Marode Gesundheitssysteme und Aberglaube Der schwierige Kampf Westafrikas gegen Ebola

Monrovia/Lagos · Mehr als 1000 Tote und fast 2000 Infizierte – das ist die bisherige Bilanz der Ebola-Epidemie in Westafrika. Tagtäglich kämpfen die Helfer vor Ort darum, die Seuche irgendwie einzudämmen. Doch die Voraussetzungen sind schwierig angesichts maroder Gesundheitssysteme und auch kultureller Hürden.

Ebola - Von ersten Fällen zum Internationalen Gesundheitsnotfall
Infos

Ebola - Von ersten Fällen zum Internationalen Gesundheitsnotfall

Infos
Foto: Festa/ Shutterstock.com

Mehr als 1000 Tote und fast 2000 Infizierte — das ist die bisherige Bilanz der Ebola-Epidemie in Westafrika. Tagtäglich kämpfen die Helfer vor Ort darum, die Seuche irgendwie einzudämmen. Doch die Voraussetzungen sind schwierig angesichts maroder Gesundheitssysteme und auch kultureller Hürden.

Im Dorf Ballajah in Liberia stirbt die zwölfjährige Fatu Sherrif allein, neben sich nur die Leiche ihrer Mutter, die sich wie die Tochter mit dem Ebola-Virus beim Vater angesteckt hat. Dessen Leichnam hatten die Behörden, die erst Tage nach seinem Tod eintrafen, mitgenommen. Den Dorfbewohnern rieten sie, sich von Fatu und ihrer Mutter fernzuhalten. Und das tun sie auch.

Im Stich gelassen fühlt sich auch eine Frau in Westafrika, über die der ARD-"Weltspiegel" in einer Reportage über Ebola berichtet. Ihr Mann habe Symptome, die auf Ebola schließen ließen und müsste ins Krankenhaus, erzählt sie den Reportern. Da sie es allein nicht schafften, ihn dort hinzubringen, habe man die Polizei angerufen. "Wir haben es versucht und versucht und versucht", erzählt die junge Frau. "Aber nichts ist passiert."

Es sind nur zwei Beispiele für viele, die zeigen, wie schwierig der Kampf gegen die Epidemie in Westafrika ist. Viele Straßen sind schlecht, die Wege weit. Einheimische Helfe müssen Analphabeten erklären, wie ein Virus wirkt. Hinzu kommt, dass Westafrika noch nie von dem gefährlichen Virus betroffen war und die Menschen und Regierungen damit völlig unvorbereitet getroffen hat.

Die Nachwehen von Bürgerkriegen und Unruhen

Viele Länder in Westafrika leiden noch unter den Nachwehen von blutigen Bürgerkriegen und schweren politischen Unruhen. Die Gesundheitssysteme sind zerstört, trotz internationaler Unterstützung dauert es lange, bis die Länder angemessen auf die Epidemie reagieren können. Hinzu kommt das Misstrauen der Menschen vor Ort in die staatlichen Einrichtungen angesichts vormaliger Repressionen.

Aufklärung ist daher eine wichtige Aufgabe für die Helfer neben der Behandlung der Kranken, aber dazu ist das Vertrauen der Menschen vor Ort nötig. Viele pflegen ihre Angehörigen lieber daheim, als sie auf die Isolierstationen zu bringen. Andernorts, wie in den oben genannten Beispielen, kommt Hilfe durch die staatlichen Einrichtungen oft zu spät. Es ist ein Kampf gegen die Zeit.

In Liberia, so berichtet der ARD-"Weltspiegel", wurde vor Kurzem, extra ein Callcenter eingerichtet, dass inzwischen zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt geworden ist. Tausende Menschen würden dort täglich anrufen — voller Angst und Unsicherheit. Die Leiterin sagt, dass sie so auch Daten sammeln könnten, wo im Land Ebola besonders häufig zu sein scheint, um die Helfer dann dorthin zu schicken. Auch wüssten die Menschen vor Ort mitunter immer noch zu wenig oder auch gar nichts über das Virus.

Angebliche Wundermittel wie Salzbäder

Hinzu kommen kulturelle Hindernisse. Gerade in abgeschiedenen Gebieten verlassen sich die Menschen lieber auf traditionelle Heiler. "Trotz aller Aufklärungskampagnen bezweifeln hier viele immer noch, dass es die Krankheit überhaupt gibt", sagte erst vor wenigen Tagen Katherine Müller, Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika, nach einem Besuch in den Ebola-verseuchten Regionen von Sierra Leone. Daher sei es auch die Aufgabe, den Heilern von dem Virus erzählen, damit sie ihre Patienten aufklären können.

Denn mitunter werden angebliche Heilmittel wie ein Salzbad empfohlen, eine Rezeptur, die sogar über lokale Radio- und Fernsehsender sowie über Twitter verbreitet wurde. "Ignoranz und Armut, aber auch fest verwurzelte religöse und kulturelle Praktiken tragen weiter zur Ausbreitung der Krankheit bei", hatte denn auch Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf vor wenigen Tagen gesagt, nachdem das Land den Notstand ausgerufen hat.

Dazu gehört auch, den Menschen zu erklären, das Flughunde, die in den Länder oft noch teils roh gegessen werden, Träger des Virus' sein sollen und dass alles Fleisch gut durchgebraten werden soll, weil diese Flughunde auch auf Farmen unterwegs sind. Dazu gehört aber auch, den Menschen beizubringen, die Toten nicht anzufassen und zu waschen, wie es traditionell üblich ist, weil es so zu weiteren Ansteckungen kommen kann.

Deutscher Arzt Kratz: "Es gibt eine riesige Diskrepanz"

Auch der Berliner Arzt Thomas Kratz, der im Juni in Sierra Leone half, die Epidemie zu bekämpfen, hat das erlebt. Im Interview mit der "Hannoverschen/Niedersächsischen Allgemeine" sagte er: "Es gibt eine riesige Diskrepanz. Einerseits ist da eine Überängstlichkeit. Es gibt Gerüchte, dass man Ebola bekommt, wenn man nur das Wort ausspricht oder von Kranken angeguckt wird. Auf der anderen Seite sehen wir völlig unzureichende oder nicht vorhandene Schutzmaßnahmen."

In einigen Dörfern, so erzählte Kratz der Nachrichtenagentur dpa, würden die Helfer jubelnd empfangen, in anderen mit Steinen beworfen. Und es gebe die Angst der Stigmatisierung. So wie auch im Fall des Dorfes Ballajah und der zwölfjährigen Fatu Sherrif. Denn ihr Bruder wurde negativ getestet. Dennoch wird er von den anderen Dorfbewohnern gemieden — aus Angst — und lebt jetzt abgemagert in einem abgeschiedenen Haus.

mit Agenturmaterial

(das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort