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Nebenwirkung der Schweinegrippe-Impfung Was Sie über Narkolepsie wissen müssen

Düsseldorf · Nach der Schweinegrippe-Impfung gab es seit 2010 in Deutschland 53 Verdachtsfälle der seltenen und unheilbaren Schlafkrankheit Narkolepsie. Jetzt lernt man zu begreifen, wie die Krankheit damals wirklich entstand.

Die häufigsten Fragen zur Schweinegrippe-Impfung
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Foto: AP

Impfschäden sind sehr selten, doch nie lässt sich vermeiden, dass sie im Einzelfall die bittere Folge einer ansonsten segensreich-wirksamen Infektionsvorbeugung darstellen. Binnen Stundenfrist formieren sich dann Impfgegner, die sich ohnedies in fortwährender Alarmbereitschaft befinden, zu mobilen Einsatzkommandos. Das Internet ist seit drei Tagen gut gefüllt, seit unsere Zeitung darüber berichtete, dass es in Deutschland in Folge der Schweinegrippe-Impfung mit Pandemrix nach der Pandemie 2009 in Deutschland 53 Verdachtsfälle auf die unheilbare Narkolepsie (Schlafkrankheit) gebe. Unter den Betroffenen seien 27 Kinder und Jugendliche gewesen, wie es jetzt in einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken hieß.

Eine Häufung von Narkolepsie-Fällen seit 2010 haben Epidemiologen schon früh ermittelt. Eine eindeutige und kausal befriedigende Erklärung hat jedoch noch kein Forscher gegeben, weswegen man mit der Formulierung, hier handele sich um einen eindeutigen Impfschaden, überaus vorsichtig sein muss. Die Materie ist außerordentlich diffizil. In Wahrheit handelt es sich vielmehr um eine ungewöhnliche genetische Zwillingssituation.

Narkoleptiker werden tagsüber überallartig müde und fallen, fast wie vom Blitz getroffen, in den Tiefschlaf. Zudem können sie wie aus heiterem Himmel ihre Muskelspannung verlieren, können stürzen oder in der Badewanne ertrinken. Doch ohnmächtig sind sie keineswegs, sondern im Gegenteil völlig orientiert; die Atem- und Schluckmuskulatur ist nie betroffen. Wie genau das aussehen kann, zeigt und erzählt eine Betroffene hier im YouTube-Video.

Damit zählt Narkolepsie zur Gruppe der Schlafsüchten (Hypersomnien). Oft wird sie nicht diagnostiziert: Erstens ist die Krankheit sehr selten, zweitens wird sie häufig, da sie immer tagsüber auftritt, mit Simulantentum oder Faulheit assoziiert, oder ihre Symptome werden anderen Krankheiten zugeschrieben. Bis ein Arzt die sichere Diagnose stellt, vergehen zum Teil mehrere Jahre; die Dunkelziffer der Fälle, die noch nicht erkannt, geschweige denn korrekt behandelt werden, dürfte hoch sein.

Man weiß, dass Narkolepsie eine sogenannte Immunstörung ist, die vor allem Menschen trifft, die das Gen mit dem komplizierten Namen HLA DQB1*0602 in sich tragen. In ihrem Gehirn funktioniert eine bestimmte Andockstelle - ein Rezeptor - eines Virus-Proteins nicht. Dieses Protein, ein Botenstoff, heißt Orexin; es ist für die Mischung von Wachheit und Müdigkeit verantwortlich. Verantwortlich für diese Regulation ist eine Zone im sogenannten Hypothalamus des Gehirns mit rund 70 000 Neuronen. Fällt jener Rezeptor aus, werden die Menschen auf Dauer schlafkrank: narkoleptisch.

Dieses Virus-Protein ist unerwartet aber auch mit dem H1N1-Virus und fatalerweise auch mit dem Impfstoff Pandemrix verwandt; in seiner molekulargenetischen Struktur gleichen sie partiell jener Andockstelle von Orexin. Bekam ein Impfling das Virus in angeblich entschärfter Impfdosis gespritzt, bildeten sich Antikörper, die gegen den Impfstoff vorgingen - und zugleich Orexin unterdrückten.

Die Behauptung, dass ein Wirkstoffverstärker schuld an der Häufung von Narkolepsie-Fällen sei, ist ebenfalls unbewiesen. Sicher ist zwar, dass es in den USA, in denen Pandemrix des Herstellers GlaxoSmithKline ohne den Impfverstärker AS03 verwendet wurde, nur sehr wenige neue Narkolepsie-Fälle gab, anders als in Europa, am stärksten in Skandinavien. Allerdings traten auch viele neue Fälle der Schlafkrankheit in China auf, und zwar vor allem bei Menschen, die gar nicht geimpft waren. Vermutlich hat die Ähnlichkeit von Schweinegrippe-Virus, Impfstoff und jenem Gendefekt, der Narkolepsie auslöst, eine folgenreiche immunologische Kettenreaktion ausgelöst. Was lernen wir? Dass es lebenswichtig ist, dass aus Impfstoffen alle Bestandteile entfernt werden, die vom Immunsystem mit körpereigenen Strukturen verwechselt werden können.

Narkolepsie gehört in die Obhut eines erfahrenen Neurologen oder Schlafmediziners. Die Krankheit ist derzeit unheilbar, aber nicht tödlich. Kaum ein Patient kommt ohne Medikamente aus, die der gestörten Schlaf-Wach-Regulation gegensteuern. Ein Wirkstoff ist beispielsweise Methylphenidat, das unter dem Handelsnamen Ritalin bei der Behandlung von ADHS bekannt geworden ist. Als effektiver gilt Modafinil, das als Wachmacher bei Narkolepsie gute Dienste tut; im Bereich des Gehirndopings erfreut es sich bei zwanghaft lern- und leistungswilligen Studenten indes fragwürdiger Beliebtheit.

Ebenso wichtig ist eine psychologische Betreuung, weil die Patienten unter ihrer Krankheit immens leiden - nicht zuletzt unter dem unqualifizierten Gespöttel der Umwelt, für die Narkolepsie ein Fremdwort und Schlafsucht am helllichten Tag ein Synonym für Trägheit ist. Für Narkoleptiker - dies als Ansporn an mitfühlende und erfinderische Chefs - sollten jedenfalls Arbeitsplätze gefunden werden, in denen eine Schlafpause möglich ist und nicht als Faulpelzerei abqualifiziert wird.

(w.g.)
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