Studie Daran erkranken die meisten Europäer

Brüssel · Lebenserwartung, Gesundheitsrisiken, vermeidbare Krankheiten - die OECD und die EU-Kommission haben den Europäern gemeinsam den Puls gefühlt. Die Ergebnisse sind eindeutig: die meisten Krankheiten wären vermeidbar.

Lebenserwartung, Gesundheitsrisiken, vermeidbare Krankheiten - die OECD und die EU-Kommission haben den Europäern gemeinsam den Puls gefühlt. Die Ergebnisse sind eindeutig: die meisten Krankheiten wären vermeidbar.

Die Europäer werden im Durchschnitt immer älter und können nun fast überall in der EU darauf hoffen, zumindest noch ihren 80. Geburtstag zu feiern. Allein seit 1990 ist die Lebenserwartung um gut sechs Jahre gestiegen. So steht es in der Studie "Health at a Glance: Europe 2016", die die EU-Kommission und die OECD am Mittwoch vorlegten. Aber das bedeutet nicht, dass alle gesund alt werden, im Gegenteil. Rund 50 Millionen Menschen sind chronisch krank - rund jeder zehnte in der EU. Wo liegen die Ursachen? Und was kann man tun? Fünf Lehren aus dem 200 Seiten starken Bericht:

  1. Chronische Krankheiten sind ein Riesenproblem: Jährlich sterben dem Bericht zufolge rund 550 000 noch relativ junge Europäer im erwerbsfähigen Alter bis 64 Jahre vorzeitig an chronischen Krankheiten. Das bedeutet nicht nur Leid und verlorene Lebenszeit für die Menschen selbst. Ökonomen beziffern dramatische Folgen, gemessen am Idealfall, dass die Kranken bis zum Rentenalter voll erwerbstätig wären. 3,4 Millionen produktive Lebensjahre fehlten, der Wirtschaft entstünden so Kosten von 115 Milliarden Euro pro Jahr. Deutschland liegt mit 195 vorzeitigen Todesfällen pro 100 000 Einwohner knapp unter dem EU-Durchschnitt von 201. Länder wie Ungarn oder Bulgarien haben über 400.
  2. Viele chronische Krankheiten wären vermeidbar: Vorzeitige Todesfälle gehen oft auf Herzinfarkte oder Krebs zurück. Und das Risiko, daran zu erkranken, wächst mit besonderen Umweltbelastungen wie schlechter Luft und mit ungesunder Lebensweise. Laut Bericht sind heute 16 Prozent der Erwachsenen fettleibig, während es im Jahr 2000 nur elf Prozent waren. Beim Konsum von Tabak gehen die Zahlen zurück, aber sie sind immer noch sehr hoch: Einer von fünf Europäern raucht. Ebensoviele tranken 2014 mindestens einmal im Monat sehr viel Alkohol. Die EU sieht einen klaren Zusammenhang zu "potenziell vermeidbaren Krankheiten".
  3. Man kann etwas tun: Die Experten sehen darin einen Ansatzpunkt - und einen Handlungsauftrag: Sie setzen auf eine Mischung, die Menschen selbst zu einem gesünderen Leben zu bewegen und gleichzeitig die Gesundheitssysteme fit zu machen. Erfolgreiche Aufklärungskampagnen gibt es oft bei Jugendlichen: In Ländern wie Bulgarien, Kroatien, Ungarn oder Italien raucht einer von fünf 15-Jährigen, während es in Ländern wie Dänemark, Irland, Schweden oder Großbritannien nur halb so viele sind.
  4. Die Gesundheitssysteme müssen besser werden: Krankenversicherungen und Versorgung sind dem Bericht zufolge in der EU besser geworden. Die Zahl der Ärzte pro 1000 Einwohner etwa ist seit dem Jahr 2000 in fast allen EU-Ländern gestiegen, durchschnittlich von 2,9 auf 3,5. Und doch gibt es etliche Mängel im System. In den vier EU-Ländern Zypern, Griechenland, Bulgarien und Rumänien haben jeweils mehr als zehn Prozent der Bevölkerung keine ausreichende Absicherung gegen Krankheitskosten. Mit der Krise seit 2009 wuchs in mehreren Ländern der Anteil von Menschen, die aus finanziellen Gründen nicht ausreichend versorgt werden. Unter Armen ist er im Durchschnitt zehn Mal höher als unter Reichen.
  5. Es wird nicht billiger: Die große Belastungsprobe für die Gesundheitssysteme steht noch aus. Denn der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre - also in einem Alter, wenn sich Krankheiten häufen - soll von heute knapp 20 Prozent bis 2060 auf 30 Prozent steigen. Experten sehen noch Sparmöglichkeiten im System, etwa mit kürzeren Krankenhausaufenthalten oder dem konsequenten Einsatz von Generika statt teurer Originalarzneien. Doch schreiben die Autoren des Berichtes auch: "In allen Ländern dürfte der Anteil der Ausgaben im Gesundheitswesen am BIP in den nächsten Jahren zunehmen."
(dpa/ham)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort