lässt sich dann durch eine regelmäßige professionelle Zahnreinigungen und eine Kontrolle im Vierteljahr die Langzeitprognose auch für Patienten mit Risikobelastung drastisch verbessern.

Dennoch kann es passieren, dass sich das Gewebe rund um die künstliche Wurzel herum entzündet und zu einer sogenannten Periimplantitis führt. Im schlimmsten Falle öffnet sich der entzündete Kiefer und gibt die Sicht auf das Metallimplantat frei. Das ist nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern auch ästhetisch ein Problem. Zu solch einem Zwischenfall kann es allerdings auch bei schlechter Mundhygiene oder Parodontose kommen. Kritisch wird es dann nicht nur für den künstlichen Zahn, sondern auch für Kieferknochen und Zahnfleisch, die sich durch die Entzündung unumkehrbar zurückbilden.

Entzündliche Reaktionen auf Titan

Ein weiteres Übel liegt in der künstlichen Wurzel. Die nämlich ist im Regelfall aus Titan. Als optimal erweist sich dieses Material, da es unglaublich stabil ist. Einige Menschen können das Metall jedoch nicht vertragen, wie Zahnärztin Elisabeth Jacobi-Gresser in einer umweltmedizinische Pilotstudie 2011 zeigte. Denn kaum in den Kiefer eingebracht, beginnt das Titan zu oxidieren und kleinste Teilchen ins Gewebe abzugeben. Das Immunsystem spürt diese nicht körpereigenen Teilchen auf und bekämpft sie wie eindringende Krankheitserreger. Was im einen Fall erwünscht ist, möchte nach einer Implantation jedoch niemand erleben: Das Gewebe um die künstliche Zahnwurzel entzündet sich schmerzhaft. Der Körper rebelliert gegen das Metall. Alternativen liegen hier in alternativen Materialien wie zum Beispiel zirkonbeschichteten Kunstwurzeln. Die DGI hat ebenfalls die individuelle Reaktion von Patienten auf Titan ins Auge genommen. Ein Team von Implantologen und Allergologen forscht darum derzeit daran, um eine sichere Therapiebasis zu schaffen.

Darauf sollten Patienten Wert legen

Auf die Gesamtzahl der jährlichen Kunsteinpflanzungen hin gesehen, haben jedoch die meisten behandelten Patienten — eine gute Mundhygiene vorausgesetzt — beste Chancen, ein Leben fernab von Teilprothesen und Unsicherheiten beim Kauen zu erleben. Beste Voraussetzungen für solch eine Langlebigkeit schaffen die Patienten selbst, wenn sie sich in Geduld üben. Denn in der Regel ist es nicht sinnvoll, gleich nach der Zahnentfernung schon ein Implantat zu setzen. Stattdessen empfehlen Zahnmediziner in der Regel, zwei bis drei Monate nach der Entfernung des eigenen Zahns mitsamt seiner Wurzel abzuwarten. So kann die Wundstelle in Mund und Kiefer tief abheilen, bevor man den künstlichen Ersatz einbringt.

Bei über 400 verschiedenen Implantat-Systemen am Markt, rät der Implantations-Experte Oliver Welle: "Lassen Sie sich einen Implantatpass aushändigen. Darin ist genau vermerkt, welches Implantat gewählt wurde, welcher Charge es entnommen wurde oder wie hoch und breit es ist". So sind die Patienten selbst dann auf der sicheren Seite, wenn es Probleme mit dem Kunstzahn gibt.

(wat)
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