Cyberchondrie Bei jedem Klick eine neue Krankheit

Düsseldorf · Ob Kopf-, Glieder- oder Magenschmerzen - im Internet findet sich zu jedem Wehwehchen eine Antwort - oder auch zehn. So mancher stellt sich da mit jedem Klick eine schlimmere Eigendiagnose: Tollwut, Gehirntumor, Milzbrand! Cyberchondrie nennt sich die zwanghafte Sucht nach der Internetdiagnose.

 Cyberchonder verbringen Stunden damit, ihre körperlichen Symptome im Internet zu recherchieren.

Cyberchonder verbringen Stunden damit, ihre körperlichen Symptome im Internet zu recherchieren.

Foto: Shutterstock.com/ dean bertoncelj

Der Körper ist ein seltsames Ding, an manchen Tagen zwickt es einfach. Mal ist es der Kopf. Mal die Gelenke oder man fühlt sich insgesamt irgendwie schlapp. Auf eine Krankheit lassen solche Symptome jedoch nicht unbedingt schließen - jedenfalls normalerweise nicht.

Denn es gibt Menschen, die angeregt durch das große Wissensangebot im Internet, blitzschnell von einem blauen Fleck auf eine Thrombose schließen, oder auf einer der zahlreichen Gesundheitsseiten die Diagnose Gehirntumor für ihre wiederkehrenden Kopfschmerzen entdecken.

Cyberchondrie nennt sich die psychische Störung, bei der echte oder eingebildete körperliche Symptome durch intensive Internetrecherche zu schweren selbstdiagnostizierten Krankheiten ausarten. Das Wort setzt sich zusammen aus "cyber" und "Hypochondrie". Ähnlich wie beim Hypochonder, wächst die Angst und Überzeugung an einer schweren Erkrankung zu leiden beim Cyberchonder, durch die stundenlange Beschäftigung mit den eigenen Symptomen. Während der Hypochender aber darüber nachdenkt und vielleicht Magazine wälzt, verbringt der Cyberchonder Stunden auf verschiedenen Seiten im Internet.

Da während des gesamten Rechercheprozesses und häufig auch danach kein Arzt konsultiert wird, stellt der Betroffene meist falsche Zusammenhänge her. Er überdramatisiert seine Symptome und kommt am Schluss zu einer viel zu krassen Diagnose. Die Angst davor, dass sie sich bewahrheiten könnte setzt den Cyberchonder unter massiven psychischen Druck. Im schlimmsten Fall kann letztlich das volle Krankheitsbild des Hypochonders ausgebildet werden. Die Gedanken kreisen dann permanent um die Krankheitssorgen, und führen zu körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwitzen, innerer Unruhe bis hin zur Depression.

Diagnose und Therapie

Spätestens durch den verstärkten Zuspruch von Verwandten und Bekannten gehen die Betroffenen mit ihrer Befürchtung irgendwann doch zum Arzt. In der Regel sorgt die konkrete ärztliche Diagnose auch für eine Entlastung des psychischen Drucks, allerdings nur zeitweilig. Schon bald beginnt der Teufelskreis von vorn.

Zwar ist der Gang zum Arzt richtig und wichtig, doch bis das Krankheitsbild Cyberchondrie beziehungsweise Hypochondrie ärztlich erkannt wird, kann noch viel Zeit vergehen. Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre bis die psychische Verfassung des Betroffenen diagnostiziert wird. Dann ist das Verhalten jedoch bereits chronifiziert und erheblich schwieriger zu behandeln.

Ähnlich wie bei der Hypochondrie wird auch bei der Cyberchondrie vor allem auf psychotherapeutische Maßnahmen gesetzt. Da es ein relativ neues Krankheitsbild ist, gibt es nur wenig psychologische Studien oder Richtlinien dazu. Beim klassischen Hypochonder hat sich die Verhaltenstherapie bewährt, bei der der Patient lernt, seine Reaktion auf körperliche Symptome anders einzuschätzen. In schweren Fällen können außerdem Antidepressiva verordnet werden.

(ham)
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