Sierra Leone Suche nach einem Wirkstoff gegen Ebola

Sierra Leone · Die geringe Zahl an Neu-Ansteckungen erweckt den Eindruck von einem Ende der Epidemie. Der Schein trügt aber.

Die wichtigsten Fakten zu Ebola
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Foto: AP/Frederick Murphy

Die Nachrichten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) klingen wie eine Erlösung in Sachen Ebola. Die Statistiker meldeten weniger als 100 neue Infektionsfälle. Drei der sechs betroffenen afrikanischen Länder bezeichnen sich als Ebola-frei. Der niedrigste Wert mit Neu-Ansteckungen seit Juni 2014 deutete ein Ende der Epidemie an, die bisher fast 9000 Menschen in Westafrika das Leben gekostet hat.

Der Schein trügt. Der Kampf gegen Ebola ist nicht gewonnen. In der vergangenen Woche stieg die Zahl der bestätigten neuen Ebola-Fälle wieder auf 124, drei Viertel davon in Sierra Leone. Die Zahl ist zwar niedriger als zur Hochzeit der Epidemie, aber dennoch beunruhigend. Denn das Virus erreicht Regionen, in denen es bisher nicht beobachtet wurde. In Tougué, einer Grenzprovinz im Norden Guineas, wurden die ersten beiden Ebola-Fälle registriert.

"Die Epidemie kann bei fehlender Sorgfalt und mangelnden Sicherheitsmaßnahmen jederzeit wieder aufflammen", sagt Stefanie Miebach von der Hilfsorganisation "Cap Anamur". Trotz Aufklärungskampagnen sind die Gefahren durch das Virus noch immer nicht überall bekannt. In Lola, im Südosten Guineas, steckten sich elf Menschen bei der traditionellen Beerdigung eines Ebola-Opfers an. Die Trauernden küssen und umarmen dabei den Leichnam, der aber immer hoch ansteckend ist. Diese Form der Beerdigung spielte für die rasche Ausbreitung der Krankheit eine große Rolle.

"Cap Anamur" betreibt eine Ebola-Station mit 21 Betten in Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Dort hat sich die Lage entspannt. "Im ersten Monat musste unsere Station noch 84 Ebola-Patienten versorgen, im dritten Monat waren es nur noch 13", berichtet Miebach. Zudem hätten ausländische Helfer das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen. "Anders als zu Beginn der Epidemie kommen die meisten Patienten bei Ebola-Verdacht jetzt aus eigenem Antrieb zur Klinik", so Krankenschwester Stefanie Kuhn.

An der Ebola-Station wird derzeit ein Mini-Labor eingerichtet, damit die Mediziner bei Verdachtsfällen schneller wissen, ob der Patient sich mit Ebola infiziert hat oder an einer anderen Krankheit leidet. In den ersten Wochen der Epidemie dauerten diese Tests mehrere Tage, manche Verdachtsfälle kehrten in der Zwischenzeit zu ihren Familien zurück. Die Hilfsorganisationen haben in Guinea, Sierra Leone und Liberia teilweise staatliche Aufgaben übernommen. Die medizinische Infrastruktur ist immer noch unzureichend. So koordiniert "Medecins sans frontieres" (Ärzte ohne Grenzen) einige der Tests von neuen Medikamenten zur Behandlung von Ebola. Den Ärzten fehlt ein erprobtes Mittel gegen die Krankheit. Bisher können sie nur die Abwehrkräfte ihrer Patienten stärken und sie mit Elektrolyten und Nährstoffen versorgen.

Hoffnung machen die ersten Ergebnisse mit dem Wirkstoff Favipiravir aus zwei Städten in Guinea. Das Medikament halbiert die Sterblichkeitsquote, wenn es zu Beginn der Infektion verabreicht wird. Unbehandelt starben mehr als 30 Prozent der Ebola-Kranken, mit Faviparavir waren es 15 Prozent. Allerdings ist die Testgruppe für eine sichere Aussage noch zu klein. Nach Angaben der "New York Times" erhielten erst 69 Patienten das Medikament. Favipiravir galt als vielversprechend, weil die Substanz in Japan schon als Arzneimittel im Kampf gegen ein anderes Virus zugelassen ist: gegen den Grippe-Erreger. Die Arznei hatte in klinischen Studien schon ihre Verträglichkeit für den Menschen bewiesen. Ein Test im Krisengebiet gilt deshalb als ethisch vertretbar. Auf dem Höhepunkt der Epidemie hatte es eine Debatte gegeben, ob an den schwerkranken Ebola-Patienten auch Wirkstoffe getestet werden dürfen, für die es noch keine Erfahrung im Einsatz beim Menschen gibt. Die Erprobung eines anderen Medikaments in Liberia wurde wegen zu geringer Patientenzahlen ausgesetzt. Zudem testen die Ebola-Ärzte eine Therapie, die in Europa undenkbar wäre. Sie geben den Patienten das Blut oder gereinigtes Blut-Serum von Ebola-Überlebenden. Die darin befindlichen Antikörper sollen den Schwerkranken im körpereigenen Kampf gegen Ebola helfen.

In Guinea und Sierra Leone vermutet die WHO noch unbekannte Reservoire für das Ebola-Virus. Bei der Hälfte der über 30 Neuansteckungen in Guinea wissen die Seuchenexperten nicht, auf welchem Weg sich der Patient mit dem Virus angesteckt hat. In Sierra Leone liegt diese Quote sogar bei 80 Prozent. Nur in Liberia sieht es besser aus: Dort gab es zuletzt zwar sieben neue Fälle, aber alle Betroffenen hatten Kontakt zu Ebola-Patienten.

(RP)
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