Studie Euro-Krise macht Menschen krank

London · Die Sparprogramme in den europäischen Krisenländern haben schwere Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Bewohner. Einer Studie zufolge hat es in Griechenland Ausbrüchen von Aids und Malaria gegeben. Auch die Zahl der Selbstmorde habe zugenommen.

Die tiefen Haushaltseinschnitte und steigende Arbeitslosigkeit führten unter anderem zu fallenden Einkommen, weswegen weniger Menschen zum Arzt gingen oder sich Medikamente kauften, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet". Als Folge davon habe sich seit 2007 der langfristige Rückgang bei Selbstmorden umgekehrt. Besonders in Griechenland sei es zu besorgniserregenden Ausbrüchen von Krankheiten wie Aids und sogar Malaria gekommen.

Krankenhäuser kämpften darum, die medizinischen Mindeststandards zu halten. Es gebe ganz klar das Problem, dass die Folgen der Sparprogramme für die Gesundheit geleugnet würden, erklärte der Leiter der Untersuchung Martin McKee von der European Observatory on Health Systems and Policies. "Die Europäische Kommission ist per Abkommen dazu verpflichtet, die Auswirkungen ihrer Politik auf die Gesundheit zu prüfen", sagte er. Bislang sei dies bei den Sparprogrammen jedoch nicht geschehen.

McKee verglich das Verhalten der Kommission und der einzelnen EU-Staaten mit Verschleierungstaktiken der Tabak-Industrie. In der Studie wird das Vorgehen Islands als Alternative bezeichnet. Dort hätten die Bürger in einem Referendum harte Einschnitte abgelehnt und weiter in staatliche Dienste investiert. Entsprechend hätten in der Studie keine negativen Folgen der Krise für die Gesundheit nachgewiesen werden können.

Unterschiede zwischen Ost- und West

Die Studie der Fachzeitschrift "The Lancet" hat weiter ergeben, dass die Unterschiede beim Gesundheitszustand der Bevölkerung zwischen Ost- und Westeuropa heute größer sind als noch vor 40 Jahren. In Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist die Lebenserwartung von Neugeborenen kürzer, als in westlichen Staaten. Regelungen zum Alkohol- und Tabak-Konsum, verbunden mit Fortschritten in der Medizin und der Einführung einer effizienten Gesundheitspolitik hätten in Westeuropa Erfolge gebracht, heißt es in der Untersuchung.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion sei dieser Fortschritt nicht im selben Maß zu erkennen. Mit Ausnahme der baltischen Staaten sei die Lebenserwartung für Neugeborene dort deutlich kürzer als in Westeuropa - zwölf Jahre weniger für Männer und acht Jahre weniger für Frauen. Erst ab dem Jahr 2000 sei überhaupt ein Fortschritt zu erkennen gewesen.

"Die politische Geschichte Europas hat tiefe Unterschiede bei der Gesundheit der Bevölkerung hinterlassen", heißt es weiter in der Studie. Aber auch im Westen des Kontinents sei nicht alles Gold, was glänze. In einigen Ländern seien große Fehler bei der Gesundheitspolitik gemacht worden, die medizinische Erfolge verzögert hätten. Der Kampf gegen die Folgen von Tabakkonsum sei zum Beispiel in Deutschland, Österreich und Dänemark verspätet aufgenommen worden. In Finnland und Großbritannien seien Todesfälle in Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch zu lange ignoriert worden.

Gesundheitspolitik war unterentwickelt

An der Studie waren Wissenschaftler der Universität Rotterdam, der London School of Hygiene and Tropical Medicine und vom Europäischen Überwachungszentrum für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik der WHO beteiligt. Der Gesundheitspolitik in der ehemaligen Sowjetunion stellten die Autoren ein besonders schlechtes Zeugnis aus. "Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren viele Bereiche der Gesundheitspolitik ernsthaft unterentwickelt", heißt es in der Studie. "Es hat fast gar keine Kontrolle des Tabakkonsums stattgefunden."

Regelungen zum Alkohol habe es nur sporadisch gegeben. Auch das Bewusstsein dafür, dass eine Ernährung mit wenig Obst und vielen gesättigten Fettsäuren Gesundheitsprobleme machen kann, sei kaum vorhanden gewesen. Dies habe zu einem gehäuften Auftreten chronischer Erkrankungen geführt. Der Vorsprung des Westens sei heute noch immer nicht aufgeholt, auch wenn es in einigen Ländern Fortschritte gebe. In Russland werde noch immer als Rasierwasser oder Tinktur verkaufter - und somit unversteuerter - Alkohol getrunken.

(reu/dpa/anch)
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