Analyse Ebola - das unaufhaltsame Virus

Düsseldorf · In Westafrika breitet sich die Krankheit immer weiter aus. In 90 Prozent der Fälle überleben die Infizierten nicht. Durch importiertes Fleisch von infizierten Affen könnte das Virus auch Europa oder Asien erreichen.

Über 660 Todesopfer - die aktuelle Ebola-Epidemie hinterlässt in Westafrika immer deutlichere Spuren. Nun kommt das Virus auch nach Deutschland, denn der erkrankte Mitarbeiter einer Gesundheitsorganisation soll am UKE in Hamburg behandelt werden. Verschiedene Medien berichteten, es könnte sich um den führenden Ebola-Experten Sheik Umar Khan handeln, der im Kampf gegen die Krankheit in seiner Heimat Sierra Leone viel bewegt hat.

Die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für eine solche Behandlung sind hoch, so dass für die Menschen hierzulande kein Risiko besteht. Aber über kurz oder lang könnte der Erreger durchaus zu einem globalen Problem werden.

Erstmals auffällig wurde das Virus 1976 im Kongo, dessen Fluss Ebola auch der Namenspatron des Virus wurde. Die Infektion befiel seinerzeit 318 Menschen, von denen 280 starben. Das entspricht einer Todesfallquote von knapp 90 Prozent, was normalerweise für ein Virus zu hoch ist. So haben sich beispielsweise Viren, die Herpes ausläusen, im Laufe ihrer Evolution nahezu perfekt an den Menschen angepasst, indem sie ihn zwar krank werden, aber ansonsten am Leben lassen, damit er nicht als Verteiler ihres Erbguts ausfällt. Doch die Ebola-Viren halten sich nicht an dieses mikrobiologische Gesetz: Sie sind tödlich wie eh und je. Auch die aktuelle Epidemie in Liberia, Sierra Leone und Guinea hat bei 1100 Infizierten bereits über 660 Todesopfer gefordert.

Ebola-Infizierte leiden zunächst an Fieber, Muskelschmerzen und Durchfall, was auch bei vielen anderen Erkrankungen vorkommt und keine eindeutige Diagnose zulässt. Der letztendliche Nachweis, dass der Kranke am sogenannten Ebolafieber leidet, gelingt erst durch eine Laboruntersuchung von Urin, Speichel oder Blut. Im fortgeschrittenen Ebola-Stadium kommt es zu inneren Blutungen, Lähmungen, Kreislaufzusammenbrüchen und Organversagen. "Für den Betroffenen ist Ebola eine grausame Krankheit", erklärt Virologe Markus Eickmann von der Universität Marburg.

Die hohe Sterberate bei Ebola begrenzt aber auch das Potenzial des Erregers, wie bei einer Grippe-Epidemie gleich zig Tausende Menschen in kurzer Zeit zu befallen. Denn laut Robert-Koch-Institut wird er übertragen, indem man mit dem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten von erkrankten Menschen in Kontakt kommt - und dieses Risiko verringert sich, sofern der Patient früh stirbt und dann sofort bestattet wird. Bei einem noch lebenden Patienten können sich Pfleger und Ärzte durch entsprechende Schutzmaßnahmen - wie etwa das Überziehen von Handschuhen - relativ leicht vor einer Ansteckung schützen. Wirklich große Ebola-Epidemien waren daher bisher selten, und sie sind auch nicht zu erwarten.

Was aber nicht heißen soll, dass das Ebola-Virus nicht auch seine Kreise jenseits von Afrika ziehen könnte. Denn als Reservoir dienen ihm Affen, die in Afrika mehr denn je gejagt werden, um als sogenanntes Bush-Meat verkauft und schließlich verzehrt zu werden. Aus diesem Infektionsweg speiste sich fast jede Ebola-Epidemie der vergangenen Jahre - und dieser Infektionsweg reicht weit über Afrika hinaus. "Auf der ganzen Welt essen Menschen Schimpansenfleisch", warnt der südafrikanische Affenforscher Marc Cronje, "es wird tonnenweise unter anderem nach London und überhaupt nach Europa, aber auch nach Tokio und in die USA geliefert." In Vietnam gibt es bereits einen richtigen Boom von Affenrestaurants.

Der internationale Tourismus trägt ebenfalls dazu bei, dass sich Ebola über die Welt verteilen kann. Denn seine Inkubationszeit kann bis zu drei Wochen betragen. Es ist also durchaus möglich, dass ein infizierter Tourist auf seiner Rückreise von Afrika den Erreger mitbringt, obwohl er noch keinerlei Symptome zeigt. Ein Einschleppen nach Deutschland sei, wie Lars Schaade vom Robert-Koch-Institut betont, "nicht auszuschließen". Das Risiko einer dadurch ausgelösten Epidemie sei jedoch gering, denn der Infekt wird erst dann ansteckend, wenn sich die ersten Symptome zeigen. An dieser Stelle sind dann auch die Ärzte gefordert, bei einem Afrikarückkehrer mit Krankheitssymptomen den Ebola-Virus überhaupt ins Kalkül zu ziehen.

Eine Impfung oder eine Therapie gegen Ebola ist bisher nicht in Sicht. Denn für eine Erkrankung, die nur wenige Menschen befällt und in den Industrieländern noch keine Rolle spielt, werden nur ungern Forschungsgelder investiert. Im Jahre 2010 entwickelten Forscher des US-Militärs ein Medikament, das sich an die Ribonukleinsäuren des Virus andockt und ihn dadurch an seiner Fortpflanzung hindert. Die Ribonukleinsäure ist Bestandteil eines Virus und trägt seine genetischen Informationen. An Affen zeigte der Wirkstoff bereits beachtliche Erfolge, immerhin 60 Prozent der infizierten Tiere konnten überleben. An einem anderen US-Institut wurde ein Antikörper entwickelt, der den Virus am Eindringen in seine Wirtszellen hindert. Doch beide Medikamente bedürfen noch der klinischen Überprüfung am Menschen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt daher auf die Aufklärung der Bevölkerung in jenen Ländern, in denen sich Ebola breitgemacht hat. Dazu gehört, von rituellen Bestattungen und dem Verzehr von Bush-Meat abzuraten. Doch die Erfolge dieser Maßnahmen sind bislang mäßig.

Derweil wurden in Nigeria, nachdem es nun auch dort zum ersten Ebola-Todesfall gekommen ist, die Flughäfen und Häfen in Alarmbereitschaft versetzt. Spezialisten seien im Einsatz, um Einreisende mit Symptomen der Krankheit zu identifizieren, erklärte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu am Wochenende. Die Regierung von Liberia hat die Ebola-Seuche zum nationalen Notfall erklärt und ihre Grenzübergänge geschlossen.

(RP)
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